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Eine Neuerwerbung der Universittsbibliothek zu Uppsala

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Academic year: 2021

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E I N E N E U E R W E R B U N G D E R U N I V E R -

S I T Ä T S B I B L I O T H E K Z U U P P S A L A

DIE H I E R zu beschreibende Handschrift tauchte im Februar 1953 sozusagen aus dem Nichts auf, als sie in einem schwedischen Antiqua- riatskatalog mit folgenden Worten feilgeboten wurde:

Handschrift von etwa 1500. Choralbuch auf schönem, dickem Papier mit Text und Musik in Rot, Schwarz und Blau. Klein- Quarto, 740 Seiten. Pergamentband der Zeit mit Blindprägung und erhaltenen Spangen.

Eine Jahreszahl, 1515, stammt von der gleichen Hand wie mehrere Marginalnoten und gibt vielleicht die Entstehungszeit an. Möglicherweise stammt die Handschrift aus dem Südosten Europas'.

Das Buch

-

das sich als Graduale auswies - wurde von der Uni- versitätsbibliothek Uppsala angekauft und ihrer Handschriftensamm- lung mit der Signatur C 517 f einverleibt.

Beschreibung der Handschrift

Die äusseren Masse des Bandes sind 207 x 157 x 70 mm. Es handelt sich um einen blindgeprägten Pergamentband der Zeit. Der Band wird durch zwei Spangen geschlossen. Der Einband ist aussen etwas bestossen und die eine Spange abgefallen. Am unteren Rande des Vorderdeckels befindet sich ein kleiner Brandschaden. Sonst ist der Band gut erhalten - der Rücken ist nicht aufgebrochen - und das Buch scheint nicht viel gebraucht gewesen zu sein.

Das Buch enthält 371 Blätter. Es gibt eine laufende ursprüngliche Paginierung von 1 bis 354, jedoch wurden 17 Blätter vor fol. 1 ein- gebunden, die hier als I-XVII bezeichnet werdena. Die Seitenziffern der 48 Lagen sind beim Binden teilweise weggeschnitten worden.

Das Papier ist Schreibpapier guter Qualität. Die Wasserzeichen werden weiter unten unter ,,Datierung" besprochen.

1 Veckans nyheter (Thulins antikvariat) 709, Stockholm 1953, S. 3.

2 Die Seitenzahlen 207 und 294 wurden doppelt notiert, während die Zahlen 209 und 295 weggelassen wurden.

Der Band ist wahrscheinlich der ursprüngliche. In vielen Lagen finden sich Löcher von früheren Bindestichen; da sich aber diese Lagen inhaltlich genau a n die anderen anschliessen, haben sie vielleicht in unbeschriebenem Zustand einem älteren geschlachteten Band angehört. Das Buch dürfte zum grössten Teil von ein und derselben Hand geschrieben sein. Ein paar Zusätze wurden nach dem Binden von einer zweiten Hand gemacht.

Die Textseiten (fol. II-XI) sind mit Fraktur in roter und schwarzer Tinte beschrieben; der Textspiegel misst mit seinen durchschnittlich 17 Zeilen 150 x 100 mm. Die Sprache des Textes ist Latein. Die Musik (fol. XIII-XVII, 1-354) besteht aus Linien, Notenzeichen und Text in Schwarz mit abwechselnd roten und blauen (zuweilen auch schwarzen) Initialmajuskeln. Der Text dieser Musikseiten ist in einer flüssigen, gotischen Kursive mit zahlreichen Abkürzungen geschrieben. Die beschriebene Fläche jeder Seite misst mit unbedeutenden Abweichungen 150 x 105 mm und enthält fünf fünfzeilige, mit Lineal, vielleicht sogar mit Maschine gezeichnete Notensysteme3.

Man findet zwei Arten der Notenschrift in unserem Manuskript: eine gotische Choralnotenschrift (sog. “Hufnagelschrift ") und eine mensura1 beeinflusste gotische Notation mit aufwärts gerichteten Notenstrichen (,,cantus fractus" - von mehreren Auktoren wegen ihrer Stellung zwischen cantus planus und cantus mensuratus so genannt4). Letztere Schreibweise ist auch a n einigen Stellen zu der Hufnagelschrift dazu- geschrieben worden (z.B. fol. 265' f,).

Der Zeichenvorrat besteht aus Punctum, Virga, runder und eckiger Flexa, Bipunctum und Apostropha. Von Gruppenzeichen kennt die Handschrift den Scandicus und Climacus (mit deren Erweiterungen). Von der Mensuralnotenschrift ist die Fermate entlehnt ebenso wie die Minima, die nur in den späteren Ordinarienmelodien vorkommt. Alterations- zeichen für b molle stehen sowohl vor einzelnen Neumen wie als ständige Vorzeichen. Vier Schlüssel kommen vor: F-, c-, g- und cc-Schlüssel; der Kustos steht regelmässig a m Zeilenende und bei Transponierungen. Die Abgrenzung der Perioden ist besonders vermerkt. Die Anfangs- buchstaben jeder neuen Textpartie sind als Majuskeln über das Linien- system gesetzt, so dass die Satzglieder durch sie sowohl melodisch wie auch textlich auseinandergehalten werden. Trennungsstriche, die das ganze System durchschneiden, wie auch Fermaten, haben dieselbe 8 Bei Platzmangel hat der Schreiber freihändig vierlinige Notensysteme gezeichnet (fol. 236, 259, 293, 318 und 320). Die später hinzugefügte Musik auf der Innenseite des Vorderdeckels, auf fol. I und XIII, steht auf fünflinigen Notensystemen, je 6 bis 8 Systeme auf einer Seite.

4 Siehe z.B. J. Wolf, Handbuch der Notationskunde, 1, Leipzig 1913, S. 153 f .

(3)

Funktion, und spätere Hände haben den ursprünglichen Gruppierungs- strichen andere hinzugefügt - bald mit Blau, bald mit Rot (z.B. fol. 335 ff.). Ausserdem gibt es kleine Striche fast nach jedem Worte oder sogar jeder Silbe. Der Abstand der Noten ist auffallend gleichmässig, und der Text muss sich nach der Schreibung der Noten gerichtet haben.

Inhalt

Die Handschrift enthält Musik zu den Gesangsstücken der Messe sowie ein Register. E s handelt sich also um ein Graduale. Die Propria füllen etwa drei Viertel des Buches, während die Ordinaria den Rest ausmachen. Eine Übersicht des Inhaltes ergibt folgendes:

1. Die einleitenden, nicht paginierten Blätter enthalten teils Register, teils Korrekturzusätze. Fol. I

-

eigentlich der Vorsatz - enthält zu- sammen mit der Innenseite des Vorderdeckels ein Incipit-Register der Ordinarienmelodien. Die Anbringung dieses Registers lässt auf seine Entstehung nach dem Binden schliessen. Die vier Credo-Melodien a m E nde der Handschrift (fol. 349 ff.) fehlen in diesem Register, weshalb sie noch später geschrieben sein dürften.

Das Textregister, das auf fol. II beginnt, enthält zehn Blätter. Hier

stehen die Namen der Festtage, die Eingänge der jeweils vorgeschriebe- nen Propria und die Seitenangaben. Das Register wird durch einen Sammelhinweis auf die Ordinarienmelodien abgeschlossen. Am Rand werden die Namen der Festtage der besseren Übersichtlichkeit halber wiederholt. Folgende Feste kommen vor:

De tempore: In gallicantu natalis Christi, Ad secundam missam, Ad missam publicam, De sancto Stephano, De sancto Johanne, In octaua domini, In epiphania domini, In octaua epiphanie, In die sancto pasce, Feria secunda pasce, Feria tercia pasce, De armis domini, In die ascensionis, In die sancto penthecostes, Feria secunda penthecostes, Feria tercia penthecostes, De sancto trinitate, In festo corporis Christi, Dedicacionis ecclesie.

De sanctis: Andree, Barbare, Nicolai, Conceptio BMV, Lucie, Thome, Fabiani e t Sebastiani, Agnetis, Vincentii, Conversio Pauli, Purificatio BMV, Agathe, Dorothee, Appolonie, Cathedra Petri, Mathie, Kuni- gundis, Annuntiatio BMV, Ambrosii, Gregorii, Marci, Philippi et Jacobi, Inventio crucis, Johannes ante portam latinam, Deocari, Viti, Modesti et Crescentie, Decem milium marthyrum, Johannis Bapt., Johannis e t Pauli, Petri et Pauli, Commemoratio Pauli, Visitatio Marie, Kiliani et soc., Heinrici, Margarethe, Divisio apostolorum, Marie Magdalene, Christine, Jacobi, Anne matris Marie, Marthe, Vincula Petri, Inventio Stephani, Sixtus pape et al., Afre, Laurentii, Assumptio BMV, Sebaldi, Octaua assumptionis, Bartholomei, Augustini, Decollatio Johannis, Item eodem die de pluribus, Egidi, Nativitas BMV, Kunigundis, Exaltatio crucis, Octaua nativitatis, Mathei, Mauritii et soc., Michaelis, Ottonis, Hieronymi, Dionysii et soc., Sancto-

rum maurorum, Luce, Severi, Undecim milium virginum, Simonis et Jude, Omnium sanctorum, Leonhardi, Martini, Limni [ = Livini?], Elisabethis, Presentatio Marie in templum, Cecilie, Katharine.

De commune: De apostolis, De uno martyre, De pluribus martyribus, De confessoribus, De virginibus.

De beata: In adventu domini, A nativitate domini usque ad purifi- cationem Marie, A purificatione Marie usque ad festum pasce, Infra pascha et penthecostes, A penthecostes usque ad adventum domini. Die folgenden sechs Blätter (fol. XII-XVII) enthalten ausser dem Marienhymnus ,,O flos florum" einen Introitus und eine Sequenz, auf die das Register mit den Worten ,,in principio post registrum" verweist. Diese Zusätze wurden also zusammen mit der Aufstellung des Registers und vor dem Binden des Buches gemacht.

2. Der paginierte Teil der Handschrift beginnt mit den Propria für neunzehn Feste de tempore (fol. 1-67; siehe die obige Aufzählung). Offertorium und Communio kommen nur beim Kirchweihefest vor. Bei De armis domini ist auch der Ordinarienteil (ausser dem Credo) notiert.

Hierauf folgen (fol. 68-264) die Propria der Festtage de sanctis, de commune und de beata. Bei den Tagen der Heiligen werden nur Introitus und Sequenz gegeben; bei den Marientagen ausserdem Gra- duale, Alleluia, Offertorium und Communio. Die verschiedenen Gesänge sind in Gruppen zusammengestellt, wie man aus folgender Tabelle ersieht: fol. 68-91, 9 3 3 7 Introitus 91'-92, 9 4 3 Gradualia 95-109 1 4 Alleluiatici 110' 1 Offertorium 111 2 Communiones 112-264' 53 Sequentiae

Die grösste Gruppe bilden die Sequenzen; zu den eben genannten 53 kommen noch elf Sequenzen bei den Festen de tempore und weitere zwei auf ,,freien" Seiten des Ordinarien-Teiles5, sowie schliesslich die nach dem Register untergebrachte Sequenz? insgesamt ein Sequentia- rium mit 67 Nummern. Das Register erwähnt noch drei andere, nicht in das Buch aufgenommene Sequenzen'.

5 ,,Dixit dominus" steht auf fol. 304', d. h. zwischen den Kyrie- und Sanctus-

Melodien. Nach den ersten 11 Credo-Melodien folgt auf fol. 346 die Sequenz “Cante- mus cuncti", die nicht fertig geschrieben und auch nicht in das Register aufgenom- men ist.

6 “Concentu parili."

7 ,,Nardus spirat" (S. Anna), ,,Regi regum" ( S . Barbara) und “Virgini Marie

(4)

In dem anschliessenden Katalog findet man die Anfangsworte der 67 Sequenzen und ihre jeweilige Seite im Buche, die entsprechenden Nummern der Analecta hymnicae, den Ambitus und die Tonika, den Teilschlusston und Schlusston jeder Sequenz, und schliesslich die Angabe, ob eine Melodie bei mehreren Sequenzen vorkommt.

1. Adorando veneranda 213‘ 55:213 F-dd c c

2. Affluens delicijs 129’ 9: 114 C-d E E

4. Altissima prouidente 175’ 54: 189 D-f F F 7,57,67 3. Agone triumphali 263 53:229 C-e D a D 45 5. Astra celi dum transcendo 142‘ 54: 237 D-f F F

6. Aue Maria gracia 112 54: 216 C-e G G 8. Aue preclara maris stella 152’ 50: 241 C-f F a F

9. Aue verbi sacra parens 173’ 48: 392 C-e E E F

10. Aue virginalis forma 122‘ 54:243 C-aà E h E

7 . Aue patris lux eterna 139 - C-f F F 4,57,67

11. Aue virgo pregnans prole 131’ 44: 1 C-g E E

12. Benedicta semper sancta 54‘ 53: 81 C-g G d G 24 14. Celi enarrant gloriam 207’ 50: 267 A-f D D 15. Clare sanctorum 257’ 53: 228 G*-g G h G 16. Concentu parili XIV 53: 99 D-d G G 17. Concinamus pariter 222 55: 300 B-f F F

19. Deus in tua virtute 251’ 53: 122 E-f E Gh E

20. Dilectus deo e t 247 54: 90 C-d E E

13. Cantemus cuncti (unvollend.) 346‘ 53: 34 C-e D Ga D

18. Congaudent angelorum 160’ 53: 104 F-aa G G d 21. Dixit dominus 304’ 50: 269 C-e E h E

22. Exultent filie Syon 165 50:271 D-e E G E

24. Festa Christi omnis 22 53:29 D-aa G d G 1 2

25. Gaude Syon quod egressus 198 55: 120 C-f F F

26. Grates deo e t honor 191 53: 119 A-d D E a D

28. Gratulare sponsa 238‘ 9:315 A-e D D 29. Hanc concordi 14’ 53:215 C-e G d G 46 30. Hodierne festum lucis 36 54: 140 A-e D a D 32. Imperatrix angelorum 136 54: 226 C-e E E

33. Ioannes Iesu Christo 18‘ 53: 168 F-aa d d 37 35. Laude Christi debita 253 55:265 C-e E G E

36. Laudet omnis spiritus 217 55: 159 D-aa G G d

38. Laus tibi Christe qui es 187 50:268 C-aa F F c 40, 51 40. Letare mater ecclesia 195 54: 38 C-aa F F c 38, 51 23. Eya recolemus 5’ 53: 16 E-g G G d

27. Grates nunc omnes 3 53: 10 D-d G G

31. Hodierne lux diei 114’ 54:219 A-d D D

34. Lauda Syon 59’ 50: 385 C-g G G 41, 50

37. Laurenti Dauid 220 53: 173 C-d G G 33 39. Letabundus exultet 1 7 1 54:2 C-f F F 56

41. Mente pia iubilemus 225 55: 77 C-g G G 34, 50

* Die erste Strophe h a t den Ambitus F-d.

8 1-55. Hrsg. von G. M. Dreves, CI. Blume und H. Bannister, Leipzig 1886-1922.

42. Mittit ad virginem 150 54: 191 C-f F F

43. Natus ante secula 10 53: 15 A-b D D 44. O beata beatorum 259’ 55: 14 C-e E E

45. Omnes sancti Seraphin 245’ 53: 112 C-e D a D 3

46. Petre summe Christi 205’ 53:210 C-e G d G 29

47. Potestate non natura 179’ 54: 96 C-g F c F

48. Psallat concors 167’ 55: 116 D-g F F

49. Psallat ecclesia 261’ 53: 247 C-d D D G

50. Psallat laude 231’ 9: 109 C-g G G 34, 41 51. Psallite regi 228 50:270 C-aa F F c 38, 40 52. Sacerdotem Christi 249 53: 181 C-d D a D

53. Salue mater saluatoris 117 54:245 C-d D a D

54. Sancte baptiste Christi 203’ 53: 163 C-d D Ga D 55. Sancti spiritus assit 45 53: 70 D-f G d G 56. Sanctissime virginis 201 55: 203 C-f F F 39 57. Stabat mater 144 54: 201 C-f F F 3, 7, 67 58. Stirpe Maria 163’ 53: 95 C-d E G E

59. Summi regis archangele 236’ 53: 192 F-d G G 60. Summi triumphum regis 40’ 53: 67 C-d D a D

61. Tibi cordis 137’ 54: 279 C-e E E

62. Uterus virgineus 157 54:248 C-d D F a c D

63. Veni sancte spiritus 50 54: 153 C-d D a D 64. Verbum bonum et suave 148’ 54: 218 D-d G G

65. ,Victime pascali 30 54: 7 A-d D D

66. Virginalis turma 241’ 55: 333 G-dd c c

67. Virgo dei Margarita 184 55:237 C-f F F 3, 7, 57

3. Die Ordinarienmusik hat folgende Sätze: fol.

265-304 Kyrie, Gloria 24 Alternativen 27 Alternativen 308-333 Sanctus, Benedictus 15 Alternativens Agnus dei 33 5- 3 4 6 Credo 349-354‘

(Mehrere Kyrie-Alternativen haben eine Feiertagsrubrik, was sonst

nur für ein einziges Sanctus und für das Credo gar nicht vorkommt. Die beiden einleitenden Credo-Melodien

-

von denen die erste kürzer als die zweite ist

-

heissen ,,der lang stelzer“ (langsam schreitend?) bzw. ,,der kurz stelzer“ (hüpfend?). Eine deutsche Rubrik findet sich auch bei der letzten Kyrie-Alternative, nämlich ,,Kyrie fasnacht“.)

9 Das Credo beginnt stets mit “Patrem omnipotentem

...“

und geht in der

Regel nur bis

,,.

.

.

passus et sepultus est“. Nur das Credo fol. 349’ ist vollständig. - Zur Weglassung einzelner Teile der Ordinarienstücke siehe M. Sigl, Zur Geschichte des Ordinarium Missae in der deutschen Choralüberlieferung, Veröffentlichungen

der Gregorianischen Akademie zu Freiburg i. d. Schw., Heft 5, 1, Regensburg 1911, S. 78 f.

(5)

Bemerkungen zum Inhalt. - Die Ordinarienstücke sind nicht einmal in ihrer verkürzten Form immer vollständig ausgeschrieben. Wo ein Textabschnitt fehlt, steht nur dessen Anfangswort und darüber da5 Wort ,,chorus" (z.B. fol. 296', 301, 315', 335 ff., 340 ff.). Die Orgel- stimme, bisweilen mit der Notiz “org" (z.B. fol. 342 f.), ist dagegen aus- geschrieben10, weshalb das Buch für den Organisten hergestellt sein dürfte. Unter den Propriensätzen gibt es keine Anweisungen dieser Art, ausser a n einer Stelle (Lauda Syon, fol. 59'), wo wegen einer fal- schen Textangabe extra notiert werden musste, welche Abschnitte die Orgel zu spielen hatte. Bei den Propria war der Wechsel der Stimmen wohl selbstverständlich, so dass man ihn nicht besonders zu bezeichnen brauchte11.

Eine Gruppe der Proprienstücke fehlt ganz, nämlich der Tractus. Im Register wird ein Tractus in einigen Fällen st at t einer Sequenz vor- geschrieben (fol. v), und zwar mit der Notiz ,,quem chorus cantat". Da die Orgel nie bei der Ausführung eines Tractus beteiligt ist, brauchte man diesen Gesang nicht in das Buch des Organisten einzutragen. Der Tractus gehört bekanntlich zur Fastenzeit, wo Instrumentalmusik in der Kirche nicht vorkommen durfte.

Herkunft der Handschrift

Schon die ,,Hufnagel"-Notation und die gotische Schrift deuten auf deutsche Provenienz. Nahezu vier Fünftel der Sequenzen lassen sich mit Hilfe der Analecta hymnica als deutsch bestimmen. Mehrere von ihnen sind süddeutschen Heiligen gewidmet, z.B. ,,Laudet omnis" und ,,Letare mater", die sich a n die Gründer des Bamberger Stiftes, den Kaiser Heinrich I I und seine Gemahlin, die Kaiserin Kunigunde, richten. Unter den jüngsten Sequenzen begegnet uns z.B. “Gratulare sponsa", das dem Bamberger Bischof Otto gewidmet ist, und ,,Conci- namus pariter", das sich auf den Nürnberger Heiligen Sebaldus (kano- nisiert 1425) bezieht. Weitere Namen mit süddeutschen Beziehungen sind Afra und Deocarus.

Zwar fehlt der Handschrift ein eigentliches Kalendarium, aber die oben gegebene Reihenfolge der Heiligen spiegelt doch einen süddeut- schen Kalender wider. H. Grotefends Zeitrechnung des deutschen Mittel-

1 0 Auf. fol. 322 und 327 steht nur der Anfang der Orgelstimme, aber hier handelt es sich um die Reprise einer auf derselben Seite ausgeschriebenen Strophe.

11 Zum Wechsel Chor-Orgel siehe z.B. M. Sigl a. a. O . , S. 79 ff., und weiter P. L.

Söhner, Die Geschichte der Begleitung des gregorianischen Chorals

. . .

Veröffent- lichungen der Gregorianischen Akademie zu Freiburg i. d. Schw., Heft 16, Augsburg

1931, S. 9 ff.

alters und der Neuzeit12 dient uns hierbei als Unterlage. Es kann sich im vorliegenden Falle nicht um Augsburger oder Eichstätter Kalendarien handeln, aber eine grosse Zahl der Feste stimmt mit den Bamberger Bräuchen überein.

Der Name eines Heiligen unserer Handschrift, der des Deocarus, kommt jedoch nirgends bei Grotefend vor. Vielleicht haben wir damit einen Schlüssel zur Lösung der Herkunftfrage. Der heilige Deocar, der im 9. J h . lebte, war der Gründer und erste Abt des Benediktinerklosters Herrieden im Mittelfranken. Seine Verehrung - die nach Margarete Adamski13 im 11. J h . in Herrieden nachweisbar ist

-

war nicht weit verbreitet. Im Jahre 1316 wurden die als heiltätig geltenden Deocarus- Reliquien von Kaiser Ludwig dem Bayern der Reichsstadt Nürnberg geschenkt, und in der Lorenzkirche wurde ihnen eine eigene Kapelle errichtet. Hier haben sie sich ,,bis zur Reformation eines kaum geringe- ren Zuspruches von Erbauung suchenden Wanderern erfreut, als auf der anderen Stadtseite die sterblichen Reste seines Bruders im Geiste, des Volksfreundes Sebaldus"14. Historisch bekannt ist die Stiftung eines Deocarus-Altars von Andreas Volckamer gegen 143715.

Soweit ich sehe, ist der heilige Deocarus sonst in keiner anderen Kirche des Bamberger Stiftes besonders gefeiert worden, und so können wir erschliessen, dass unser Graduale für den Organisten zu St. Lorenz in Nürnberg geschrieben worden ist.

Datierung

Die Wasserzeichen der Blätter unserer Handschrift geben uns einen terminus post quem für die Datierung. Das Manuskript hat vier ver- schiedene Wasserzeichen mit zwei verschiedenen Motiven. Am häufig- sten kommt eine Krone vor, die etwa einer Mitra ähnelt. Briquet setzt das J a h r 1474 als den frühesten Zeitpunkt für diese Gruppe von Motiven an16. Die in der Handschrift vertretenen Varianten lassen sich mit keiner Abbildung bei Briquet identifizieren, doch kommen sie zwei

12 Teil 2: 1, Hannover 1892.

13 Margarete Adamski, Herrieden. Kloster, Stift und Stadt im Mittelalter, Schrif-

ten des Instituts für fränkische Landesforschung an der Universität Erlangen, Hist. Reihe, Bd. 5, Kallmünz-Opf. 1954, S. 1 ff.

1 4 E. Kusch, Nürnberg. Lebensbilder einer Stadt, Nürnberg 1951, S. 49 f. - Siehe

auch J. Smits van Waesberghe, Das Nürnberger Osterspiel, in Festschrift Joseph Schmidt-Görg zum 60. Geburtstag, Bonn 1957, S. 303 f.

15 Margarete Adamski, a. a. O., S. 3.

(6)

140

Gruppen sehr nahe, die hauptsächlich in süddeutschen Urkunden der Ja hre 1500-1525 vertreten sind17.

Das andere Motiv, das nur zweimal vorkommt (fol. 227 [230] und 231) ist ein Bär. Briquet führt dieses Zeichen auf die Papiermühle in Thal bei Bern zurück, wo es seit etwa 1480 im Gebrauch war18. Unter den Abbildungen bei Fluri19 findet man die zwei Bären der Handschrift, freilich nicht mit voller Identität, wieder. Das J a h r 1474 darf also als terminus

post

quem gelten.

Den terminus ante quem gibt uns die Zahl 1515 (zuoberst auf fol. I I

und oben auf dem inneren Rückendeckel), die kaum anders als eine Jahreszahl zu verstehen ist. Das Buch wäre demnach in den Jahren zwischen 1474 und 1515 entstanden.

Z U S A M M E N F A S S U N G

Die Bestimmung des j e t z t als Nr. C 517 f in der Universitätsbibliothek Uppsala befindlichen Codex, die von dem Stockholmer Antiquariat Thulin in dessen Katalog gegeben wurde, konnte bestätigt und weiter präzisiert werden. Die hier beschriebenen Beobachtungen erlauben uns, die Handschrift als ein Graduale zu bezeichnen, das möglicherweise für den Organisten zu St. Lorenz in Nürnberg bestimmt war und in den Jahren zwischen 1474 und 1515 entstanden sein dürfte.

(Wird fortgesetzt.)

Tord Wefterqvist

1 7 Nr. 4921-22 und 4951-52. Siehe auch Fr. v. Hössle, Die alten Papiermühlen

der freien Reichsstadt Augsburg, Augsburg 1907, Taf. 37, Nr. 252. - E. Heawood, Watermarks, mainly of the 17th and 18th centuries, Hilversum 1950, Nr. 1166-67.

18 Briquet 3, S. 614.

19 A. Fluri, Die Papiermühle zu Thal bei Bern und ihre Wasserzeichen 1466-

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