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Examensarbete
Kandidat
Intertextualität zwischen Jakob und Wilhelm
Grimms Das Brüderchen und das Schwesterchen und Walter Moers Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien
Examensarbete nr:
Författare: Sabrina Monic Wallstein Handledare: Anneli Fjordevik Examinator: Maren Eckart Ämne/huvudområde: Tyska Poäng:15
Betygsdatum
Högskolan Dalarna 791 88 Falun Sweden
Tel 023-77 80 00
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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Jakob und Wilhelm Grimm
1.1.2 Grimms Das Brüderchen und das Schwesterchen im Wandel
1.1.3 Grimms Das Brüderchen und das Schwesterchen als Volksmärchen
1.2. Walter Moers1.2.2 Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien
1.2.3
Walter Moers Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien als Kunstmärchen
1.3. Intertextualität
2. Hauptteil
Intertextualität zwischen Grimms Das Brüderchen und das Schwesterchen und Walter Moers Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien
2.1.Gattung 2.2. Zeit und Ort 2.3 Hauptfiguren
2.4. „Hexen“- Ein Exkurs
3. Fazit
Literaturverzeichnis
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1. Einleitung
Märchen faszinieren uns und begleiten uns seit unserer Kindheit. Jeder kennt die Geschichten der Gebrüder Grimm vom Rotkäppchen und dem bösen Wolf oder dem tapferen Schneiderlein. Ob man sie nun selber gelesen hat, sie vorgelesen bekam oder sie als Disneyfilm gesehen hat alle kennen Märchen. Sie sind ein Teil unserer Gesellschaft und wurden durch eben diese geboren und geformt. Schon als Kind hat mich vor allem eine Geschichte interessiert die von Hänsel und Gretel. Ich bin in Thüringen geboren und aufgewachsen und verbrachte viel Zeit bei meiner Großmutter die in einem kleinen Dorf am Thüringerwald wohnte. Sie erzählte mir gerne Märchen oder wir lasen sie zusammen.
In meiner Fantasie stand das Knusperhaus in unserem Wald und die Hexe wohnte dort noch immer. Später verstand ich, dass die Märchen nicht wahr waren und noch später lernte ich, dass sie in Hessen spielen und nicht in Thüringen. Doch die Faszination blieb und aus diesem Grund habe ich mich bei meiner Hausarbeit für das Thema Intertextualität zwischen Grimms Das Brüderchen und das Schwesterchen
1und Walter Moers Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien
2,entscheiden.
In der Einleitung werde ich zunächst die Märchensammler Jakob und Wilhelm näher beschreiben. Hierbei werde ich kurz auf ihren Lebenslauf eingehen und das
Märchensammeln erklären. Danach werde ich das Märchen Das Brüderchen und das Schwesterchen inhaltlich zusammenfassen und mit einer Version aus dem Jahre 1850
3vergleichen. Da ich hier mit Zitaten aus dem Originaltext von 1810 arbeite, werde ich diese auch so verwenden und sie nicht der heutigen Rechtschreibung anpassen. Da man in der Literaturwissenschaft zwischen Volks- und Kunstmärchen unterscheidet soll
diskutiert werden in wie weit Das Brüderchen und das Schwesterchen
4ein Volksmärchen ist. Danach werde ich mich dem Autor Walter Moers zuwenden und auch seine
Biographie kurz wiedergeben. Anschließend werde ich Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien
5inhaltlich zusammenfassen und darüber diskutieren , ob es ein Kunstmärchen ist, dabei werde ich alle Zitate aus dem Buch entnehmen und nicht der heutigen
Rechtschreibung anpassen. Hiernach werde ich mich dem Begriff der Intertextualität zuwenden; woher er kommt und was er bedeutet und wie dieser Begriff definiert wird.
1 Brüder Grimm, Kinder- und Hausmärchen Die handschriftliche Urfassung von 1810 (2007)
2 Walter Moers; Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien (2002)
3 Peiffer und Camo; Märchen (2007- 2012), Abgerufen am 30. Oktober 2013 von http://www.maerchen.com/grimm/haensel-und-gretel.php
4 Grimm (2007)
5 Walter Moers (2002)
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In meinem Hauptteil werde ich Anhand von Kategorien wie Gattung, Ort und Zeit und Figuren die Intertextualität zwischen Grimms Das Brüderchen und das Schwesterchen
6und Walter Moers Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien aufzeigen. Im Anschluss an meine Analyse, hoffe ich zeigen zu können, ob es sich um eine positive oder negative Intertextualität handelt. Im Anschluss werde ich mich besonders der „Hexe“ widmen und einen Exkurs zum historischen Hintergrund mit der Frage: „Wie es kommt, dass gerade Frauen das Bild der Hexe prägen?“, wagen.
Abschließend werde ich ein Fazit, zu den gelesenen Texten und meiner Analyse ziehen.
1.1.Jacob und Wilhelm Grimm
Jacob Grimm wurde am 4. Januar 1785 in Hanau geboren und starb 1863 in Berlin. Der Vater war Hofgerichtsadvokat und Stadtschreiber in Hanau. Am 24. Februar 1786 wurde Wilhelm Grimm, ebenfalls in Hanau, geboren und starb 1859 in Berlin. Nach dem Abschluss der Schule begannen zunächst Jacob 1802 und später Wilhelm 1803 ein Jurastudium an der Universität Marburg.
7In ihrer Sehnsucht nach dem Vergangenen und Märchenhaften begannen sie, unter Anleitung von Clemens Brentano, einem Schriftsteller der Romantik
8, bereits während ihrer Studienzeit mit dem Märchensammeln.
9Hierbei wird oft angenommen, dass die Brüder Grimm über das Land zogen und die Märchen selber sammelten und aufschrieben.
Vielmehr wurden sie jedoch von zirka 50 Sammlern unterstützt. Die „Dichtung des
Volkes“ wurde von der Oberschicht gesammelt und aufgeschrieben. Hierbei taten sich vor allem Frauen hervor wie zum Beispiel Dorothea Viehmann, die Pfarrerstochter Friederike Mannel und die Schwestern Annette und Jenny von Droste- Hülshoff. Die Märchen waren hauptsächlich im Raum Hessen und Westfalen angesiedelt. Neben den mündlichen
Quellen bediente man sich auch an mittelalterlichen Novellen, Legenden,
Anekdotenbüchern, Tierfabelsammlungen sowie literarischen Werken des 17. und 18.
6 Brüder Grimm, Kinder- und Hausmärchen Die handschriftliche Urfassung von 1810 (2007)
7 e. V. Brüder Grimm- Gesellschaft; Brüder Grimm (2012) Abgerufen am 13. September 2013 von http://www.grimms.de/index.php?id=3&sit
8 www.whoswho.de; Clemens Brentano (1999- 2013); Aufgerufen am 13.11.2013 von http://www.whoswho.de/templ/te_bio.php?PID=419&RID=1
9 Grimm (2007); Seite 7
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Jahrhunderts. Die Texte wurden stilistisch bearbeitet und verändert.
10Die so geschaffene Sammlung wurde 1812 unter dem Namen: Kinder- und Hausmärchen veröffentlicht.
11Damit trafen sie den Zeitgeist der Romantik. Die Zeit der Romantik war zwischen 1798- 1835. Die Romantik wendete sich gegen die Aufklärung in eine geschönte Fantasiewelt.
Ein verklärtes Bild des Mittelalters diente hierbei als Vorbild. Die Künstler hatten eine Sehnsucht nach dem Wunderbaren und Märchenhaften. Die epische und lyrische Dichtung erlebte eine Blüte.
12Märchensammlungen, wie die der Brüder Grimm, waren populär und wurden gerne gekauft.
1.1.2 Grimms Das Brüderchen und das Schwesterchen im Wandel
Das Märchen erschien zum ersten Mal in, den 1810 veröffentlichten, Kinder und
Hausmärchen der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm.
13Es erzählt die Geschichte eines Geschwisterpaares, dem Brüderchen und dem Schwesterchen.
14Der Vater der Kinder arbeitete als „Holzhacker“
15und die Familie war sehr arm. Um das Leid zu lindern, will die Mutter ihre Kinder im Wald aussetzen, sie bedrängt den Vater immer wieder es zu tun:
„ … nimm die beiden Kinder morgen früh und führ sie in den großen Wald, gib ihnen das noch übrige Brot, und mach` ihnen ein groß Feuer an und danach geh weg und laß sie allein.“
16Der Vater sträubte sich zunächst, gab dann aber nach und wollte die Kinder in den Wald führen. Die Kinder hatten die Eltern jedoch belauscht und der Bruder hatte heimlich Kieselsteine in seine Hosentasche gesteckt, die er nach sich auf den Weg fallen ließ: „ Wie sie nun so gingen, da stand das Brüderchen oft still (…) und immer ließ er wieder ein Steinchen fallen.“
17Mit Hilfe der Steine wollten die Kinder den Weg zurück aus dem Wald finden. Der Plan funktionierte, denn als der Mond aufging, leuchteten die Steine ihnen den Weg nach Hause: „Da schien der Mond, und <die> weißen
Kieselsteinchen glänzten, und zeigten ihnen den Weg.“
18Der Vater freute sich, doch die Mutter war wütend. Als das Essen wieder knapp wurde, bat sie ihren Ehemann erneut die
10 e. V., Brüder Grimm- Gesellschaft; Märchen (2012) Abgerufen am 13. September 2013 von
http://www.grimms.de/index.php?id=25&site=Willkommen+auf+den+Seiten+des+Br%C3%BCder+Grimm+Por tals%2FBr%C3%BCder+Grimm%2FM%C3%A4rchen%2F
11 e. V. Brüder Grimm- Gesellschaft; Brüder Grimm (2012) Abgerufen am 13. September 2013 von http://www.grimms.de/index.php?id=3&sit
12 Willibald Fritz, M.K.; Grundwissen Deutsch für den Sekundarbereich I (1999), Seite 176- 177
13 Brüder Grimm; Kinder- und Hausmärchen Die handschriftliche Urfassung von 1810 (2007); Seite 9
14 Ebd. Seite 24
15 Grimm (2007); S. 24 Zeile 1
16 Ebd. S. 24 Zeile 5- 8
17 Grimm (2007); S. 25 Zeile 26-27 und 35- 36
18 Ebd. S. 25 Zeile 45- 47
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Kinder in den Wald zu bringen und um den Kindern zuvor zu kommen verriegelte sie die Tür. Nun hatten die Geschwister nur Brotkrumen, die sie auf den Weg streuen konnten:
„ … heimlich aber zerbrößelte er sein Stückchen Brot, und ließ immer ein Krümchen fallen.“
19Diesmal führten die Eltern die Kinder noch tiefer in den Wald um auch ganz sicher zu gehen. Als es Abend wurde konnten die Kinder ihren Weg nicht finden, da alle Krumen von den Vögeln gefressen waren: „ Aber die Vöglein hatten die Brodkrümchen aufgefreßen und sie konnten den Weg nicht finden.“
20Sie gingen immer weiter in den Wald hinein und kamen schließlich an ein seltsames Haus: „ …das war aus Brot gemacht, das Dach war mit Kuchen gedeckt und die Fenster von Zucker.“
21Die Kinder waren so ausgehungert, dass sie einfach anfingen zu essen. Da rief eine Stimme: „ Knusper, knusper, Kneischen! wer knuspert an meim Haüschen?“
22Aus dem Haus trat eine alte Frau und führte die verschreckten Kinder, an der Hand, ins Haus. Zunächst scheinen sie Glück zu haben, doch am nächsten Morgen zeigt die alte Frau ihr wahres Gesicht, sie sperrt das Brüderchen in ein Ställchen: „ … das sollte ein Schwein seyn, und das Schwesterchen mußte ihm Waßer bringen, und gutes Essen.“
23Sie musste ihren Bruder das Essen bringen und bekam selber fast nichts: „ Dem Schwesterchen gab sie nichts zu eßen, als Krebsschalen, weil es nicht fett werden sollte.“
24Nach einem Monat sollten die Kinder gegessen werden. Das Schwesterchen sollte hierfür in den Ofen kriechen um zu fühlen, ob die Temperatur richtig sei. Sie stellte sich absichtlich dumm und bat darum, dass die alte Frau, es ihr zunächst zeigen solle: „ ich versteh das nicht, setz dich zuerst darauf, und ich will dich hineinschieben“
25Die Alte tat dies und das Schwesterchen schob sie hinein: „ …machte die Thüre zu, und die Hexe verbrannte.“
26Sie befreit ihren Bruder und mit den Schätzen, die sie im Hexenhaus finden, kehren sie nach Hause zurück. Der Vater freut sich sehr, seine Kinder wieder zu sehen, die Mutter war mittlerweile
gestorben.
So endet die Geschichte von Das Brüderchen und das Schwesterchen, es ist die 11.
Geschichte in Grimms Kinder- und Hausmärchen. Im Laufe der Jahre hat sich die Geschichte immer mehr verändert, die Kinder bekamen Namen und es wurden Teile
19 Grimm (2007); S. 26 Zeile 66- 67
20 Ebd. S. 26 Zeile 79- 81
21 Grimm (2007); S. 26 Zeile 83- 84
22 Grimm (2007);Seite 26 Zeile 89- 90
23 Ebd. Seite 26/27 Zeile 96-98
24 Grimm (2007); Seite 27 Zeile 101- 103
25 Ebd. Seite 27 Zeile 113- 114
26 Grimm (2007); Seite 27 Zeile 115- 116
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hinzugedichtet. Heute kennt man das Märchen unter dem Namen Hänsel und Gretel. In der 1850 erschienen Ausgabe der Kinder- und Hausmärchen. Große Ausgabe. Band 1 hatten das Brüderchen und das Schwesterchen schon die Namen Hänsel und Grethel.
27Der Vater war ebenfalls ein Haushacker und das Haus lag an einem undefinierten großen Wald.
28Die Mutter ist in dieser Fassung eine Stiefmutter, arbeitet jedoch stark daran, die Kinder loszuwerden und versucht ihren Mann zu überzeugen.
29Neu ist, dass ein Grund für die Nahrungsknappheit angegeben wird, die große „Theuerung“
30kam ins Land. Auch haben die Figuren viel mehr Dialoge und kommunizieren mehr miteinander. Nachdem auch hier der erste Versuch, die Kinder los zu werden, nicht funktioniert, führt man die Kinder tiefer in den Wald und sie verlaufen sich schließlich. Nach einigen Tagen kommen sie an ein Häuschen, dass auch hier aus Kuchen gebacken wurde und Fenster aus Zucker hat.
31Die Kinder hören eine Stimme aus dem inneren und antworten ihr: „`der Wind, der Wind das himmlische Kind, `“
32Aus dem Haus kommt eine „alte Frau“, die die Kinder hinein führt. Am nächsten Tag zeigt sie ihr wahres Gesicht und wird von nun an als Hexe beschrieben. Auch bekommt der Leser die Information, dass Hexen schlecht sehen können aber dafür gut riechen.
33Grethel gelingt es schließlich die „gottlose Hexe“
34zu überlisten und sie zu verbrennen. Im Haus finden die Kinder Schätze, die sie mit sich nehmen. Im Originaltext gehen die Kinder nun direkt nach Hause, während sie in dieser neueren Version zunächst an einen See kommen. Um ihn zu überqueren ruft Grethel eine Ente: „ Entlein, Entchen da steht Grethel und Hänsel. Kein Steg und keine Brücke, nimm und aus deinen weißen Rücken.“
35Die Ente hilft ihnen und sie finden ihren Weg nach Hause. Hier erwartet sie der Vater voller Freude und die Stiefmutter ist bereits gestorben.
Diese neuere Version ist den meisten Lesern eher bekannt. Man hat also mit den Jahren, das Märchen weiter ausgeschmückt und verschönt.
27 Peiffer und Camo; Märchen (2007- 2012), Abgerufen am 30. Oktober 2013 von http://www.maerchen.com/grimm/haensel-und-gretel.php
28 Grimm (2007)
29 Grimm (2007)
30 Grimm (2007)
31 Grimm (2007)
32 Ebd.
33 Grimm (2007)
34 Ebd.
35 Grimm (2007)
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1.1.3 Grimms Das Brüderchen und das Schwesterchen
36als Volksmärchen
Das Volksmärchen ist eine ursprünglich mündlich überlieferte kurze Prosaerzählung, die frei erfunden ist. Es ist weder zeitlich noch räumlich festgelegt und enthält fantastische- wunderbare Begebenheiten, die sich nicht so ereignet haben und nie so ereignen konnten. Es spielt in einer magischen Welt, in der Unwirkliches glaubhaft erscheint. Formelhafte Wendungen stehen zu Beginn und zum Schluss. Ein Grundgesetz des Märchens ist die meist dreimalige Wiederholung bestimmter Motive. Die Handlung ist weitgehend schematisch und eingängig. Die Märchenfiguren tragen keine charakteristischen oder historischen Namen. Meist werden sie mit ihrem Stand oder mit einem Allerweltsnamen bezeichnet. Sie besitzen typische Eigenschaften, wie gut- böse, schön- hässlich, tapfer- feige usw. Die Märchenhandlung zielt- auf die glückliche Lösung. Volksmärchen wurden ursprünglich als Geschichten für Erwachsenen mündlich überliefert.37
Diese Definition zeigt, sehr deutlich, was ein Volksmärchen ausmacht. In meinem weiteren Text, werde ich kurz untersuchen, in wie weit die oben genannten Kriterien auf das Märchen Das Brüderchen und das Schwesterchen
38zutreffen. Dazu werde ich einigen Teile des Zitates Textstellen aus dem Märchen gegenüber stellen. Als erstes Merkmal wähle ich folgenden Satz aus der Definition: „Das Volksmärchen ist eine ursprünglich mündlich überlieferte kurze Prosaerzählung, die frei erfunden ist.“
39Das Märchen wurde zum ersten Mal im Jahre 1810 in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm veröffentlicht.
40Alle Märchen in dieser Sammlung wurden durch die Hilfe von Märchensammlern zusammengestellt. Hierbei, bediente man sich aus mündlichen Quellen, Novellen, alten Legenden, Fabeln und literarischen Werken des 17. und 18.
Jahrhunderts.
41Es gab somit kein direktes Vorbild für das Märchen Das Brüderchen und das Schwesterchen, vielmehr wurde es aus unterschiedlichen Quellen geschaffen und dann stilistisch überarbeitet.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Volksmärchen ist die zeitliche und räumliche Einordnung:
„Es ist weder zeitlich noch räumlich festgelegt und enthält fantastische- wunderbare Begebenheiten, die sich nicht so ereignet haben und nie so ereignen konnten.“
42
36 Grimm (2007)
37 Willibald Fritz, M. K.; Grundwissen Deutsch Sekundarbereich I (1999) ;Seite 113
38 Grimm (2007) ;Seite 24- 27
39 Willibald Fritz, M. K.; Grundwissen Deutsch für den Sekundarbereich I (1999), Seite 113
40 Grimm (2007)
41 e. V. Brüder Grimm- Gesellschaft; Märchen (2012), Aufgerufen am 13. September 2013 von
http://www.grimms.de/index.php?id=25&site=Willkommen+auf+den+Seiten+des+Br%C3%BCder+Grimm+Por tals%2FBr%C3%BCder+Grimm%2FM%C3%A4rchen%2F
42 Willibald Fritz, M. K.; Grundwissen Deutsch für den Sekundarbereich I (1999), Seite 113
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Das Märchen beginnt mit: „Es war einmal…“
43, es ist somit nicht klar, wann das Märchen spielt. Die Familie lebte vor einem großen Wald es wird jedoch nicht klar, um welchen großen Wald es sich hierbei handelt, es könnte überall in Deutschland oder der Welt sein, eben da wo es Wälder gibt. Nachdem die Kinder von ihren Eltern verlassen wurden irren sie im Wald umher, bis sie an ein Häuschen kommen: „ … das war aus Brod gemacht, das Dach war mit Kuchen gedeckt und die Fenster von Zucker.“
44Dass es mitten im Wald Häuser gibt, die aus Brot gebacken sind und Fenster aus Zucker haben ist wohl eher eine fantastische Begebenheit, die sich so nicht zuträgt. Allerdings zeigt dies auch, wie kostbar und selten solche Lebensmittel in der Entstehungszeit des Buches waren. Kuchen und Zucker waren kein alltägliches Essen in einer Zeit, in der viele Menschen Hunger litten. Als die Kinder anfangen das Haus zu essen hören sie eine Stimme und kurze Zeit später kommt eine „…kleine alte Frau…“
45heraus und bittet die Kinder herein, bald entpuppt sie sich allerdings als „Hexe“
46, die die Kinder essen will.
Hexen gibt es nicht und treten doch im Märchen als böser Part auf.
Anhand meiner Beobachtungen kann ich nun feststellen, dass das Märchen Das Brüderchen und das Schwesterchen
47ein klassisches Volksmärchen ist. Im Laufe der Geschichte wurde es verändert und ausgeschmückt
48, zählt weiterhin zu den
Volksmärchen.
1.2.1 Walter Moers
Der Autor, Comiczeichner und Drehbuchautor Walter Moers wurde 1957 geboren.
49Er ist vielen durch die Erfindung des Käpt´n Blaubär und der Figur Das kleine Arschloch bekannt. Seit 1999 bewegt sich Moers literarisch auf dem fiktiven Kontinent Zamonien mit seinem internationalen Bestseller Die 13 ½ Leben des Käpt´n Blaubär. Weitere Zamonien- Werke folgten wie Rumo & Die Wunder im Dunklen sowie Die Stadt der Träumenden Bücher
50und Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien.
51Moers wird oft
43 Grimm (2007), Seite 24 Zeile 1
44 Grimm (2007), Seite 26 Zeile 83- 84
45 Grimm (2007), Seite 26 Zeile 91- 92
46 Grimm (2007), Seite 27 Zeile 116
47 Ebd. Seite 24- 27
48 Peiffer und Camo; Märchen (2007- 2012), Abgerufen am 30. Oktober 2013 von http://www.maerchen.com/grimm/haensel-und-gretel.php
49 Walter Moers; Die 13 ½ Leben des Käpt`n Blaubär (2002)
50 Verlag Knaus-; Facebook- Walter Moers (2013); Aufgerufen am 12.11.2013 von https://www.facebook.com/WalterMoers#!/WalterMoers/info
51 Walter Moers (2002)
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als „schreibendes Phantom“ beschrieben, da er die Öffentlichkeit scheut. Er ist aber mit seinen Bücher und Comics, sowohl bei Kritikern als auch bei einer breiten Masse Lesern, sehr beliebt.
52In einem Interview mit der Zeitschrift Die Welt, äußerte er sich, zu seinen eigenen Lesevorlieben. So liegt sein Literaturinteresse vor allem in der Literatur des 18.
und 19. Jahrhunderts.
53Das Märchen Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien
54, spielt genau wie die anderen Werke von Moers, auf dem fiktiven Kontinent Zamonien.
Zamonien wird in den Büchern genau beschrieben und mit Karten illustriert, außerdem hat er noch eine eigene Website, auf dem man alles zu Moers Schriften und diesem Kontinent erfahren kann.
55Auf Zamonien leben unterschiedliche Wesen und Pflanzen die, zum Teil hoch intelligent sind aber auch sehr dumm. In den Büchern gibt es immer Erklärungen zu den einzelnen Figuren und Wesen um es dem Leser verständlicher zu machen.
Wenn man Moers zeitlich einordnen will, entsteht ein Problem. Er selber, wird als Autor, der Postmoderne zugeordnet. Die Postmoderne ist eine Literaturströmung ab den 1980er Jahren und wird wie Folgt definiert:
Die Definition der deutschen Literaturepoche der Postmoderne, wird durch die Wortbestandteile "post"
und "modern" hergeleitet, die "nach" (post) und modern bedeuten. Die Epoche der Postmoderne ist also die, auf die Epoche der Moderne folgende Zeit der deutschen Literaturgeschichte. Ein genauer Anfang dieser Epoche wird nicht definiert, man spricht von den Neunziger Jahren, also der Zeit nach 1980
.
56Er ist somit ein Autor der Gegenwartsliteratur, allerdings sind seine Werke im Stil der
„Kunstmärchen“ geschrieben. Diese wiederum sind ein Teil der Literatur des 18.
Jahrhunderts. Walter Moers ist somit ein Gegenwartsliterat, der durch die Literatur der Romantik inspiriert wird.
1.2.2. Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien
Das Märchen
57wird nicht von Walter Moers direkt wiedergegeben, er sieht sich
vielmehr als Übersetzer für den Zamonischen „Autor“ Hildegunst von Mythenmetz.
58Im
52 Maryam Bonakdar, Barbara Jung; NDR- youtube.com, Auf der Suche nach dem Phantom: Walter Moers (2011); Aufgerufen am 12.11.2013 von http://www.youtube.com/watch?v=-k--zodf5SA
53 Kreitling, Holger; Die Welt (2011); Abgerufen am 22.10. 2013 von
http://www.welt.de/print/wams/kultur/article13665678/Was-Walter-Moers-in-seinem-Giftschrank-verbirgt.html
54 Verlag Knaus-; Zamonien; Abgerufen am 12.11.2013 von http://www.zamonien.de/
55 Verlag Knaus-; Zamonien; Abgerufen am 12.11.2013 von http://www.zamonien.de/
56Theresa Gruss; Frustfrei- Lernen (2013); Abgerufen am 12.11.2013 von http://www.frustfrei- lernen.de/deutsch/postmoderne-deutsche-literatur-und-epochen.html
57 Walter Moers (2002); Seite 3
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Laufe der Geschichte taucht dieser „Autor“ immer wieder mit Ergänzungen und Anekdoten auf, die als „Mythenmetzsche Abschweifungen“ bezeichnet werden.
59Das Märchen erzählt die Geschichte der Geschwister Ensel und Krete. Da das Märchen auf dem fiktiven Kontinent Zamonien spielt, sind Ensel und Krete, keine Menschen sondern Fhernhachen, eine Halbzwergensorte.
60Die beiden Geschwister sind mit ihren Eltern in das Urlaubsparadies „Der Große Wald“ gefahren um im streng organisierten Teil
„Baumingen“ Urlaub zu machen. Hier haben die Bewohner des „Großen Waldes“, die Buntbären, eine Art Disneyland für Zamonien geschaffen: „Wenn man in Zamonien das Bedürfnis nach vollkommener Harmonie hatte, dann machte man Ferien im Großen Wald.“
61Bevor die Buntbären das Ferienparadies Baumingen schufen, war der große Wald von einer Waldspinnenhexe bewohnt. Diese Waldspinnenhexe hatte einen absolut tödlichen Biss und sonderte ein ebenso giftiges Sekret ab.
62Den Buntbären gelang es sie zu verbrennen, allerdings sonderte sie weiterhin ein Sekret ab, das als sehr giftig
eingestuft wird und deshalb dürfen Touristen nur den sicheren Teil des Waldes betreten.
Ensel stört sich nicht an den Warnungen, er will in den richtigen großen Wald und überredet seine Schwester ihm zu folgen: „ Und wenn schon! Ich möchte mal richtig in den Wald, nicht nur auf den doofen Wegen rumschleichen.“
63Krete ist zunächst nicht begeistert: „Dann holt dich die böse Hexe!“
64Doch ihr Bruder hört ihr nicht zu und
schließlich folgt sie ihm, in den großen Wald. Um aber sicher zu gehen, dass sie sich nicht verlaufen, legen sie eine Spur aus Himbeeren. Sie gehen tief in den Wald hinein und als sie wieder zurück wollen, sehen sie dass ihre Himbeeren verschwunden sind: „Nachdem sie eine halbe Stunde lang die Lichtung vergeblich nach Beeren abgesucht hatten, setzten sich Ensel und Krete ins Gras.“
65Krete ist verzweifelt, doch Ensel lässt sich nicht
entmutigen: „Wir gehen da lang, wo wir hergekommen sind.“
66Allerdings können sie sich nicht einigen, woher sie gekommen sind als sie es doch tun, bringt es sie immer tiefer in den großen Wald. Je weiter die beiden gehen, je weiter entfernen sie sich von Baumingen.
Schließlich kommen sie an die Stelle, wo der Hut der Waldspinnenhexe liegen gelassen wurde. Das von diesem ausgesonderte Sekret lässt die beiden halluzinieren, so glauben sie
58 Ebd. Seite 3
59 Walter Moers (2002). Seite 40
60 Ebd. Seite 31
61 Walter Moers (2002); Seite 17
62 Walter Moers (2002); Seite 24- 26
63 Ebd. Seite 31
64 Ebd. Seite 31
65 Walter Moers (2002); Seite 36
66 Ebd. Seite 36
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die Buntbären zu hören: „ Das war eindeutig der Gesang der Buntbären!“
67Die Geschwister hoffen, dass die Rettung nahe ist, werden aber bitter enttäuscht: „ Alle
Buntbären waren verschwunden. (…) Sie standen völlig allein auf einer Waldlichtung, auf der anscheinend einmal ein großes Feuer gebrannt hatte, …“
68Durch den „Autor“
Hildegunst von Mythenmetz erfährt man nun, in einer Mythenmetzischen Abschweifung, dass es die Buntbären den „Hut“ der toten Waldspinnenhexe nicht verbrennen konnten und ihn deshalb liegen ließen. Da er aber giftige Dämpfe aussonderte wird dieser Ort weitläufig gemieden. Rund um den Hut wachsen Pilze die ebenfalls giftig sind. Nur einmal aß ein Buntbär Namens Boris Boris davon: „Er war der Ansicht, daß man durch nachhaltiges Abkochen jeden Pilz entgiften könne, und bereitete sich ein üppiges
Hexenhutragout. Er verlor dadurch den Verstand, hatte keine Kontrolle über seine Hände mehr und belästigte gelegentlich Touristen.“
69Die Geschwister gehen weiter in den Wald und versuchen dabei, einen Ausweg aus ihm zu finden. Immer wieder überkommt sie dabei die Angst vor der Hexe. Als sie aus einem Baumstamm Geräusche hören, denken sie sogleich an die Hexe. Allerdings sind sie sich nicht sich, ob Hexen in Baumstämmen schlafen: „ Wohnen Hexen in Baumstämmen?“
70. An dieser Stelle findet sich wieder eine Mythenmetzische Abschweifung, in der der „Autor“, der Frage nachgeht: „ Eine Hexe- was ist das eigentlich?“
71Anscheinend gibt es in Zamonien unterschiedlich Arten von Hexen: „Haselhexen, Almmumen, Druidenschreksen und Kornweiber“
72. Es gibt unterschiedliche Formen von Hexen und doch ist es schwer sie zu beschreiben. Ein wichtiger Merksatz scheint allerdings „Hexen stehen immer zwischen Birken“
73, zu sein.
Das Wesen im Baumstamm kommt auf die Geschwister zu: „ Es war eine große, aufrecht gehende Gestalt mit langen Krallen an den Händen. Es war kein Tier, denn es trug einen spitzen Hexenhut.“
74Die Kinder rannten so schnell sie konnten in den Wald. Dort versteckten sie sich, in einem Erdloch und warten bis das Wesen verschwindet. Auf ihrer weiteren Wanderung begegnen sie einem See, der einmal ein Meteor war. Dieser berichtet ihnen, dass die „Hexe“ mit ihm auf die Erde kam: „Ich weiß nur, daß etwas in mir drin war, viele Millionen Jahre lang. Gefroren. Tot, wie ich dachte. Aber als ich schmolz,
67 Ebd. Seite 72
68 Walter Moers (2002); Seite 107
69 Walter Moers (2002); Seite 111
70 Walter Moers (2002); Seite 115
71 Ebd. Seite 115
72 Ebd. Seite 116
73 Walter Moers (2002); Seite 117
74 Ebd. Seite 123
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wachte es wieder auf. Und ging in den Wald.“
75Ensel und Krete verlassen den Meteor und gehen weiter, tiefer in den Wald hinein. Ihr Weg führt sie vorbei an komischen Pflanzen und zu den Sternenstaunern. Hier schaltet sich wieder Hildegunst von
Mythenmetz ein und erklärt: „Sternenstauner. Die Wächter des Universums. Die Hüter des ewigen Lebens. Die Unsterblichen.“
76Sie bestätigen den Kindern, dass der Meteor die
„Hexe“ in den Wald brachte: „ Er brachte das Monstrum in den Wald. (…) Es wurde still, abgesehen von den Schritten des Ungeheuers. Dann eines Tages, hörte man auch die Schritte nicht mehr. Woraus wir schlossen, daß das Monstrum tot oder verschwunden war.
(…) Und dann kamen die schwarzen Pilze.“
77Da man den Sternenstauner nachsagt sie könnten in die Zukunft schauen, wollen die Kinder wissen, wie sie das Monstrum oder wie sie es nennen, die „Hexe“ besiegen könnten und bekommen eine eigenartige Antwort:
„ Ihr müßt das große Opfer bringen. (…) Kindliche Unschuld. Jugend. Das Opfer. Daß dann wieder Champignons wachsen und so…“
78Davon sind weder Ensel noch Krete begeistert und sie verlassen die Sternenstauner. Sie gehen weiter in den Wald und kommen schließlich auf eine Lichtung, die von Nadelbäumen eingesäumt ist. Auf der Lichtung wachsen seltsame Pflanzen und sie hören ein Schluchzen. Sie erkennen, dass die Pflanzen weinen und wissen nun: „Das ist der Garten der Hexe“
79Auf ihrem weiteren Weg finden sie immer mehr tote Tiere: „ Sie versuchten, die toten Tiere nicht zu beachten, und trotteten einfach vorwärts.“
80Denn der Wald wird ihnen immer vertrauter und sie glauben sich kurz vor dem Ausgang nach Baumingen zu befinden. Doch zunächst
kommen sie auf eine Lichtung und auf dieser steht ein Haus. Während Krete das Haus als Hexenhaus identifiziert will Ensel einfach hinein gehen und sich ausruhen. Schließlich einigen sie sich und betreten das Haus: „ Sämtliche Möbel, Stühle, der Tisch der Ofen und der Kamin, selbst die Töpfe und Kannen auf den Regalen schienen für Zwerge gefertigt zu sein.“
81Auf dem Herd steht ein Topf mit Knödeln und die Geschwister machen sich sofort daran sie zu essen. Doch plötzlich hören sie ein Geräusch und die Hexe steht vor ihnen.
Sie sah aus, wie sich die Kinder eine Hexe vorstellten: „ Eine lange gekrümmte Nase ragte aus dem Gesicht, bösartige kleine Augen funkelten Ensel an, rote Iris, violette Pupillen.
Grünlich die echsenhafte Haut, durchsetzt mit Warzen und dicken Adern, grünbraun die Hände, gelbe lange Fingernägel an langgliedrigen Fingern. Die Hexe zeigte grinsend ihre
75 Ebd. Seite 134
76 Walter Moers (2002); Seite 155
77 Walter Moers (2002); Seite 161
78 Walter Moers (2002); Seite 162, 163, 164
79 Ebd. Seite 169
80 Ebd. Seite 181
81 Ebd. Seite 191
14
fauligen Zahnstumpen und fuhr mit ihrer Zunge darüber, die aussah wie Rattenpelz. Ein kompostartiger Gestank ging von ihr aus, der Ensel und Krete noch weiter zurückweichen ließ.“
82Die Hexe spricht mit den Kindern und erzählt ihnen, dass die Knödel vergiftet waren und sie auf diese Weise schon einen Buntbären getötet und gefressen hat. Von draußen hören sie komische Geräusche: „Horrr!“
83. Plötzlich schrumpft die Hexe und verschwindet. Die Kinder wollen fliehen, sehen aber etwas am Rand der Lichtung: „Hexen stehen immer zwischen Birken“
84. Sie sind sich nicht sicher, was sie tun sollen und bleiben im Haus.
Das Haus beginnt sich zu bewegen und bald sehen die Geschwister, dass es versucht sie zu verdauen. Sie können das Haus nun nicht mehr verlassen. Hier endet das Zamonische Märchen, denn Zamonische Märchen haben immer ein tragisches Ende, zumindest meint das Hildegunst von Mythenmetz
85, doch um die Gemüter zu beruhigen geht das Märchen weiter. Der Raum füllt sich immer noch mit Magensäften und die Geschwister haben Angst, dass sie gegessen werden. Da sehen sie, wie eine Axt von außen dringt. Die Tür zerspringt und vor ihnen steht ein Buntbär: „ Hallo, Kinder! Mein Name ist Boris Boris.
Ich bin verrückt.“
86Mit Hilfe vom verrückten Boris und den Tieren des Waldes schaffen es die Kinder, die Hexe zu besiegen. Sie versinkt im Boden: „ Dann klaffte dort, wo die Hexe gewesen war, nur noch ein tiefes schwarzes Loch.“
87Boris steht mit Ensel und Krete am Krater und betrachtet, was sie geschafft haben: „ Ist die böse Hexe jetzt tot?“ fragte Krete. „Das weiß man nie so genau“, sagte Boris Boris nachdenklich.“
88Zusammen mit Boris Boris machen sich die Kinder auf den Heimweg.
1.2.3. Walter Moers Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien
89als Kunstmärchen
Während das Volksmärchen durch mündliche Überlieferung verändert werden kann. Ist das Kunstmärchen in – Stil und Haltung, das künstlerische Werk eines Autors in seiner endgültigen Gestalt.
Der Autor entwirft das Übernatürlich- Wunderbare in freier Fantasie, übernimmt aber gleichzeitig Themen- Motive und Formgesetze des Volksmärchens. Höhepunkt des Kunstmärchens liegen in der Zeit der Romantik und des poetischen Realismus.90
82 Ebd. Seite 196
83 Walter Moers (2002) Seite 197
84 Walter Moers (2002); Seite 198
85 Walter Moers (2002); Seite 202
86 Ebd. Seite 207
87 Walter Moers (2002); Seite 223
88 Ebd. Seite 224
89 Ebd.
90 Willibald Fritz, M. K. ; Grundwissen Deutsch für den Sekundarbereich I (1999); Seite 113
15
In meinem weiteren Text werde ich kurz diskutieren, ob Walter Moers Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien
91, ein Kunstmärchen ist. Hierfür werde ich einzelne
Textstellen der Definition näher untersuchen und mit Walter Moers Buch Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien vergleichen.
Zu Beginn, möchte ich auf den Punkt, dass es einen Autor gibt eingehen.
Walter Moers hat Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien zum ersten Mal im Jahre 2000 veröffentlicht, unter seinem eigenen Namen Walter Moers.
92Deshalb kann man davon ausgehen, dass er das Buch selber geschrieben hat. Es ist somit aus seiner Fantasie entstanden.
Im Laufe des Lesens von Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien wird immer deutlicher, dass einen deutlichen intertextuellen Bezug zu dem Volksmärchen Das Brüderchen und das Schwesterchen
93besteht. Walter Moers bezieht sich somit auf ein bereits vorhandenes Volksmärchen und füllt damit ein weiteres Merkmal der
Kunstmärchen aus.
Die Blütezeit der Kunstmärchen war, laut oben genannter Definition, die Romantik und der poetische Realismus. Walter Moers ist ein Autor der Postmoderne und passt somit eigentlich nicht in die zeitliche Einteilung der Kunstmärchen. Allerdings, sagte Moers in einem Interview, dass er sich vor allem für die Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts interessiert.
94Das passt dann wiederum zu den Kunstmärchen und erklärt, warum er das Märchen Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien als Kunstmärchen verfasst hat.
Abschließend, kann ich sagen, dass es sich bei Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien wirklich um ein Kunstmärchen handelt, das in der Postmoderne
95verfasst wurde.
1.3. Intertextualität
Intertextualität bedeutet, dass sich ein Text auf einen anderen Text bezieht.
96Julia Kristeva hat sich mit dem Begriff der Intertextualität genauer befasst und folgende Definition entwickelt:
91 Walter Moers (2002)
92 Walter Moers (2002)
93 Brüder Grimm ( 2007); Seite 24- 27
94 Kreitling, Holger; Die Welt (2011); Abgerufen am 22.10. 2013 von
http://www.welt.de/print/wams/kultur/article13665678/Was-Walter-Moers-in-seinem-Giftschrank-verbirgt.html
95 Theresa Gruss; Frustfrei- Lernen (2013); Abgerufen am 12.11.2013 von http://www.frustfrei- lernen.de/deutsch/postmoderne-deutsche-literatur-und-epochen.html
16
Jeder Text baut sich als Mosaik von Zitaten auf, jeder Text ist Absorption und Transformation eines anderen Textes.97
Laut Julia Kristeva gibt positive und negative Intertextualität. In der positiven
Intertextualität ist der Bezug eines literarischen Textes zu einem anderen literarischen Textes anhand von Zitaten und Anspielungen erkennbar. Wenn eine negative
Intertextualität vorliegt gibt es diese Bezüge nicht und die Texte unterscheiden sich deutlich voneinander.
98Literarische Texte sind oft viel-oder mehrdeutig und müssen oft mehrfach gelesen werden um alle Andeutungen und Deutungen zu verstehen und erfassen.
99In meinem Hauptteil werde ich eine Analyse zur Intertextualität durchführen. In meiner Analyse werde ich, mit Hilfe von Zitaten aus den beiden Märchen, untersuchen wie die Intertextualität zwischen Grimms Das Brüderchen und das Schwesterchen
100und Walter Moers Ensel und Krete ein Märchen aus Zamonien
101ist. Hierbei möchte ich auf die expliziten Hinweise eingehen und gleichzeitig zeigen was die beiden Märchen
unterscheidet auch möchte ich hierbei herausfinden, ob es sich um positive Intertextualität oder negative Intertextualität handelt. Zu diesem Zweck werde ich immer eine
Gemeinsamkeit heraus arbeiten und dann zeigen wie es im jeweiligen Märchen umgesetzt wurde.
2. Hauptteil Intertextualität zwischen Grimms Das Brüderchen und das Schwesterchen
102und Walter Moers Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien
103Hier werde ich nun, die von mir in der Einleitung gestellten Fragen, zur Intertextualität beantworten. Die von mir verwendeten Zitate stammen zum einen aus Grimms Das Brüderchen und das Schwesterchen, das 1810 zum ersten Mal in den Kinder- und
96 Alo Allkemper, Norbert O. Eke; Literaturwissenschaft 3. Auflage (2010); Seite 161
97 Alo Allkemper, Norbert O. Eke; Literaturwissenschaft 3. Auflage (2010); Seite 161
98 Ebd.
99 Alo Allkemper, Norbert O. Eke; Literaturwissenschaft 3. Auflage (2010); Seite 162
100 Grimm (2007)
101 Walter Moers (2002)
102 Grimm (2007)
103 Walter Moers (2002)
17
Hausmärchen veröffentlicht wurde
104, und zum anderen aus Walter Moers Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien, welches 2002 zum ersten Mal veröffentlicht wurde
105.
2.1. Gattungen
Die erste Gemeinsamkeit von Das Brüderchen und das Schwesterchen
106und Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien
107findet man in der Gattung denn beide gehören zu den Märchen. Moers Märchen wird schon im Titel Märchen genannt und die Gebrüder Grimm haben das Märchen in ihrer Märchensammlung veröffentlicht. Grimms Das Brüderchen und das Schwesterchen gehört zu den Volksmärchen
108. Dies bedeutet, dass es zeitlich nicht einzuordnen ist und der genaue Ursprung unbekannt ist. Die Geschichte der beiden Kinder wurde bis zu ihrer Veröffentlichung in den Kinder- und Hausmärchen
109, ersten Mal 1810, mündlich überliefert. Moers hat Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien selber erschaffen und es zum ersten Mal 2000 veröffentlicht
110. Es zählt zu den
Kunstmärchen
111, einer Unterart der Märchen die ihren Höhepunkt im 18. Jahrhundert, zur Zeit der Romantik hatten. Kunstmärchen werden von einem Autor geschaffen, können aber eine starke Intertextualität zu einem Volksmärchen aufweisen.
2.2. Ort und Zeit
Sowohl das Brüderchen und das Schwesterchen als auch Ensel und Krete verlaufen sich im Wald. Das Brüderchen und das Schwesterchen, werden von den Eltern in den Wald gebracht und finden nicht mehr zurück: „… sie konnten den Weg nicht finden.“
112. Ensel und Krete gehen selbständig in den Wald, weil sie das Abenteuer suchen: „Ich möchte mal richtig in den Wald, nicht nur auf den doofen Wagen rumschleichen.“
113Ensel und Krete begeben sich also „freiwillig“ in die Gefahr ohne sie richtig zu verstehen, während das
104 Grimm (2007)
105 Walter Moers (2002)
106 Grimm (2007)
107 Walter Moers (2002)
108 Willibald Fritz, M. K.; Grundwissen Deutsch für den Sekundarbereich I (1999), Seite 113
109 Grimm (2007)
110 Walter Moers (2002)
111 Willibald Fritz, M. K. ; Grundwissen Deutsch für den Sekundarbereich I (1999); Seite 113
112 Grimm (2007); Seite 26 Zeile 80- 81
113 Walter Moers (2002); Seite 31
18
Brüderchen und das Schwesterchen sich der Gefahr bewusst sind und sich vor dem Wald fürchten. Fhernhachen sind sehr harmonieorientiert
114und kennen dadurch keine
Gefahren. Sie leben ein ruhiges und friedliches Leben ohne Not und Hunger. Das Brüderchen und das Schwesterchen wachsen in einer anderen, schwereren Zeit auf. Sie sind Kummer und Not gewöhnt und gehen oft hungrig ins Bett. Sie wissen, dass es böse Dinge gibt und wollen sie nicht erleben. Das zeigt auch, wie sehr sich die
Lebensumstände von Kindern in den letzten Jahrhunderten verändert haben. Kinder in Nord- und Mitteleuropa leben heute meist sicher und behütet und kennen es oft nicht, Hunger zu leiden. Dahingegen kennen sie Angst vor Drogen, Pädophilen und
ökonomischen Nöten.
Da sich beide Geschwisterpaare im Wald verlaufen findet man in ihm, einen deutlichen intertextuellen Bezug. Der Wald unterscheidet sich allerdings erheblich. In Grimms Märchen symbolisiert der Wald zum einen Lebensraum, da die Familie an ihm lebt
115und Arbeit da der Vater in ihm als Holzhacker arbeitet
116zum anderen aber auch Gefahren und Tod. Die Gefahr und der dadurch resultierende Tod lauern im Aussetzen der Kinder, denn sie wissen, dass sie alleine nicht überleben können und entweder erfrieren, vor Hunger sterben oder von wilden Tieren gefressen werden: „ Aber die Kinder hatten alles gehört, was die Mutter gesagt hatte das Schwesterben fing an gar sehr zu weinen, das Brüderchen sagte ihm es solle still seyn und tröstete es.“
117Die Fhernhachen Ensel und Krete kennen den Wald jedoch nur als Ferienparadies: „ Wenn man in Zamonien das Bedürfnis nach vollkommener Harmonie hatte, dann machte man Ferien im Großen Wald.“
118Es ist ein ruhiger Ort und sie leiden unter der Langeweile, die er ausstrahlt. Als sie jedoch den nicht erschlossenen Teil des Waldes betreten, merken sie schnell, dass Gefahren überall lauern und Nächte zur Qual werden: „ Die Laute eines herkömmlichen dunklen Forstes sind schon unheimlich genug, aber die, die der Große Wald nächtens von sich gab, konnten selbst hartgesottensten Naturliebhabern ein klammes Rückgrat verursachen.“
119Ensel und Krete machen somit eine Wandlung durch, sie verlassen ihr behütetes Heim und gehen hinaus in die Welt. Hier kann man eine Parallele zu Kindern ziehen, wenn sie zum ersten Mal das Elternhaus verlassen. Plötzlich ist alles neu und man muss sich ohne fremde
114 Walter Moers (2002); Seite 31
115 Grimm (2007); Seite 24 Zeile 2
116 Ebd. Seite 24 Zeile 1
117 Ebd. Seite 24 Zeile 11- 14
118 Walter Moers (2002); Seite 17
119 Ebd. Seite 55
19
Hilfe, zu Recht finden. Es ist erschreckend und viele verlieren vielleicht den Mut, aber um erwachsen zu werden, muss man sich den Gefahren stellen und aus ihnen wachsen.
Der Weg durch den Wald und zur Hexe wird in beiden Büchern erwähnt. Allerdings unterscheidet sich die Länge der Erzählung erheblich. Die Gebrüder Grimm widmen sich in Das Brüderchen und das Schwesterchen, des Weges nur einen Satz und einen kurzen Satzabschnitt: „ Sie gingen immer fort, und verirrten sich in dem großen Wald. Am dritten Tag kamen sie an ein Häuschen…“
120. Walter Moers hat den Weg der Kinder jedoch mehr ausgebaut. Ensel und Krete wandern auf insgesamt 148 Seiten durch den großen Wald, bis sie das Haus der Hexe zum ersten Mal sehen. Da die Erzählung, insgesamt auf 225 Seiten spielt, ist der Weg das längste Teilstück.
121Bei Walter Moers ist der Weg das Ziel und macht die Handlung aus.
Beide Geschwisterpaare verlaufen sich im Wald und kommen schließlich an ein
Häuschen. Das Brüderchen und das Schwesterchen finden ein Haus gebacken aus Brot, die Fenster aus Zucker und das Dach war mit Kuchen gedeckt
122. Ensel und Krete finden ein Haus auf einer Lichtung, es ist ein einfaches Haus und sie halten es für ein
Waldwächterhaus
123. Krete ist sich zwar zunächst nicht sicher, ob es vielleicht doch ein Hexenhaus ist, sie gehen aber schließlich doch hinein: „ Ensel steckte den Kopf hinein und sah sich um.“
124Hier unterscheidet sich Moers deutlich von den Gebrüdern Grimm.
Das Haus ist zwar ein zentrales Motiv, doch wird es deutlich unterschiedlich beschrieben.
Dies liegt vielleicht auch an der Entstehungszeit des jeweiligen Märchens. Das Märchen Das Brüderchen und das Schwesterchen stammt aus der Zeit des 18. und 19. Jahrhundert, vielleicht ist es auch noch älter, da ja die genaue Entstehungszeit bei einem Volksmärchen nicht festzustellen ist.
125In dieser Zeit litten viele Menschen Hunger und Süßigkeiten wie Kuchen waren ein unerfüllbarer Luxus. Walter Moers Ensel und Krete ein Märchen aus Zamonien wurde 2000 zum ersten Mal veröffentlicht.
126In unserer heutigen Zeit sind
120 Grimm (2007); Seite 26 Zeile 81- 82
121 Walter Moers (2002)
122 Grimm (2007); Seite 26
123 Walter Moers (2002); Seite 182
124 Walter Moers (2002); Seite 190
125 Grimm (2007); Seite 24- 27
126 Walter Moers (2002)
20
Süßigkeiten kein Luxusgut mehr. Vielmehr leiden immer mehr Menschen an Übergewicht und Diabetes.
1272.3. Figuren
Eine deutliche Gemeinsamkeit findet man in den Hauptpersonen. Sowohl in Das Brüderchen und das Schwesterchen wie auch in Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien handelt es sich um Kinder, um genauer zu sein um Geschwister und auch in beiden handelt es sich um Bruder und Schwester. Hier kann man jedoch unterscheiden, dass Ensel und Krete Fhernhachen sind, eine Halbzwergensorte
128während davon auszugehen ist das, dass Brüderchen und das Schwesterchen Menschen sind. Moers hat alle Charaktere seiner Zamonien- Schriften selber erschaffen. Es sind fantastische Wesen, die es in der wahren Welt nicht gibt. Um dem Leser einen Überblick zu verschaffen und die Figuren anschaulich zu machen, arbeitet er mit selbstgemalten Bildern und
Eintragungen aus dem fiktiven Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder,
Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und Umgebung, des ebenfalls fiktiven Professor Dr. Abdul Nachtigaller
129. Um den Leser die Orientierung zu erleichtern, hat Moers Karten von Zamonien und dem Großen Wald gezeichnet und in das Buch eingefügt.
130Damit schafft Moers einen deutlichen Unterschied zum Original der Gebrüder Grimm. Das Original Märchen ist nicht ortsgebunden und enthält keine Zeichnungen oder Karten.
131Die Kinder streuen Nahrung aus, um ihren Weg aus dem Wald zu finden. Das Brüderchen und das Schwesterchen streuen Brotkrumen, die von den Vögeln gefressen werden:
„… und immer ließ es ein Krümchen fallen.“
132Ensel und Krete streuten Himbeeren die von einem Erdgnömchen gefressen werden: „Dies war der größte Fund vorgepflückter Himbeeren in der Geschichte seines Stammes.“
133. Die Nahrung unterscheidet sich, ist aber es ist eine deutliche Anspielung auf das Original der Gebrüder Grimm. Dass Moers
127 Michaela Führer; Die Welt (5.11.2009); Übergewicht bei Kindern erhöt Diabetesgefahr ; abgerufen am 20.11.2013 von http://www.welt.de/gesundheit/article5079931/Uebergewicht-bei-Kindern-erhoeht- Diabetesgefahr.html
128 Walter Moers (2002); Seite 31
129 Walter Moers (2002); Seite 3
130 Ebd. Seite 6/7, 8/9, 20/21
131 Grimm (2007); Seite 24- 27
132 Grimm (2007); Seite 26 Zeile 70- 71
133 Walter Moers (2002); Seite 33
21
Obst wählt kann ironisch gesehen werden. Viele Menschen ernähren sich heute sehr ungesund und kennen nur das Essen aus dem Supermarkt, einfach in den Wald zu gehen und Früchte zu pflücken ist nicht der Normalfall. Leider muss man auch davon ausgehen, dass es Menschen gibt, die nicht wissen wie Himbeeren aussehen.
In beiden Märchen treffen die Kinder auf eine böse Hexe. Das Brüderchen und das Schwesterchen werden von ihr ins Haus gelockt. Dort sperrt sie das Brüderchen in einen Stall und mästet ihn, während das Schwesterchen die Hausarbeit verrichten muss
134. In Ensel und Kretes Fall kommt die Hexe zu ihnen ins Haus. Sie sieht wie eine Hexe aus und die Kinder haben Angst: „Ein kompostartiger Gestank ging von ihr aus, der Ensel und Krete noch weiter zurückweichen ließ.“
135Moers nimmt damit deutlich Bezug zu Grimm baut seine „Hexe“ weiter aus und sich an typischen Klischees orientiert und doch mit der
„Waldspinnenhexe“
136etwas Neues geschaffen hat. Dies ist verständlich, da die Welt von Ensel und Krete nicht der unseren entspricht und somit andere Wesen hervor bringen kann. Eine „normale Hexe“ würde nicht in das Konzept von Zamonien passen. Daran sieht man, dass sich Vorstellungen von einer Hexe wandeln und im Wandel sind und dem jeweiligen Handlungsort angepasst werden können.
In beiden Fällen will die Hexe die Kinder essen. In Das Brüderchen und das
Schwesterchen will sie das Schwesterchen backen wird aber von diesem überlistet: „ich versteh das nicht, setzt dich zuerst drauf, ich will dich hinein schieben. Die Alte setzte sich darauf,…“
137Ensel und Krete sind jedoch im Haus gefangen, welches sich als Hexe entpuppt und beginnt die Kinder zu verdauen: „ Das Haus ist die Hexe. Die Hexe ist das Haus. Sie hat gerade angefangen, uns zu fressen.“
138Dass Hexen kannibalisch sind ist in beiden Fällen ein zentrales Thema. Dies zeigt, wie sehr Kannibalismus der
gesellschaftlichen Norm wiederspricht. Menschen zu essen, gilt in unserem fast überall auf der Welt als Verbrechen. Noch heute wecken Nachrichten über Kannibalen unsere Ängste wie der „Kannibale von Rothenburg“
139. Dass Kannibalismus existiert ist bekannt, doch wird er gerne auf weit entfernte Südseeinseln verbannt. Da Kinder als unschuldig
134 Walter Moers (2002); Seite 26- 27
135 Walter Moers (2002); Seite 195- 196
136 Ebd.; 24 ff Seite
137 Grimm (2007); Seite 27 Zeile 113- 114
138 Walter Moers (2002); Seite 199
139 Hans Holzhaider; Süddeutsche.de (2010); Der Kannibale von Rothenburg Abgerufen am 20. 11. 2013 von http://www.sueddeutsche.de/panorama/der-kannibale-von-rotenburg-einer-der-liebenswertesten-menschen- 1.924048
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und rein gelten, ist ihr Verzehr besonders schlimm und ekelerregend. Damit spricht der Autor die Urängste der Menschen an, denn unsere Kinder wollen wir vor dem Bösen schützen und bewahren.
Beide Geschwisterpaare besiegen die Hexe. Das Schwesterchen lockt sie in den Ofen und verbrennt sie: „Die Alte setzte sich darauf, und das Schwesterchen schob sie hinein, machte die Thüre zu, und die Hexe verbrannte.“
140Ensel und Krete bekommen Hilfe durch den verrückten Buntbären Boris Boris und seine Armee der Waldtiere: „ Es rumpelte machtvoll im Waldboden, und der Rest des Pilzes sank ins Erdreich. (…) Dann klaffte dort, wo die Hexe gewesen war, nur noch ein tiefes schwarzes Loch.“
141Nachdem die Hexe gestorben ist gehen die Kinder nach Hause. Das Brüderchen und das Schwesterchen finden im Haus der Hexe Edelsteine und brachten die ihrem Vater: „…
damit füllten sie alle Taschen und brachten sie ihrem Vater,…“
142Bei Ensel und Krete weiß man nicht, ob sie nach Hause kommen, zumindest will sie Boris Boris nach Hause bringen: „Wir gehen heim“, sagte Boris. „Ich kenne den Weg.“ „Bist du sicher?“ fragte Krete. „Horrr“, sagte der Bär.“
143Auch hier orientiert sich Moers an den Gebrüdern Grimm, schafft aber etwas Neues. Die Tiere des Waldes befreien sich von der Hexe und besiegen sie, die Natur heilt sich selber. Damit spricht er in Zeiten der
Umweltverschmutzung und Atomunfällen ein zentrales Thema an. Hier kann sich die Natur heilen, doch kann sie das auch im wahren Leben und wenn ja wie? Diese Frage, muss unbeantwortet stehen bleiben, kann aber diskutiert werden. Wenn man Moers richtig versteht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Natur über den Zerstörer Mensch siegen wird. Da es sich bei Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien um ein Kunstmärchen
144handelt kann das Ende, anders als im Volksmärchen
145, offen sein. Der Leser wird
dadurch zum weiteren Denken angeregt und der Autor lässt sich die Option einer Fortsetzung offen.
Nach Abschließen meiner Analyse kann ich feststellen, dass es sich bei Walter Moers Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien
146um eine positive Intertextualität
147zu den
140Grimm (2007); Seite 27, Zeile 114- 116
141 Walter Moers (2002); Seite 223
142 Grimm (2007); Seite 27, Zeile 118- 119
143 Walter Moers (2002); Seite 224
144 Willibald Fritz, M. K. ; Grundwissen Deutsch für den Sekundarbereich I (1999); Seite 113
145 Willibald Fritz, M. K.; Grundwissen Deutsch Sekundarbereich I (1999) Seite 133
146 Walter Moers (2002);
147 Alo Allkemper, Norbert O. Eke; Literaturwissenschaft 3. Auflage (2010); Seite 161
23
Gebrüdern Grimm Das Brüderchen und das Schwesterchen
148handelt. Moers nimmt immer wieder Bezug zum Original. Der Aufbau der Geschichte ist ähnlich, wobei Moers ein offenes Ende gewählt hat. Dies ist wiederum, da es sich um ein Kunstmärchen
149handelt, verständlich. Moers bewegt sich literarisch in einer fiktiven Welt, die er reich illustriert und erklärt, während das Original nur das Märchen wieder gibt. Dies erleichtert dem Leser, das Lesen hindert aber nicht beim Erkennen der Intertextualität.
2.4. „Hexen“- Ein Exkurs
Während meiner Arbeit zu dem Volksmärchen
150Das Brüderchen und das
Schwesterchen
151und Kunstmärchen
152Ensel und Krete Ein Märchen aus Zamonien
153, ist mir vor allem die Figur der Hexe aufgefallen. Sie ist ein fester Bestandteil in beiden Erzählungen. In beiden Fällen handelt es sich um eine Frau auch wenn sie sich bei Moers später verwandelt. Zunächst werde ich einen historischen Hintergrund darlegen und dann anhand von gesellschaftlichen und sozialen Faktoren, versuchen zu erklären, wieso gerade Frauen Hexen sind.
Oft wird angenommen, dass die Zeit der Hexenverfolgung im Mittelalter lag, dies ist jedoch falsch, denn vielmehr wurden die meisten Hexenprozesse in der Frühen Neuzeit, vom 15. Jahrhundert bis ins 18. Jahrhundert, verhandelt
154. Die ersten Hexenprozesse traten im Alpinen Raum auf. Dies ist nicht ungewöhnlich, da in diesen Gebieten, schon seit Jahren Ketzer durch die Inquisition verfolgt wurden.
155Durch das, zwischen 1431- 1449, tagende Konzil in Basel, mit seinen 500 ständigen Vertretern und 150 000
Besuchern aus allen Teilen Europas, verbreiteten sich die Hexenprozesse.
156Auch wurde durch den religiösen Eifer einzelner die Vorstellung von Hexen weiter verbreitet. Unter ihnen war der Mönch Heinrich Kramer, später Institoris, der 1487 den „ Malleus
148 Grimm (2007)
149 Willibald Fritz, M. K. ; Grundwissen Deutsch für den Sekundarbereich I (1999); Seite 113
150 Willibald Fritz, M. K. ; Grundwissen Deutsch für den Sekundarbereich I (1999); Seite 113
151 Grimm (2007)
152 Willibald Fritz, M. K. ; Grundwissen Deutsch für den Sekundarbereich I (1999)
153 Walter Moers (2002)
154 Walter Rummel, Rita Voltmer; Hexen und Hexenverfolgung in der Frühen Neuzeit (2012); Seite 3
155 Ebd. Seite 28
156 Ebd. Seite 29
24
Maleficarum“ zu Deutsch den „Hexenhammer“ veröffentlichte
157. Dieses Buch wurde, neben anderen Schriften, zu einem Standartwerk der Hexenverfolgung. Krames beschreibt in drei Teilen zunächst warum es nötig ist Hexen zu verfolgen und wie man sie verfolgen soll. Schon der Titel ist gegen Frauen, gerichtet das lateinische Wort „Maleficarum“
bedeutet im Deutschen „Zauberin“.
158Er greift vor allem Hebammen an, da die mit dem Teufel im Bunde stehen
159und behaupte unter anderem, dass Frauen dem Mann das Geschlechtsteil durch Zauberei entfernen können
160. Es schürte mit seinem Buch Ängste und rief zur Hexenjagd auf.
Bis ins 15. Jahrhundert hatte es kaum Hexenprozesse gegeben, zwar kam es 1022 zu Ketzerverbrennungen in Orleans doch handelte es sich hierbei um Geistliche.
161Ab 1252 wurde in Inquisitionsverfahren die Folter angewandt doch nur gegen Ketzer.
162Erst im Jahre 1532 wurde das Bündnis mit Satan mit der Todesstrafe bedacht.
163Somit kann man sagen: „Hexerei (…) war ein besonders schwerwiegendes und komplexes Delikt, das erst im 15. Jahrhundert erfunden wurde.“
164Hierbei ist auch zu erwähnen, dass die meisten Hexenprozesse, von weltlichen Gerichten verhandelt wurden und schon das Gerücht oder die Anschuldigung ausreichten, um das Verfahren zu eröffnen.
165Dadurch wurden Anschuldigungen, die auf Missgunst und Neid beruhen vermehrt hervor gebracht. Man kann heute davon ausgehen, dass je nach Gebiet 70- 80% der Angeklagten und Hingerichteten, Frauen waren.
166Dabei waren Frauen aus allen sozialen Schichten und jeden Alters vertreten. Es ist jedoch falsch zu glauben, dass vor allem Hebammen und heilkundige Frauen verfolgt wurden, oft wurden Hebammen als Sachverständige eingesetzt da Frauen, die in der Haft schwanger waren,
Hafterleichterungen zustanden.
167Die Zeiten in denen Verfolgungen stattfanden, waren nicht konstant, es kam zu Hochzeiten und Ruhephasen. So kam es nach 1420 zu einem Ansteigen der Verfolgung, darauf folgte eine Ruhephase zwischen 1520 und 1560. Eine extrem brutale Phase der Hexenverfolgung findet man zwischen 1560- 1630, hier gab es eine außergewöhnlich hohe Opferzahl. Danach ebbte die Hexenverfolgung langsam ab
157 Heinrich Kramer (Institoris); Malleus Maleficarum Der Hexenhammer (2013)
158 Heinrich Kramer (Institoris); Malleus Maleficarum Der Hexenhammer (2013)
159 Ebd. Seite 286- 288; 472- 482
160 Ebd. Seite 420- 428
161 Gerd Schwerhoff; Die Inquisition Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit (2009); Seite 16
162 Ebd. Seite 25
163 Ebd. Seite 112
164 Ebd. Seite 111
165 Heinrich Kramer (Institoris); Malleus Maleficarum Der Hexenhammer (2013); Seite 72
166 Walter Rummel, Rita Voltmer; Hexen und Hexenverfolgung in der Frühen Neuzeit (2012); Seite 79
167 Walter Rummel, Rita Voltmer; Hexen und Hexenverfolgung in der Frühen Neuzeit (2012); Seite 80
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und fand ihr Ende im 18. Jahrhundert. Zwar kam es danach noch zu vereinzelten Fällen, doch waren diese eher die Ausnahme als die Regel.
168Wenn man nun versucht, zu erklären warum gerade Frauen betroffen waren, muss man folgendes beachten. Zum einen war die Gesellschaft stark christlich geprägt und unterlag den christlichen Wertevorstellungen.
Sex war somit Unzucht und durfte nur in der Ehe zwischen Mann und Frau praktiziert werden.
169Ein freier sexueller Umgang war nicht möglich. Die Vorstellung, dass Frauen wilde Orgien mit dem Teufel feierten, stimulierte die Menschen auf der einen Seite, schreckte sie aber auch ab. Diese Teufelsbuhlschaft wurde als Ehebruch gesehen und das war wiederum eine schwere Sünde.
170: „Verstöße gegen die rigide Sexualnorm wertete man (…) als Indizien für Hexerei.“
171Alles Sündige wurde somit mit der Hexe
verbunden. Frauen wurde unterstellt, dass sie aufgrund psychischen und physischen Schwäche keine andere Möglichkeit hätten, ihre Triebe zu befriedigen.
172Ein weiterer Faktor ist das Rollenverständnis der damaligen Zeit. Frauen waren dem Mann Untertan und kümmerten sich um die Kinder, den Haushalt und das Vieh.
Emanzipation war nicht vorgesehen. Die meisten Anschuldigungen fanden sich in diesem Umfeld. Die Schuld an Schaden und Todesfällen wurde oft Frauen zugeschrieben.
173Männer konnten somit, gegenüber selbständigen und emanzipierten Frauen ihre
Dominanz ausspielen und sie unterdrücken
174: „Viele der Anschuldigungen scheinen sich gegen eben jene Personen gerichtet zu haben, die man als bösartig, den Gemeindefrieden störend und unmoralisch einstufte, die man vielleicht schon seit längerem fürchtete, beneidete oder gar hasste.“
175Oft wurden Frauen als „Stellvertreter“ für ihre Männer angezeigt und hingerichtet.
176Dadurch, dass vor Gericht schon ein Gerücht ausreichte, war es einfach andere zu denunzieren. Die Hexenprozesse waren somit oft ein Mittel zum Zweck um sich an
168 Ebd. Seite 81
169 Walter Rummel, Rita Voltmer; Hexen und Hexenverfolgung in der Frühen Neuzeit (2012); Seite 88
170 Walter Rummel, Rita Voltmer; Hexen und Hexenverfolgung in der Frühen Neuzeit (2012); Seite 88
171 Ebd. Seite 90
172 Ebd. Seite 97
173 Walter Rummel, Rita Voltmer; Hexen und Hexenverfolgung in der Frühen Neuzeit (2012); Seite 97
174 Ebd. Seite 97
175 Walter Rummel, Rita Voltmer; Hexen und Hexenverfolgung in der Frühen Neuzeit (2012); Seite 98
176 Ebd. Seite 97