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Schillers Kabale und Liebe and Goethes Faust Within the Discourse of Love

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G3

Tyska TY3093

Handledare: Nina Johansson 15 hp

Examinator: Nina Johansson 2010-01-28

G2 G3 Avancerad nivå

Schillers Kabale und Liebe

and Goethes Faust

Within the Discourse of Love

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 3

2 Theoretischer Überblick 6

2.1 Einordnung Kabale und Liebe: Sturm und Drang 6 2.2 Einordnung Faust: Weimarer Klassik 8

2.3 Diskurs der Liebe um 1800 10

3 Kontrastive Werkanalyse 13

3.1 Darstellung der Liebe in Schillers Kabale und Liebe 13 3.1.1 Fokus Liebe – Untersuchung der Figur Luise 18 3.2 Darstellung der Liebe in Goethes Faust 21 3.2.1 Fokus Liebe – Untersuchung der Figur Gretchen 27 3.3 Gegenüberstellung der Werke und Figuren 29

4 Fazit 32

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1

Einleitung

Die Liebesthematik in Johann Wolfgang Goethes Faust – Der Tragödie erster

Teil und Kabale und Liebe von Friedrich Schiller sollen im folgenden Aufsatz

verglichen werden. Besonders beleuchtet werden sollen sowohl die Figuren Gretchen und Luise, die weiblichen Protagonistinnen der Werke, als auch Faust und Ferdinand, ihre Geliebten und männliche Hauptfiguren. Beide Werke sind Dramen. Faust, eine Tragödie, erschien im Jahre 1808 und ist der Epoche der Weimarer Klassik zuzuordnen, während Kabale und Liebe, erschienen 1783, ein typisches Werk des Sturm und Drangs darstellt und ein bürgerliches Trauerspiel ist.

Ziel dieser Arbeit ist es, die Verarbeitung des Themas Liebe in den beiden Dramen vor dem Hintergrund der aktuellen Forschung über die Epochen und die Gestaltung der Liebe in der Literatur um 1800 zu vergleichen. Dazu herangezogen wird sowohl Sekundärliteratur zur Weimarer Klassik sowie zum Sturm und Drang als auch allgemein zur Liebesthematik in Literatur. Außerdem werden Forschungsarbeiten zu den beiden Werken in Betracht gezogen. Die Untersuchung der Sekundärliteratur soll besonders auf das Thema Liebe fokussiert werden, damit anschließend Schlüsse gezogen werden können, inwieweit die ausgewählten Werke hinsichtlich der Thematik ihrer Zeit folgen. Ebenso soll die Frage beantwortet werden, inwieweit die Werke ihrer Epoche entsprechen und ob dies auch mit der Thematisierung ihrer Liebesgeschichten zu tun hat. Die von mir betrachtete Forschungsliteratur untersucht die Liebesthematik sowohl in Werken von Schiller als auch von Goethe, jedoch werden in dieser zur Untersuchung oft die Dramen Don Carlos und Die Leiden

des jungen Werthers hinzugezogen (z.B. Kluckhohn 1966; Schwander 1997).

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Die beiden Dramen wurden als Grundlage dieser Arbeit gewählt, da zum einen beide Autoren zum Kanon der deutschen Literatur gehören und zum anderen meinerseits ein großes Interesse an Werken des 18. Jahrhunderts besteht.1 Das Thema Liebe wird ins Zentrum der Untersuchung gerückt, weil es in allen Epochen vorzufinden ist, da es die Menschen seit jeher beschäftigt. Interessant sind dabei die Entwicklung, der Blickpunkt und die Darstellung des genannten Themas vor mehr als 200 Jahren. Die gegenseitige Beeinflussung von Literatur und Gesellschaft ist ein weiterer interessanter Aspekt, der berücksichtigt werden soll.

Der Untersuchungsschwerpunkt soll auf der Darstellung der Liebesbeziehungen der Protagonisten gelegt werden und ein besonderer Fokus soll zudem auf Luise und Gretchen gerichtet werden. Beide Figuren werden in ihren Dramen zum Opfer ihrer Liebesbeziehungen und gehen an diesen zu Grunde. Somit soll die Frage nach den Gründen dafür beantwortet und eventuelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede erarbeitet werden.

Die Arbeit gliedert sich in vier Abschnitte. Nach der Einleitung soll zunächst beschrieben werden, in welche Epochen die Werke in der Forschung nach den herkömmlichen Ideen eingeordnet werden, um diese in der Analyse prüfen zu können. Die Ergebnisse der Analyse sollen aufzeigen, ob auch die Thematik der Liebe dafür spricht, die Werke nach den Ideen der Forschungsliteratur einzuordnen. Weiterhin soll in diesem Abschnitt ein theoretischer Überblick über einige aktuelle Forschungsarbeiten zum Thema Liebe in der Literatur um 1800 gegeben werden. Im dritten Teil wird eine kontrastive Werkanalyse von Faust und

Kabale und Liebe den Hauptteil der Arbeit darstellen, dazu wird der Inhalt der

Werke zusammengefasst, um das Verständnis der Analyse zu erleichtern und um wichtige Handlungsstränge nachvollziehen zu können. Dabei wird zunächst ein allgemeiner Überblick über das Werk und die Thematik der Liebe gegeben. In einem weiteren Unterkapitel wird es jeweils zu Gretchen und zu Luise 1Faust erschien zwar erst 1808, doch entstand dieses Werk über viele Jahre und ein großer Teil auch

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Theoretischer Überblick

Die ersten Teile dieses Kapitels sollen sich mit den Epochen der Werke beschäftigen, die zu untersuchen sind, so soll zunächst geklärt werden, was unter dem Begriff der Epoche zu verstehen ist.

Epochenbegriffe dienen dazu, die Literatur zu ordnen und zu kategorisieren. Dabei werden zum einen bestimmte Eckdaten festgelegt, um der Epoche einen zeitlichen Rahmen zu geben und zum anderen werden der Literatur jeder Epoche bestimmte Merkmale zugewiesen, sodass die Epochen inhaltlich unterschieden werden können (Jeßing/Köhnen 2007: 11). Dies sind sowohl politik- und sozialgeschichtliche Merkmale als auch philosophie-, ideen- oder auch religionsgeschichtliche Kriterien. Ebenso können literaturinterne Merkmale und Einschätzungen späterer Zeiten ausschlaggebend für die Eingrenzung einer Epoche oder die Festlegung eines Epochenbegriffs sein (Jeßing/Köhnen 2007: 11f). Auch wenn die Epochen Eckdaten aufweisen, sind die Epochenübergänge fließend, so können sich die Epochen zeitlich überschneiden oder gar parallel existieren. Aus diesem Grund wird statt von dem Begriff „Epoche” auch von literarischen Strömungen gesprochen (Jeßing/Köhnen 2007: 12).

2.1 Einordnung Kabale und Liebe: Sturm und Drang

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kleinen Teilstaaten, dabei hatte jeder Staat seine eigene Politik und eine eigene Verfassung. Die meisten Teilstaaten standen unter der absolutistischen Herrschaft eines Fürstentums, die teils sehr willkürlich handelten (Karthaus/Manss 2000: 16f).

Gegen den herrschenden Absolutismus, die gesellschaftliche Ordnung und die starren Regeln rebellierten die zugehörigen Autoren dieser Epoche, die größtenteils sehr jung waren, in ihrer Literatur und Lyrik. Aus diesem Grund wird der Sturm und Drang auch als Protest- und Jugendbewegung verstanden (Mende 2009). Die Vorstellung des Genies spielt eine bedeutende Rolle für die Autoren: das Genie schafft eigene Regeln und Gesetze, entfaltet dabei seine Individualität und lässt sich durch die schöpferische Kraft der Natur leiten (Pohl 2009). Shakespeare galt als Vorbild eines genialen Dichters. Als Zentralbegriffe des Sturm und Drangs gelten die Freiheit im persönlichen, politisch-gesellschaftlichen und künstlerischen Bereich, Gefühle und Leidenschaft (Völkl 2007: 58). Der Sturm und Drang kann als Gegenbewegung zur Aufklärung verstanden werden, in der Gefühle verpönt waren und die kühle Rationalität mit einer strengen Regelpolitik die zentrale Rolle spielten (Völkl 2007: 57f).

Als bevorzugte literarische Form galt im Sturm und Drang das Drama, thematisiert wird darin meist ein Held, der an den gesellschaftlichen Verhältnissen scheitert und seine Identität nur durch ein tragisches Ende wahren kann. Die Figuren weisen markante Charaktere auf, die Handlung ist spannend, gefühlsreich und dramatisch, Ort und Zeit werden häufiger gewechselt und es werden tragische und komische Elemente gemischt (Mende 2009).

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und politischen Ordnung aufgezeigt. Die Figur des Präsidenten steht für den Machtmissbrauch und die Gleichgültigkeit der Herrschenden, denen Empfindungen und Moral fremd sind, was die Autoren des Sturm und Drangs in ihrer Literatur anprangern (Karthaus/Manss 2000: 134).

2.2 Einordnung Faust: Weimarer Klassik

Wie zu jeder Epoche können auch zur Weimarer Klassik verschiedene Angaben zu den Eckdaten der Epoche gefunden werden. Einigkeit herrscht jedoch in der Auffassung, dass Goethes Italienreise 1786 zu Beginn der Epoche stand, doch Unklarheiten gibt es über die Dauer der Weimarer Klassik. Für einige Autoren der ausgewählten Forschungsliteratur ist Schillers Tod nicht nur das Ende der Ära Schiller und Goethe, sondern auch das Ende der Epoche. Andere sehen das Ende der Epoche erst mit Goethes Tod 1832 (z.B. Selbmann 2005: 19; Dörr 2007: 9) . Der Begriff „Klassik“ wurde erst später, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, festgelegt (Jeßing/Köhnen 2007: 12). Als Grund für diesen Epochentitel wird in der Forschungsliteratur insbesondere das politische Interesse bei der Reichsgründung gesehen. Der Epochenbegriff „Klassik“ sei als „Kompensationsbegriff zu interpretieren, der die politische Misere in der Auszeichnung des kulturellen Gipfels kompensiert [...] [und] „klassische” Literatur gerät mehr und mehr zur illustrierenden Legitimation der Größe des zu gründenden deutschen Reichs” (Plumpe 1995: 20).

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Ursprünglich meint der Begriff „Classicus” einen wohlhabenden römischen Bürger der höchsten Steuerklasse. In der Antike ist „Classicus” ein Synonym für „vorbildlich” oder „musterhaft” und bezeichnet zudem den Höhepunkt einer Kulturepoche. Somit definiert „Klassik” „den sich selbst zugeschriebenen Höhepunkt der jeweiligen Nationalliteratur” (Selbmann 2005: 12).

Vom Stürmer und Dränger zum Klassiker wurde Goethe auf seiner Italienreise nach Rom von 1786-88, besonders die Zusammenarbeit mit Schiller trug zur Entstehung und zum Höhepunkt dieser Epoche bei (Selbmann 2005: 30; 43). Beide wendeten sich gegen die Französische Revolution, allerdings nutzten sie deren Folgen, um ihre klassischen Gedanken auszubauen (Selbmann 2005: 44). Geprägt war besonders Schiller durch die philosophischen Schriften Kants. Als Grundideen dieser literarischen Strömung gelten die Humanität und die Harmonie. Es soll nach diesen Idealen gestrebt werden und die Bildung einer ausgewogenen Einheit steht im Vordergrund: Tugenden, Gefühle und Verstand, das künstliche und das wissenschaftliche Verständnis sollen in Einklang gebracht werden. Ebenso kann die Totalität, die Vereinigung von Theorie und Praxis, als weiteres wichtiges Merkmal der Weimarer Klassik gesehen werden. Als Vorbild dient den deutschen Klassikern die griechische Antike, ihre Literatur soll aufgegriffen, aber nicht nachgeahmt werden. Diese Ideale sollen allerdings nicht mit einer Revolution erreicht werden, sondern die Veränderung jedes Einzelnen ist nötig und dazu sei Kunst das meist geeignete Mittel. Zur Literaturprogrammatik von Goethe und Schiller gehörte auch die Auflösung der starren Regelpolitik des Sturm und Drangs und der Empfindsamkeit (Jeßing/Köhnen 2007: 13).

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Goethes Faust entstand in der Weimarer Klassik und wird gemeinhin dieser Epoche zugeordnet. Allerdings ist diese Einordnung nicht vollkommen festzulegen, da das Werk über einen langen Zeitraum entstanden ist und der

Urfaust dem Sturm und Drang zugeordnet wird (Schmidt 2001: 38). Zu dieser

Zeit entstand in erster Linie die Gretchentragödie, welche charakteristisch im Einklang mit dem Sturm und Drang steht. Gretchen lässt sich von ihren Gefühlen leiten und bringt diese nicht in Einklang mit ihrem Verstand, wie es die Klassiker fordern. Ebenso wird der formale Aufbau des Dramas dem Sturm und Drang zugeschrieben, da „sich der Faust I noch an das Erbe des Sturm und Drang: an die lockere Szenenfolge ohne Akteinteilung“ (Schmidt 2001: 38) hält.

Faust I wird der Klassik zugeordnet, weil es durch die drei einleitenden Szenen

des Dramas zu einer Distanz in der Betrachtung des Stücks kommt und der Zuschauer somit durch die Kunst lernen kann. Insbesondere kann der Zuschauer auch durch den Prolog im Himmel und die Szene „Wald und Höhle“ über die Grundfrage des Mensch-Seins nachdenken (Schmidt 2001: 38ff). Faust ist in sich gespalten, er befindet sich zwischen Himmel und Hölle und möchte zu sich selbst zurückfinden (Schmidt 2001: 43).

2.3 Diskurs der Liebe um 1800

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Auffassung und die Vorstellung von Liebe hat es also erst im 18. Jahrhundert gegeben; das heutige Verständnis von Liebe als Verbindung von Gefühlen, Leidenschaft und Erotik findet dann Einzug in die Ehe. Bis dato war Liebe in der Ehe nicht erwünscht, da die Ehe einen reinen Nutzvertrag darstellte und Sexualität nur zur Fortpflanzung dienen sollte (Schwander 1997: 95). Die leidenschaftliche Liebe war generell von sehr kurzer Dauer. Nach Lenz wurden selbst noch im Bürgertum des 18. und 19. Jahrhunderts Ehen nicht wegen Gefühlen geschlossen, sondern in erster Linie wegen materiellen Vor- und Nachteilen: „Da Gefühle bekanntlich nicht satt machen, war ein Blick auf die ökonomischen Verhältnisse und die moralische Integrität der Person des potentiellen Ehegatten naheliegend“ (Lenz 2009: 285). Die Ehe stellt zudem in den damaligen Verhältnissen die einzig verlässliche Lebensgrundlage für die Frau und ihre Kinder dar (Lenz 2009: 285). Die Vorteile des Mannes in einer Ehe bestanden darin, dass dieser durch die Ehe erst Anerkennung in der Gesellschaft gewinnen konnte und durch eine Hochzeit eine Mitgift von der Familie seiner Frau erhielt (Lenz 2009: 285).

Außerdem war eine Ehe vor dem 18. Jahrhundert nur innerhalb der einzelnen Schichten möglich und die Eltern bestimmten den Ehepartner (Werber 2003: 27). Diesen wählten die Familien möglichst multifunktionell – einbezogen wurden politische und ökonomische Aspekte. Familien konnten durch eine Ehe Güter und Land zusammenlegen, dadurch ihre Macht und ihren Einfluss vergrößern. Bei dieser Wahl wurde auf die Wünsche der zukünftigen Ehepartner keine Rücksicht genommen, oftmals kannten sich Braut und Bräutigam sogar vor der Ehe nicht (Werber 2003: 27).

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entscheidende Bedeutung zukommt“ (Schwander 1997: 95). Für Liebe und Gefühle finden insbesondere Poeten neue sprachliche Ausdrücke (Schwander 1997: 101). Besonders in der Literatur des 18. Jahrhunderts wird das herkömmliche Verständnis von Liebe thematisiert und problematisiert (Werber 2003: 28). Eine große Rolle spielt dabei auch Goethe; er hat die Vorstellung von Liebe in der Literaturwissenschaft entscheidend geprägt (Schwander 1997: 90). Im Laufe des 18. Jahrhunderts nehmen immer mehr auch soziale Werte in der Liebe eine wichtige Stellung ein, dazu gehören z.B. Treue, Zärtlichkeit und Wahrhaftigkeit. Das zeigt sich auch in der Literatur:

Die in den Dramen entscheidende Paare machen diese zur Bedingung des Zusammenlebens. Nicht mehr praktische Erwägungen und ökonomische Interessen werden als Grundlage der Eheschließung angesehen, sondern das Modell der Liebesehe wird zum bürgerlichen Ideal. (Schwander 1997: 98)

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3

Kontrastive Werkanalyse

3.1 Darstellung der Liebe in Schillers Kabale und Liebe

In Schillers Kabale und Liebe wird die Liebesbeziehung zwischen Ferdinand und Luise thematisiert. Die Protagonisten stammen aus verschiedenen Ständen, was zu Problemen der Liebesbeziehung führt. Ferdinand entstammt der höfischen Welt, sein Vater, Präsident von Walter, akzeptiert die Wahl seines Sohnes nicht und möchte ihn mit Lady Milford, der Mätresse des Herzogs, vereinen. Doch Ferdinand hält an der Liebe zu seiner bürgerlichen Luise fest. So plant der Präsident zusammen mit seinem Sekretär Wurm eine Intrige, um die Liebe zwischen Luise und Ferdinand zu zerstören: Er lässt Luises Eltern verhaften. Dies gibt dem Präsidenten die Möglichkeit, Luise zu erpressen. Wenn Luise nicht einen Liebesbrief an den Hofmarschall von Kalb schreibt und unter Eid schwört, diesen selbst geschrieben zu haben, würden ihre Eltern hingerichtet. Luise sieht sich der Intrige wahllos ausgesetzt und schreibt in ihrer Not das vom Präsidenten Verlangte. Dieser lässt den Brief Ferdinand zukommen, der wie von ihm erhofft eifersüchtig reagiert. Luise möchte sich unterdessen aus Schuldgefühlen und um die Wahrheit preisgeben zu können das Leben nehmen, wird jedoch von ihrem Vater abgehalten. Ferdinand vergiftet schließlich aus Rachelust und Verzweiflung Luise und sich selbst, sodass Luise ihm doch noch die Wahrheit sagen kann. Die Handlung spielt sich teilweise am Hof des Präsidenten, teils im Haus des Stadtmusikers Miller ab, dessen Tochter Luise ist.

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öffentlich-höfischen Standes (Zymner 2002: 46). Schiller ordnete sein Werk einer bestimmten Gattung zu, die er mit auf das Titelblatt schrieb: Ein bürgerliches Trauerspiel. So verwendet er im Drama typische Merkmale dieser Gattung, dazu gehören politische Inhalte ebenso wie die sozial-problematische Thematik. Die bürgerliche Familie steht im Vordergrund, in der der Hausvater das Oberhaupt darstellt, die Mutter sich als ehrgeizig erweist und die Tochter durch eine Liebschaft zu einem Adeligen verloren ist. Zudem gehört der höfische Intrigant ebenso zur Figurenkonstellation, wie die höfische Mätresse, die mit dem adeligen Liebhaber vermählt werden soll (Zymner 2002: 47). Die Ständeklauseln werden von Ferdinand und Luise durchbrochen, allerdings wird die Liebe bedroht durch die Intrigen der absolutistischen Herrschaft und die gegebenen sozialen Hürden. Zymner kommentiert hierzu:

Die Liebe zwischen Louise und Ferdinand ist der Katalysator, der die Ketten des Standes, der Herkunft, der Konvention bis zur Kenntlichkeit sichtbar werden läßt und dabei verdeutlicht, daß der Vorsatz der sozialen Bindungslosigkeit, der Vorsatz der Überwindung der sozialen Schranken durch die einzige Bindung der Liebe in dieser Welt (und jedenfalls in der fiktiven Welt von „Kabale und Liebe“) einer Utopie folgt, deren Verwirklichung nicht zuletzt an den individuellen Zwängen, den Einstellungen und Erwartungen derjenigen scheitert, die die Ketten der Konvention, des Standes, der Herkunft sprengen zu können vermeinen. (Zymner 2002: 54)

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Höhepunkt und den Abschluss der Sturm-und-Drang-Dramatik“ (Herrmann 1997: 13).

Schauplatz des Geschehens ist zu Beginn des Stücks das Haus des Musikers Miller. Schnell wird die Problematik deutlich, über die der Musiker mit seiner Frau diskutiert. Ihre Tochter Luise hat eine Liebesbeziehung zu dem Sohn des Präsidenten, dem Major. Miller stellt seine Position klar fest: Er war der Herr im Haus und hätte besser auf seine Tochter achten sollen (KuL, S.5).2 Es wird deutlich, dass Luises Vater eine Gefahr in der Liebschaft für die Familie sieht, denn er befürchtet, dass er Luise verlieren könne, da sie nun womöglich besseres will (KuL, S.7). Miller sieht es als seine Aufgabe an, die Beziehung frühzeitig zu beenden, um die Familie vor möglichen Folgen zu schützen. Miller steht, wie Herrmann schon bemerkt hat, dabei vor einem kritischen Punkt, der sich bei der Gattenwahl im Bürgertum oft zeigte. Die Tochter darf den Ehemann selbst bestimmen, jedoch soll sie sich an die ständischen Regeln und möglichst auch nach den Interessen des Vaters richten (Herrmann 1997: 12). Das verdeutlicht auch Miller. In Szene I,2 weist er den Sekretär Wurm zurecht, der um die Hand seiner Tochter anhält: „Das Mädel muss mit Ihnen leben – ich nicht – warum soll ich ihr einen Mann, den sie nicht schmecken kann, aus purem klaren Eigensinn an den Hals werfen?“ (KuL, S. 10). Trotz der neu gewonnenen Freiheit der Frauen im Bürgertum, darf eine bürgerliche Tochter nicht gegen die Standesregeln und die damit verbundenen Tugenden entscheiden (Werber 2003: 27). Genau das ist das Problem, das sich hier aufzeigt (Herrmann 1997: 12). Miller weist Wurm zwar an dieser Stelle zurück, dennoch wird er versuchen, die Liebenden möglichst bald auseinander zu bringen, um eine Schande über die Familie zu verhindern. Er zeigt an dieser Stelle, dass er zu den moderneren Menschen gehört, die ihre Töchter die Ehemänner selbst wählen lassen. Von der Anfrage des Verehrers beim Vater hält Miller nichts mehr und bezeichnet diese Methode als „altmodischen Kanal“ (KuL, S. 11). Wurm durchkreuzt allerdings Millers Plan, die Liebschaft von Luise und Ferdinand im Stillen zu klären, denn 2 Die Hinweise, die mit KuL eingeleitet werden, beziehen sich auf die folgende Ausgabe: Schiller: Kabale

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durch Luises Mutter hat er von der Liebschaft zwischen Luise und Ferdinand erfahren und nutzt dieses Wissen, um den Präsidenten davon zu unterrichten. Er nutzt die Macht von diesem, um gemeinsam mit ihm eine Intrige zu spannen, damit er den Konkurrenten um Luise ausschalten kann:

Mit Wurms Abgang, weiß Miller, ist geschehen, was er gerade verhindern wollte: Das Haus ist im Geschrei, die private Liebe der Bürgerstochter mit dem jungen Herrn vom Adel ist ins Räderwerk der öffentlichen Instanzen und ihrer politischen Interessen geraten. (Herrmann 1997: 29)

Der Präsident ist ebenso wenig begeistert von der Beziehung seines Sohnes wie Miller. Er verkörpert in diesem Drama die alten Traditionen, die Ehe als Nutzvertrag zu betrachten.3 So sieht er es als gesellschaftliche Pflicht, seinem Sohn einen politisch nutzvollen Ehevertrag zu verschaffen, um aber auch seine eigene Macht zu erweitern: „Damit nun der Fürst im Netz meiner Familie bleibe, soll mein Ferdinand die Milford heuraten“ (KuL, S. 19). Ferdinands Vater zweifelt an der Ernsthaftigkeit der Beziehung und geht davon aus, dass Luise nur eine Hure für Ferdinand ist (KuL, S. 18). Sein Plan ist es also, den Sohn mit Lady Milford, Mätresse des Herzogs, zu verheiraten. Deshalb spannt er die erste Intrige und lässt den Hofmarschall von Kalb in der ganzen Stadt die baldige Vermählung seines Sohnes mit Lady Milford verkünden ohne dass Ferdinand überhaupt davon unterrichtet ist. Der Präsident möchte das verbreitete Gerücht als Druckmittel gegen seinen Sohn verwenden: „Nun muss ja mein Ferdinand wollen, oder die ganze Stadt hat gelogen“ (KuL, S. 22). Doch Ferdinand lässt sich nicht so einfach von seiner Geliebten trennen, verteidigt sie vor dem Vater und stellt sie ihm als Gemahlin vor (KuL, S. 52). Die Kaltblütigkeit und Hinterlistigkeit des Hofes zeigt sich in der zweiten Intrige. Der Hofmarschall wird mit eingespannt, an dessen Namen Luise einen Liebesbrief schreiben soll, der anschließend Ferdinand zugespielt wird. Wurm schlägt die Intrige dem Präsidenten vor:

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Den Herrn Major umspinnen wir mit List. Gegen das Mädchen nehmen wir Ihre ganze Gewalt zu Hilfe. Wir diktieren ihr ein Billetdoux an eine dritte Person in die Feder, und spielen das mit guter Art dem Major in die Hände. (KuL, S. 55)

Im Kapitel über die herkömmliche Epocheneinordnung der Werke wurde bereits erwähnt, dass Leidenschaft ein zentraler Begriff des Sturm und Drangs ist. Ferdinand zeigt dieses Merkmal deutlich in seiner Liebesbeziehung zu Luise. Er ist realitätsfern, lässt sich von seinen Gefühlen leiten und überschätzt sich oftmals selbst. Das wird z.B. gezeigt, als er Luise versucht zu überreden, mit ihm zu flüchten, um fern des Einflusses seines Vaters das Liebesglück verwirklichen zu können:

Höre, Luise, - ein Gedanke, groß und vermessen wie meine Leidenschaft, drängt sich vor meine Seele, - du, Luise, und ich und die Liebe! - Liegt nicht in diesem Zirkel der ganze Himmel? Oder brauchst du noch etwas Viertes dazu? (KuL, S. 63)

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deren Saiten er zerreißt und, das Instrument zu Boden schleudern (KuL, S.65). Aus diesen Gründen ist das Werk ohne Zweifel dem Sturm und Drang zuzuordnen.

3.1.1 Fokus Liebe – Untersuchung der Figur Luise

Luise betrifft laut Herrmann ein Grundproblem, das zwischen der Aufklärung und der Romantik besonders hervortrat. Die Frau hat durch die starke Vaterbindung nicht genügend Autonomie. Dieses Problem verkörpert Luise in besonderem Maße, denn sie befindet sich in einem Zwiespalt zwischen ihrem Vater und ihrem Liebhaber (Herrmann 1997: 13). Bei ihrem ersten Auftritt im Drama bezeichnet Luise sich vor dem Vater als schwere Sünderin (KuL, S.12). Ihr nächster Gedanke gehört aber wieder Ferdinand. Wie stark er sie einnimmt, bekräftigt ihre Aussage: „Ah! Ich vergaß, dass es noch außer ihm Menschen gibt“ (KuL, S. 12). In der Szene wird deutlich, dass Luises Herz vollkommen Ferdinand gehört, trotzdem fühlt sie sich hin- und her gerissen zwischen Tugend und Leidenschaft. Gleichzeitig erkennt sie auch die Aussichtslosigkeit dieser Liebe, die Schranken der Stände sind zu fest verschlossen, somit liegt ihre Hoffnung im Leben nach dem Tod, wo „Menschen nur Menschen sind“ (KuL, S. 14). Der Gefühlsausbruch vor ihren Eltern zeigt die verzweifelte Lage, in der sich Luise befindet. Sie bekennt, dass ihr Stand es nicht erlaubt, ein Verhältnis mit Ferdinand zu haben und dass sie sich auch vor Gott schuldig fühlt. Sie bittet ihre Eltern um Vergebung und verspricht, in diesem Leben auf ihren Geliebten zu verzichten (KuL, S. 13).

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frechen törichten Wünschen hat sich mein Busen getragen – mein Unglück ist meine S t r a f e“ (KuL, S. 65).

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so in ihren letzten Atemzügen von ihrem Eid und nutzt die Möglichkeit, ihrem Liebhaber die Wahrheit sagen zu können:

Ferdinand! Ferdinand! - O – Nun kann ich nicht mehr schweigen – der Tod – der Tod hebt alle Eide auf – Ferdinand – Himmel und Erde hat nichts Unglückseligeres als dich – Ich sterbe unschuldig, Ferdinand. (KuL, S. 118)

Ferdinand fragte zu spät, ob Luise den Marschall geliebt habe (KuL, S. 117) und er erkennt zu spät, dass die Intrigen seines Vaters sie beide in den Tod getrieben hat. Kabale und Liebe erweist sich als eine „Tragödie einer tödlichen, nicht zu verwirklichenden Liebesbeziehung“ des 18. Jahrhunderts (Herrmann 1997: 56).

3.2 Darstellung der Liebe in Goethes Faust

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in den Kerker gesperrt und zum Tode verurteilt. Durch eine Vision erblickt Faust Gretchens Leiden, reist zurück, um sie zu befreien, doch Gretchen lässt dies nicht zu. Sie nimmt freiwillig den Tod hin, übergibt sich dem Gericht Gottes und wird schließlich noch im Tod gerettet.

Goethes Faust besteht aus zwei großen Teilen, aus der Gelehrtentragödie und der Gretchentragödie (Schmidt 2001: 142). Die Tragödien haben den gleichen Umfang, beide umfassen ungefähr 2000 Verse. Die Liebe zwischen Gretchen und Faust wird somit erst im zweiten Teil des Dramas, in der Gretchentragödie, thematisiert. Bei der Untersuchung der Liebesbeziehung zwischen den Protagonisten ist festzustellen, dass ihre Liebe nicht einem allgemeinen Ideal entspricht, denn Gretchen lässt sich von Faust vollkommen verzaubern, schenkt ihm bedingungslos ihr Herz und geht schließlich durch die Beziehung zu Grunde. Faust hingegen steht wegen seiner Wette mit Mephistopheles unter dessen Einfluss und lernt Gretchen deshalb unter schlechteren Bedingungen kennen als es ohne den Teufelspakt möglich gewesen wäre. Er ist benommen von dem Zauberspiegel der Hexe, in dem er „das schönste Bild von einem Weibe“ (Faust, S. 69)4 erblickt und das, kombiniert mit dem Verjüngungstrank, ein ungeheures Verlangen nach Liebe und körperlicher Nähe in ihm weckt. So bricht es beim Blick in den Spiegel aus ihm raus: „Mein Busen fängt mir an zu brennen“ (Faust, S. 70). Faust zeigt sich gefesselt von dem Bild und kann den Blick nicht mehr von dem Spiegel lassen, es macht ihn schier verrückt. (Faust, S. 70). In der nächsten Szene begegnet er zum ersten Mal Gretchen und an dieser Stelle hätte ihm jedes andere hübsche Mädchen vermutlich ebenso gut gefallen wie sie. Somit ist Gretchen nicht die junge Frau, die er unbedingt haben will, weil er von Herzen spürt, dass sie die richtige Frau für ihn ist, sondern sie ist das erste weibliche Objekt, das ihm nach der Verzauberung in der Hexenküche begegnet. Die Wahl, die Faust mit Gretchen trifft, ist also reiner Zufall. Seine Gefühle, die er zunächst für sie empfindet, sind rein sexueller Natur. Diese These kann von einer Aufforderung aus dieser Szene an Mephistopheles gestützt werden:

4 Die Hinweise zum Faust beziehen sich auf die folgende Ausgabe: Goethe, Johann Wolfgang: Faust. Der

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Schaff mir etwas vom Engelsschatz! Führ mich an ihren Ruheplatz!

Schaff mir ein Halstuch von ihrer Brust,

Ein Strumpfband meiner Liebeslust! (Faust, S. 76)

Faust zeigt sich außerdem zu Beginn der Gretchentragödie geradezu besessen davon, Gretchen für sich zu gewinnen. Mephistopheles soll ihm die „Dirne schaffen“ (Faust, S. 75) und falls er sie bis Mitternacht nicht in seinen Armen hält, droht er den Pakt zu brechen (Faust, S. 76).

In den Momenten, in denen Mephistopheles auftritt, ändert sich Fausts Verhalten auffällig. Wenn er alleine seinen Gedanken nachhängt, schwärmt er von Gretchen und zeigt Leidenschaft, tritt der Teufel hinzu, wirkt Faust deutlich besitzergreifender. Mephistopheles kündigt ihm z.B. an, ihn in ihr Schlafzimmer zu führen, worauf Faust begierig fragt: „Und soll sie sehn? Sie haben?“ (Faust, S. 76). Es zeichnet sich also an dieser Stelle bereits ab, welche Auswirkungen der Pakt mit dem Teufel auf die Liebesbeziehung zwischen Faust und Gretchen hat.

Die Annäherung an Gretchen gelingt Faust nur durch die Hilfe von Mephistopheles, der Schmuck besorgt, den er „woanders hergenommen“ (Faust, S. 78). Das erste Geschenk verliert Gretchen durch ihre ehrliche Art und Weise an die Kirche (Faust, S. 81). Ihre Neugierde, wer ihr so teuren Schmuck schenkt, ist dennoch geweckt. So beschreibt Mephistopheles Gretchens Unruhe:

Sitzt nun unruhvoll,

Weiß weder was sie will noch soll, Denkt ans Geschmeide Tag und Nacht,

Noch mehr an den der's ihr gebracht. (Faust, S. 82)

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Das Glück der beiden hält nie lange an, zunächst zeigen sich beide sehr glücklich in den Szenen „Garten“ (Faust, S. 89 ff) und „Gartenhäuschen“ (Faust, S. 93 f), doch befinden sich die beiden Figuren nicht auf einer Wellenlänge. Faust ist wie zu Beginn vor allen Dingen an körperlicher Nähe zu Gretchen interessiert, während Gretchen mehr durch ihre Gefühle abgelenkt ist, denn für sie ist es die erste Liebeserfahrung ihres Lebens. Als Faust ihre Hände fasst, zeigt Gretchen ihre Überforderung: „Mich überläuft's!“ (Faust, S. 92). Nach diesen ersten gemeinsamen Erlebnissen zieht sich Faust in der Szene „Wald und Höhle“ zurück:

Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer Nach jenem schönen Bild geschäftig an. So tauml' ich von Begierde zu Genuss,

Und im Genuss verschmacht ich nach Begierde. (Faust, S. 95)

Es wird deutlich, dass Faust starkes Verlangen nach Gretchen hat. Er begreift in dieser Szene eigentlich erst richtig, welche Folgen der Pakt des Teufels für ihn hat. Auch Schmidt bemerkt Fausts Selbsterkenntnis in dieser Szene, die er durch die Selbstreflexion über das Geschehene erhält (Schmidt 2001: 164). Faust weiß, dass es eine wahre Liebe zwischen ihm und Gretchen nicht geben kann, denn sobald er einen Augenblick vollkommener Ruhe empfindet, wird Mephistopheles seine Seele einfordern. Faust hat es ihm versprochen:

Werd ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen; So sei es gleich um mich getan!

Kannst du mich schmeichelnd je belügen Dass ich mir selbst gefallen mag,

Kannst du mich mit Genuss betriegen; Das sei für mich der letzte Tag! Die Wette biet ich! (Faust, S. 48)

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Nachdem sowohl Faust als auch Gretchen die Beziehung reflektieren konnten und beide unter der Trennung gelitten haben, erleben sie noch einmal glückliche Momente in „Marthens Garten“ (Faust, S.100), ihre letzten gemeinsamen Minuten vor der katastrophalen Wendung im Drama. In dieser Szene gibt Faust seiner Geliebten ein Fläschchen mit einem Schlaftrunk, den sie ihrer Mutter verabreichen soll, damit sie sich nachts sehen können. Durch diesen Trank stirbt Gretchens Mutter jedoch und das Leid der Familie beginnt.

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verführen zu lassen und ihn somit von Gretchens Leid abzulenken. Das gelingt dem Teufel jedoch nicht, weil Faust die Schande seiner Geliebten spürt:

Mephisto, siehst du dort

Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen? Sie schiebt sich langsam nur vom Ort,

Sie scheint mit geschlossnen Füßen zu gehen. Ich muss bekennen, dass mir deucht,

Dass sie dem guten Gretchen gleicht. (Faust, S. 121)

Faust lässt sich nicht weiter täuschen und begibt sich sofort auf die Rückreise, um Gretchen vor ihrer Schande zu retten.

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3.2.1 Fokus Liebe – Untersuchung der Figur Gretchen

Gretchen erlebt durch die Liebe zu Faust ein schweres Schicksal. Bei ihrer ersten Begegnung mit Faust wird ihr unschuldiges und sündenfreies Wesen betont, über das Mephistopheles keine Gewalt haben kann (Faust, S. 75). Deshalb misslingt auch der erste Versuch, Gretchen mit einem wertvollen Schmuckgeschenk zu ködern. Sie ist zu ehrlich und gibt den Schmuck der Mutter, die durch ihren „feinen Geruch“ (Faust, S. 81) spürt, dass etwas Böses im Spiel ist und das Geschenk ihrer Tochter der Kirche vermacht. Gretchen spürt zudem die Boshaftigkeit des Teufels, ihre Kammer ist ihr zu stickig, nachdem Mephistopheles darin den Schmuck versteckt hat, sie fürchtet sich sogar und sehnt sich nach ihrer Mutter (Faust, S. 79). Erst mit dem zweiten noch wertvollerem Geschenk gelingt dem Teufel, Gretchen nach Fausts „Herzens Wunsch und Will' zu wenden“ (Faust, S. 79). Sie bleibt zunächst misstrauisch und kann nicht verstehen, wieso ihr jemand solch wertvolle Dinge schenken sollte, denn sie fühlt sich nur als „armes junges Blut“ (Faust, S. 84).

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Interessant ist an dieser Stelle besonders, wie leicht Faust und Gretchen mit dem Wort Liebe umgehen. Gerade im 18. Jahrhundert hat das Wort stark an Bedeutung zugelegt, wie im Theorieteil dazu bereits erwähnt wurde. Bei ihrer ersten Unterhaltung mit Faust gibt sich Gretchen stark unterlegen. Sie spazieren gemeinsam durch den Garten und Gretchen gesteht: „Ich weiß zu gut, dass solch erfahrnen Mann [m]ein arm Gespräch nicht unterhalten kann“ (Faust, S. 89). Ihr fehlt es in dieser Situation maßgeblich an Selbstbewusstsein, dadurch macht sie sich selbst viel zu leicht zur Beute. Denn Faust möchte seine körperlichen Triebe befriedigen, daher nutzt er Gretchens mangelndes Selbstvertrauen und ihre gestandene Einsamkeit beim Spaziergang durch den Garten: „Ich werde Zeit genug an Euch zu denken haben“ (Faust, S.90). Ihr fehlt es an Mut und Erfahrung, Fausts Wünschen zu widersprechen:

Beschämt nur steh ich vor ihm da Und sag zu allen Sachen ja. Bin doch ein arm unwissend Kind,

Begreife nicht was er an mir find't. (Faust, S. 94)

Das Zitat zeigt, dass Gretchen von Faust überrumpelt wird, dies aber widerstandslos zulässt. Während Fausts Abwesenheit in der Szene „Wald und Höhle“ erfährt der Zuschauer durch Mephistopheles Berichte, dass Gretchen gefangen ist von ihrer Liebe zu Faust, somit Sehnsucht und Trauer verspürt (Faust, S. 96). In der Szene „Gretchens Stube“ (Faust, S. 98) wird dem Zuschauer Gretchens Leiden noch näher gebracht.

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nun, Im Sünderhemdchen Kirchbuß tun!“ (Faust, S. 104). Durch das Duell zwischen Faust und Gretchens Bruder Valentin fällt dieser und ist somit das zweite Opfer der Familie (Faust, S. 108). Bevor er stirbt verkündet er durch vernichtende Worte Gretchens Schwangerschaft, was für sie katastrophale Folgen hat: Im Dom wird Gretchen vom bösen Geist vor dem Volk geächtet, schließlich verurteilt und in den Kerker gesperrt (Faust, S. 112/130). Erst in der letzten Szene schafft es Gretchen sich von Faust zu lösen:

Dein bin ich, Vater! Rette mich! Ihr Engel! Ihr heiligen Scharen, Lagert euch umher, mich zu bewahren! Heinrich! Mir graut's vor dir. (Faust, S. 135)

Sie entscheidet sich für den Tod, sich für ihre Taten von Gott richten zu lassen und somit gegen Leben und die Rettung durch Faust und den Teufel.

Gretchen hat, wie schon erwähnt, eher Züge des Sturm und Drangs, da sie sich vollkommen von ihren Gefühlen leiten lässt. Allerdings unterscheiden sich die Charaktere und die Liebesbeziehungen der Protagonisten, was im Folgenden genauer beleuchtet werden soll.

3.3 Gegenüberstellung der Werke und Figuren

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Goethes Faust stammen aus unterschiedlichen Schichten, doch dies wird nicht direkt problematisiert. Wie in der Untersuchung des Werks von Goethe bereits erwähnt, fürchtet Gretchen, dass sie Faust nicht genügend Unterhaltung bieten kann (Faust, S. 89). Faust und Gretchen haben aber nicht um ihre Liebe zu kämpfen, weil sich die Familien und die absolutistische Herrschaft gegen eine Vereinigung der Liebenden sträuben, sondern ihr Problem liegt vor allen Dingen in der Koppelung mit der Gelehrtentragödie. Die Liebe der beiden spielt sich auf unterschiedlichen Ebenen ab. Faust ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt und der Wette zwischen ihm und dem Teufel, wird zudem von diesem negativ beeinflusst und kann sich somit gar nicht auf tiefergehende Gefühle für Gretchen einlassen. Sie wird Opfer eines teuflischen Spiels, verliert ihr Herz und die Kontrolle vollkommen an Faust. Der Untergang der Liebenden in den beiden Werken ist somit auch unterschiedlich. Während Luise und Ferdinand von Intrigen getrieben gemeinsam untergehen, aber dennoch in Liebe zusammen sterben, wird in Fausts Gretchentragödie der Untergang der weiblichen Protagonistin problematisiert. Sie verliert in dem Werk alles durch ihren Geliebten, die Beziehung zerstört ihr Leben samt des Lebens ihrer Familie. Allerdings werden sowohl Luise als auch Gretchen als sehr tugendhaft und unschuldig dargestellt. Diese Eigenschaft führt in beiden Fällen auch dazu bei, dass die Liebe zur vollkommenen Zerstörung der Figur führt. Luise wird wegen ihrer Moralvorstellung daran gehindert, ihren Geliebten von den Intrigen des Präsidenten zu unterrichten. Gretchen vermutet wegen ihrer eigenen Unschuld nichts Böses, hat eine Abneigung gegen Mephistopheles, doch Faust weist sie keine Schuld zu. Durch ihre Schwangerschaft ist sie dazu an Faust gebunden; er müsste sie heiraten, damit sie in der Gesellschaft überhaupt noch akzeptiert wird.

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natürlich auch in der Klassik eine Rolle, diese sollen aber mit dem Verstand gekoppelt werden, so wie Faust es zeigt. Seine Handlungen werden nicht durch Gefühle geleitet. Im Gegensatz zu Ferdinands leidenschaftlichem Verhalten werden bei Faust die sexuellen Triebe deutlicher thematisiert. Das zeigt, dass er eher kühl und rational handelt und sich durch diese nicht von seinem Ziel ablenken lässt.

In beiden Werken werden moralisch verwerfliche Handlungen angespielt. In

Kabale und Liebe gehen diese von Ferdinands Vater aus, also von einem

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Fazit

Abschließend kann festgehalten werden, dass die Einschätzungen der betrachteten Forschungsliteratur bei der Einordnung der Werke in die Epochen bestätigt werden konnten. Ursprünglich sollten Protagonisten aus verschiedenen Epochen verglichen werden. Während der Arbeit am Aufsatz stellte sich jedoch heraus, dass die Figur Gretchen Züge des Sturm und Drangs aufzeigt und nicht unbedingt als klassisch bezeichnet werden kann. Dies hängt damit zusammen, dass Faust ein Lebenswerk Goethes war und er zu verschiedenen Zeiten an dem Werk arbeitete; die Gretchentragödie entstand demnach bereits früher als der Rest des Werkes. Es stellte sich aber als nicht so problematisch dar, wie zunächst angenommen, dass die Protagonistinnen der gleichen Epoche zugeordnet werden können. Denn besonders im 18. Jahrhundert machte der Umgang mit dem Thema Liebe enorme Entwicklungssprünge, besonders auch das Verständnis und die sozialen Werte von Ehe. Somit war es bei der Untersuchung der Dramen besonders interessant nach Unterschieden über die Auffassung von Liebe der Protagonistinnen zu suchen, da beide nicht nur wegen ihrer Charaktere derselben Epoche zugeordnet werden können, sondern die Figuren zudem wegen ihrer Liebe untergehen.

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interessante Aspekte zu dem fokussierten Thema Liebe erforscht werden. Bei

Faust könnte z.B. untersucht werden, inwieweit die Entwicklung der Vorstellung

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Literaturverzeichnis

Primärliteratur

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Sekundärliteratur

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Selbmann, Rolf: Deutsche Klassik. KulturKompakt. Stuttgart: UTB 2005.

Schmidt, Jochen: Goethes Faust: erster und zweiter Teil. Grundlagen, Werk,

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Schwander, Hans-Peter: Alles um Liebe?: zur Position Goethes im modernen

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Völkl, Bernd: Lektüreschlüssel. Friedrich Schiller. Kabale und Liebe. Stuttgart: Reclam 2003.

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Internetquellen

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http://www.literaturwelt.com/epochen/sturm.html (eingesehen am 20.11.2009) Pohl, Wolfgang: Homepage von Wolfgang Pohl, URL:

References

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