• No results found

Sprachgebrauch im deutschen Kolonialismus: Zur Konstruktion des Anderen in den Verhandlungen der Deutschen Kolonialkongresse 1902-1924

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "Sprachgebrauch im deutschen Kolonialismus: Zur Konstruktion des Anderen in den Verhandlungen der Deutschen Kolonialkongresse 1902-1924"

Copied!
33
0
0

Loading.... (view fulltext now)

Full text

(1)

1

Sprachgebrauch im deutschen Kolonialismus

Zur Konstruktion des Anderen in den Verhandlungen der Deutschen Kolonialkongresse 1902-1924 Lukus Fondin

Institutionen för slaviska och baltiska språk, finska, nederländska och tyska Tyska, Kandidatkurs, Examensarbete 15 hp

Vårterminen 2020

Handledare: Susanne Tienken

English title: Language use in German colonialism – The construction of ‘others’

in the transcripts of the German Colonial Congresses 1902-1924

(2)

2

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung und Fragestellung ... 4

1.1 Gegenstand der Untersuchung ... 4

1.1.1 Was für eine Sprache, wann und wo? ... 4

1.1.2 Das Feld des Kolonialismus ... 5

1.2 Fragestellung ... 5

2 Material und Methode ... 6

2.1 Das Material ... 6

2.1.1 Begrenzung des Materiales ... 7

2.2 Methode: Der Diskurshistorische Ansatz ... 9

2.2.1 Applikation der Methode ... 10

3 Hintergründe ... 11

3.1 Forschung ... 11

3.2 Kurzer geschichtlicher Überblick ... 13

3.2.1 Frühe Beispiele ... 13

3.2.2 Deutscher Kolonialismus ... 14

3.2.3 Verschiedene Typen der deutschen Kolonien ... 15

4 Analyse ... 16

4.1 1902 ... 16

4.1.1 Einführung ... 16

4.1.2 Die Vorbemerkung und Die Eröffnungsrede ... 16

4.1.3 Die Resolutionen und ihre Diskussionen ... 18

4.1.4 Interessante Bemerkung ... 19

4.2 1905 ... 20

4.2.1 Einführung ... 20

4.2.2 Die Eröffnungsrede ... 20

4.2.3 Die Resolutionen und ihre Debatten ... 21

4.3 1910 ... 22

4.3.1 Einführung ... 22

4.3.2 Die Eröffnungsrede ... 22

4.3.3 Die Resolutionen ... 23

4.4 1924 ... 23

4.4.1 Einführung ... 23

4.4.2 Das Vorwort ... 24

4.4.3 Die Eröffnungsrede ... 24

5 Schlussfolgerungen ... 26

5.1 Zurück zur Fragestellung ... 26

5.1.1 Objekte der Äußerungen (Nomination) ... 26

(3)

3

5.1.2 Charakteristika (Prädikation) ... 27

5.1.3 Zuschreibungen von Unterlegenheit ... 29

5.1.4 Kurz über Argumente und Enthistorisierung (Argumente) ... 29

5.2 Zusammenfassung ... 30

Quellen- und Literaturverzeichnis ... 31

Quellen ... 31

Literatur ... 32

(4)

4

1 Einleitung und Fragestellung

Die Verwendung der Sprache passiert oft mehr oder weniger unbewusst, zumindest ohne tiefgehenden Denkprozess. Aber nicht immer. Beim Erlernen einer Sprache werden die Unterschiede zwischen u.a. Wörtern, Bedeutungen und Variationen aufgemerkt. Gelten ‚anfangen’ und ‚beginnen’ als echte Synonyme, oder befinden sie sich auf verschiedenen Stilebenen? Werden Soda oder Pop gebraucht, wenn an der nordamerikanischen Westküste ein kohlensäurehaltiges gesüßtes Getränk gemeint ist?1 Aber nicht nur unter Lernenden kann Sprache untersucht werden. Sprachgebrauch kann Klassenzugehörigkeit signalisieren, Alter andeuten, sogar Geschlecht anzeigen. Er kann tatsächlich ein mächtiges Instrument sein. Auch wenn es unbewusst geschieht, trägt die Sprache starke Mittel.

1.1 Gegenstand der Untersuchung

Sprache wird also zum Gegenstand ausgewählt. Nicht der bewusste Sprachgebrauch mit dem Zweck, etwas Spezielles auszudrücken oder eine Stellung zu beziehen, sondern der unbewusste Sprachgebrauch, der vielmehr wie ein Spiegel funktioniert, in dem Strukturen und Gedanken reflektiert werden.

1.1.1 Was für eine Sprache, wann und wo?

Die leichte Formulierung der oben erwähnten Präsentation zeigt, dass Sprache ein weites Feld sein kann, und führt zu einem Bedarf genauerer Festlegung des Gegenstands.

Der Zeitraum um die Jahrhundertwende wird für diese Arbeit gewählt, weil eine Stärkung des Nationalismus in Europa begann, und die Idee des Nationalstaats größer wurde. Diese nationalistischen Gedanken eines vereinten Volks mit eigenen Besonderheiten, die in einem Nationalstaat gefördert wurden, waren früher unbekannt, da sie während der Modernisierung des 18. Jahrhunderts entstanden.2 Mit dem Konzept eines einheitlichen Volks wird auch das Wahrnehmen der Anderen, ein ‚Wir-und-sie’-

1Appalachian Magazine-Redaktion (2017) „Map explains why you say ‘pop’, ‘soda’, or ‘coke’“.

URL: http://appalachianmagazine.com/2017/10/27/map-explains-why-you-say-pop-soda-or-coke/ [Stand: 17.

Mai 2020].

2 Ben-Ami, Schlomo (2000). Introduction in: Ben-Ami, S., Peled, Y. & Spektorowski, A. (red.) (2000). Ethnic challenges to the modern nation state. Basingstoke: Macmillan. S.2.

(5)

5

Denken, introduziert, und diese Auffassung des Fremden und Bekannten wird mein hauptsächliches Objekt des Interesses.

Somit haben wir geklärt wann die Sprache verwendet wird und später werden die Fragestellung und das Material präsentiert, aber zuerst wird der Bereich der untersuchten Sprache festgestellt.

1.1.2 Das Feld des Kolonialismus

Um die Jahrhundertwende befand sich Deutschland in der Mitte des europäischen Kontinents als neulich vereintes Reich und seitdem wird die Geschichte Europas geprägt, so auch im Bereich des Kolonialismus. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern, insbesondere bereits Kolonialmächten, wurde die Kolonialfrage spät bearbeitet und 1884 wurden die ersten Kolonien erworben, und der imperialistische Kolonialismus stellte sich später als besonderes mühsam für die deutsche Kolonien heraus.3

Die Kongresse der Deutschen Kolonialgesellschaft werden als Gegenstand der Untersuchung gewählt, wegen ihrer zahlreichen Möglichkeiten für Äußerungen über Denkmuster, die die Deutschen von Fremden hatten.

1.2 Fragestellung

In dieser Arbeit stehen Äußerungen im kolonialen Diskurs der Deutschen Kolonialgesellschaft in Zentrum, die zur Stärkung der Vorstellungen der ‚Anderen’

beitragen, indem entweder sie oder die ‚Eigenen’ definiert werden. Nicht nur Wörter werden bewertet, sondern auch Argumentationen und Muster. Zu diesem Zweck werden diese drei Fragen gestellt:

1. Welche sind die Objekte der Äußerungen und wie werden sie benannt?

2. Welche Eigenschaften und charakteristische Eigenheiten werden ihnen zugeschrieben?

3. Welche Zeichen der Vorstellung der Überlegenheit und Unterlegenheit gibt es zu finden?

Eine andere Frage, die zu der Untersuchung addiert werden könnte, wäre die Frage der Argumente, d.h. welche Argumente gebraucht werden, die Äußerungen zu legitimieren,

3 Reinhard, Wolfgang (2011). A short history of colonialism. Manchester: Manchester University Press.

S.197-213.

(6)

6

aber, weil ich mich auf die unbewusste Sprache als Spiegel der Vorstellungen fokussiere, fällt diese Frage weg, da sie ein Bewusstsein insinuiert.

Beim Versuch, die obengenannten Fragen zu beantworten, wird der Aufsatz folgendermaßen aufgeteilt: Zuerst wird das Material tiefer introduziert, wie auch problematisiert, danach folgt der diskurshistorische Ansatz als Präsentation der Methode. Was dort bemerkt wird, ist die Relevanz der Einbeziehung von historischem Kontext und damit wird eine introduzierende Aufführung der theoretischen und historischen Hintergründe vorgekommen, bevor der Hauptteil mit seinen Analysen folgt.

2 Material und Methode

Nachdem der Bereich und die Fragestellung vorgestellt wurden, können als nächstes das Material und die Methode introduziert werden. Ich habe ein sehr großes Material gefunden, was im Rahmen des Aufsatzes eine Auswahl erfordert.

2.1 Das Material

Was ich gewählt habe, sind die Transkriptionen der vier Kongresse in der Regie der Deutschen Kolonialgesellschaft. Durch eine Fusion des vorherigen Deutschen Kolonialvereins (der 1882 entstanden war) und der vorherigen Gesellschaft für Deutsche Kolonisation (die 1884 entstanden war) wurde die Deutsche Kolonialgesellschaft kreiert4, deren Mitglieder verschiedene Vereine, Gesellschaften und Institute, o.Ä. waren, die ihre Interessensphäre in den Kolonien hatten5. Es war im Jahr 1902, als die damals ungefähr 50 Mitglieder zu einem nationalen Kongress eingeladen wurden. In der Vorbemerkung der Verhandlungen 1902 steht:

„Dieser Kongress sollte die in Deutschland getrennt auftretenden kolonialen und überseeischen Bestrebungen in einer gemeinsamen Tagung vereinigen und dadurch den kolonialen und

4 Schmokel, Wolfe W. (1964). Dream of empire: German colonialism, 1919-1945. New Haven: Yale Univ.

Press. S.1.

5 Deutscher Kolonialkongreß (1903) Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1902 zu Berlin am 10. und 11. Oktober 1902. Berlin: Verlag von Dietrich Reimer (Ernst Vohsen) S.3-5.

(7)

7

Überseegedanken im deutschen Volke, wie es in jenem Anschreiben wörtlich hiess, vertiefen und den geistigen und wirtschaftlichen Zusammenschluss der Deutschen auf der Erde fördern.“6.

Die Deutsche Kolonialgesellschaft war also eine Lobbygruppe, die während ein paar Tagen zusammentrat, um Resolutionen über Wünsche und Empfehlungen zu erstellen, wie man mit den Kolonien umgeht. Dieser erste Kongress fand am 10. und 11. Oktober 1902 statt – die übrigen Kongresse vom 5. bis 7. Oktober 1905, vom 6. bis 8. Oktober 1910, samt 17. und 18. September 1924. Die Teilnehmer dieser Kongresse wurden auch immer mehr; von 50, bis 70 und mit der größten Gruppe von 126 Teilnehmer 19107.

Im Verlauf dieser Kongresse wurden die Teilnehmer in verschieden Sektionen eingeteilt, in welchen verschiedene Felder diskutiert wurden. Die Sektionen konnten beispielsweise Tropenmedizin und Tropenhygiene, religiöse und kulturelle Verhältnisse oder Geographie, Ethnologie und Naturkunde sein. Im Lauf des Tages wurden Vorträge mit nachfolgenden Diskussionen gehalten, und am Ende des Kongresses kamen so die Resolutionen. Die geschäftliche Erledigung ging so vor sich, dass man eine Verlesung der Resolution hatte, in der Fassung wie sie deklariert worden war, und sie danach zur Abstimmung gestellt wurde, wo sie durch stillschweigende Zustimmung angenommen wurde. Wenn es keine stillschweigende Zustimmung gab, erhob sich eine Debatte darüber, nach deren Abschluss die Resolution in ihrer ursprünglichen Form, oder mit kleinen Veränderungen oder Amendements, von der Versammlung akzeptiert werden konnte.

Die Verhandlungen davon, d.h. sowohl die übermittelten schriftlichen Vorträge, Reden und Resolutionen, als auch die spontanen Debatten, wurden nach den Kongressen in verfügbaren Bänden publiziert. Diese Bücher enthalten insgesamt ungefähr 4000 Seiten und sind für meine Arbeite viel zu umfassend, sodass zunächst meine Auswahl diesbezüglich erklärt wird. Ich benutze etwas, das an Judgment Sampling erinnert8, da meine Ausschnitte mit Hilfe meines Wissens über das Material ausgewählt werden.

2.1.1 Begrenzung des Materiales

Die Verhandlungen der Kongresse sind also in großem Teil bereits geschriebene Texte, die zur Redaktion übergegeben wurden. Diese hatten die Möglichkeit bei der

6 Deutscher Kolonialkongreß (1903) S.V.

7 Deutscher Kolonialkongreß (1910) Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1910 zu Berlin am 6., 7. Und 8. Oktober 1910. Berlin: Verlag von Dietrich Reimer (Ernst Vohsen) S.LXXXVII.

8 McIntyre, Lisa J. (2005). Need to know: social science research methods. Boston: McGraw-Hill. S.105-106.

(8)

8

vorbereitenden Erstellung des Dokuments korrigiert zu werden, so dass eine neutrale Sprache verwendet wurde, mit wenig zeitgenössischer Unangemessenheit, bzw. mit weniger ‚politisch inkorrektem’ Sprachgebrauch. Wir können dieses Phänomen, die Sprache zu verfeinern, mögliche Selbstzensur nennen.

Was nicht bereits geschriebene selbstzensierte Texte sind, sind die Debatten. Sie sind entweder schriftliche Niederlegungen des Gesagten, oder ein nachträglicher Versuch von der Redaktion eine Niederschrift zu erlangen. Dies bedeutet, dass ohne Tonaufnahme oder audiovisuelle Aufzeichnung eine exakte Protokollführung fast unmöglich ist.

Es liegen so zwei Herausforderungen im Material: Die Selbstzensur und die unerwünschten, aber häufigen, Auslassungen der gesprochenen Sprache. Beim Lesen der Verhandlungen, empfinde ich diese Herausforderungen aber nicht als allzu problematisch. Die Sprache der Resolutionstexte ist zwar auf einem höheren und offiziellen Niveau, aber es kommen Wörter vor, insbesondere in den Diskussionen, die damals unprovokativ waren, aber heute provokativ sind. Ein Paradebeispiel dafür ist das Wort „Bantuneger“9.

Außerdem habe ich vor, den Sprachgebrauch zu untersuchen, und nicht nach bestimmten Wörtern oder Ausdrücken zu suchen.

Als nächstes haben wir den Umfang: Ungefähr 4000 Seiten sind viel zu umfangreich für meine Arbeit und deshalb fokussiere ich mich auf:

• Die Vorworte der Verhandlungen, plus eine Vorbemerkung.

• Die Eröffnungsreden vom Präsidenten der Deutschen Kolonialgesellschaft.10

• Die Beschlussfassungen und Abstimmungen über die Resolutionen, außer 1924, wo es keine Resolutionen gab, weil Deutschland damals seine Kolonien verloren hatte.

Dies ist meine Auswahl, weil die Resolutionen als Zusammenfassungen der Vorträge der Sektionen angesehen werden können, und, weil die Eröffnungsreden ein motivierendes Profil haben und eine interessante Entwicklung im Lauf der Zeit zeigen. Diese Entwicklung präsentiere ich später in meiner Arbeit. Im nächsten Teil stelle ich vor, wie ich mein Material untersuche.

9 Deutscher Kolonialkongreß (1903) S.833.

10 1902, 1905 und 1910 der Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg und 1924 der Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg.

(9)

9

2.2 Methode: Der Diskurshistorische Ansatz

Es muss klargestellt werden, dass ins Zentrum dieses Aufsatzes die Sprache als Spiegel der bereits existierenden Vorstellungen platziert wird. Die Begriffe Nationalismus und Rassenideologie sind zwar relevante Themen, die eine eigenständige Arbeit verdienen, werden aber hier als Hintergrund dieser Vorstellungen wirken. Die Ideen erscheinen durch die Sprache und laut Köhler und Wodak erfahren wir relevante Informationen über die immanenten Ideologien und Einstellungen.11 Da ich die Texte lesen und untersuchen werde, statt nach bestimmten Wörtern zu suchen, trägt meine Arbeit Merkmale des Diskurshistorischen Ansatzes. Ich werde das Material bearbeiten. Einfach

„to see what can be discovered in and from them, rather than selecting problems and data on the basis of some theoretical-specified agenda”12 wie Hester und Eglin im ersten Kapitel des Buchs Culture in Action beschreiben. Ich habe mich vor, ein Close Reading zu machen und erst danach die Eigenschaften zu kategorisieren.

Innerhalb meines Ansatzes folgen drei Stufen. Zuerst muss das spezifische Thema mit seinen ausgrenzenden Benennungen erklärt werden, was wir oben sehen konnten, und als nächstes werden die diskursiven Strategien examiniert. In einer Analyse der Fremdenkonstruktion stehen einige zur Auswahl, von denen zwei besonders für meine Arbeit passen. Die Strategien sind sowie so mit meiner Fragestellung verknüpft.

Da ist die der Nomination, in welcher Innengruppen und Andere kreiert werden, durch beispielsweise Generalisierungen. Die diskursive Konstruktion wird dadurch untersucht, d.h. Konstruktion der sozialen Akteure, diskursive Konstruktion der Ereignisse bzw. Konstruktion der Geschehen und Prozesse.13

Es gibt auch die Strategie der Prädikation, die kennzeichnet, dass die Beteiligten mit positiven oder negativen Attributen, Bewertungen und/oder Stereotypen beschrieben werden. Hier wird den konstruierten Akteuren, Geschehen, etc., mithilfe diskursiver Konstruktion Charakteristika zugeschrieben.

Wir haben keine komplette Entfernung der Strategie der Argumentation, in welcher die Gruppen, ihre Attribute und die Geschehen, gerechtfertigt werden. Diese

11 Wodak, Ruth & Kohler, Katharina (2010). Wer oder was ist ”fremd”? Diskurshistorische Analyse fremdfeindlicher Rhetorik in Österreich. SWS-Rundschau, 50(1). 33-55. S.37.

12 Hester, Stephen & Eglin, Peter (1997) Membership Categorization Analysis: An Introduction. in: Hester, S. & Eglin, P. (red.). Culture in action: studies in membership categorization analysis. Washington, D.C.:

University Press of America & International Institute for Ethnomethodology and Conversation Analysis.

S.1.

13 Reisigl, Martin (2017) The Discourse-Historical Approach in: Flowerdew, John & Richardson, John E. The Routledge handbook of critical discourse studies. Routledge, London, 2018. S. 51-55

(10)

10

Strategie steht aber im Hintergrund als bereits existierenden Fakten, wenn der Kongress etwas äußert, und mein Fokus ist hauptsächlich auf Nomination und Prädikation gerichtet, obwohl es dort auch Argumentation gibt. Letztlich, nach einer Präsentation des Kontextes, wird die dritte Stufe folgen, in der die Zuschreibungen erscheinen, indem die kontextuellen Äußerungen untersucht werden.14

Wenn ich die Texte durchlese/untersuche, habe ich deshalb keine vorbereiteten Kategorien oder Gruppen, in die ich einordnen möchte, sondern ich analysiere die Darstellung des ‚Eigenen und Anderen’: ‚wir und sie’. Ich interessiere mich nicht dafür, was als ‚richtig/gut’ oder ‚falsch/böse’ bewertet wird, sondern untersuche die Wörter und Ausdrücke, so dass sie später analysiert können werden. Die österreichische Linguistin Ruth Wodak zeigt in ihrem Buch Methods of Critical Discourse Analysis, die Bedeutung eines neutralen Blickwinkels15 und, dass viele Felder der linguistischen Aktion mit dem Begriff Diskurs vorkommen, d.h. mehr als nur Texte:

”Discourse can thus be understood as a complex bundle of simultaneous and sequential interrelated linguistic acts, which manifest themselves within and across the social fields of action as thematically interrelated semiotic, oral or written tokens, very often as ’texts’, that belong to specific semiotic types, that is genres”16

Obwohl Texte als beständige Produkte der linguistischen Aktion gelten17, sind meine mündlichen Äußerungen nur in geschriebener Form, da sie als rechtgeschriebene Texten zur Kongressredaktion eingereicht wurden. Wegen der Auslassung der Kommentare für beispielsweise Ton und Emotion in den Transkriptionen der Kongresse, außer einigem Beifall oder Gebrauchsanweisungen, werden die Texte als

‚neutral’ gesehen, obwohl sie in Wirklichkeit versuchen, eine gesprochene Sprache zu repräsentieren.

2.2.1 Applikation der Methode

Das Material, d.h. die einleitenden Vorworte und die Eröffnungsrede, als auch die zusammenfassenden Resolutionen mit eventuellen Diskussionen, wird gründlich in meinem Close Reading analysiert. Dies nicht nur, weil mein Material in keiner

14 Wodak, Ruth (2001) The Discourse-Historical Approach, in: Wodak, R. & Meyer, M. Methods of critical discourse analysis. London: SAGE. S 72-73.

15 Wodak, Ruth (2001) S.63-65.

16 Wodak, Ruth (2001) S.65-67.

17 Wodak, Ruth (2001) S.65-67.

(11)

11

elektronisch lesbaren Form existiert, sondern auch, weil Andeutungen inkludiert werden, anstatt nur ‚Schwarz-auf-Weiß’ Wörter wie ‚Eingeborenen’ o.Ä. Wertende Wörter werden auch untersucht, welche Adjektive in Bezug auf die verschiedenen Gruppen gebraucht werden, oder, welche Beschreibungen vorhanden sind.

Es wird nicht nur auf die besonderen Tokens fokussiert, sondern auch eine Entwicklung der Dokumente von den vier verschiedenen Kongressen aufgezeigt. Als Hilfe sollen zugängliche Verständnisse der historischen Geschehen präsentiert werden, um die Umstände zu verstehen.18 Michael Meyer meint: “One important characteristic arises from the assumption of CDA that all discourses are historical and can therefore only be understood reference to their context”19. Mit diesem Zitat meine ich, dass wir die historischen Aspekte verstehen müssen. Hester und Eglin betonen auch die Wichtigkeit des Kontextes20, obwohl eher die Sprache als Spiegel der Auffassungen analysiert wird, als die Sprache als Mittel der Schöpfung. Die historischen Aspekte folgen aber im nächsten Teil, zunächst wird aber eine andere Forschung präsentiert.

3 Hintergründe

3.1 Forschung

Im Themenfeld des Kolonialismus wird oft die Rolle der Sprache übersehen. Das Feld wird oft hinsichtlich des Bereichs der Kultur, Geschichte oder anderer sozialwissenschaftlicher Themen analysiert. Die Bedeutung des Sprachgebrauchs wird dann versäumt, denn die Sprache wird als ein Vermittler des Inhalts gesehen, anstatt als Inhalt selbst. Im Sammelband Deutsche Sprache und Kolonialismus – Aspekte der nationalen Kommunikation 1884-1919, von Ingo H. Warnke herausgegeben, wurden zwölf Kapitel inkludiert, in denen die Rolle der Sprache untersucht wurde. Im ersten Kapitel schreibt der Herausgeber Warnke selbst über die Möglichkeiten der Sprache:

18 Wodak, Ruth (2001) S.63-65

19 Meyer, Michael (2001) Between Theory, Method, and Politics: Positioning of the Approaches to CDA . in:

Wodak, R. & Meyer, M. Methods of critical discourse analysis. London: SAGE. S.14-17.

20 Hester, Stephen & Eglin, Peter (1997) S.11.

(12)

12

„Nun ist den meisten literaturwissenschaftlichen Ansätzen und kulturwissenschaftlichen Arbeiten eine vorgängige Marginalisierung des Sprachlichen eigen. Sprache wird fast ausnahmslos als ein Medium verstanden, in dem literarische oder wie immer geartete Konzepte transportiert werden. Das Medium ist hier weit weniger interessant als die ‚verpackte Mitteilung’. Man nimmt dabei häufig unbegründet an, dass Sprache lediglich eine Form der Verständigung ist.“ 21

Weiter wird Sprache eher als eine Rolle der Identitätsträger und -schöpfer als als Identitätsvermittler erklärt. Warnke fährt fort: „Sprache ist fraglos ein Medium der Kommunikation, aber weit mehr eine Bedingung für die Bildung von Vorstellungen, Wünschen, Imaginationen, Erfahrungen, Konzepten usw.“22. Diese Identität wird also durch Sprache kreiert. Die Frage bleibt aber, woraus die Identität besteht. In der Frage des Kolonialismus, und hauptsächlich hier in meiner Arbeit, wird die Konstruktion von

‚Eigenem und Fremdem’, von ‚wir und sie’, aus Sicht der Kolonierenden durchgesucht. In diesem Fall: Der Deutsche Kolonialkongress. Die Idee, die ‚Anderen’ als ‚uns unterlegen’

anzusehen, kann durch die Behauptung der Überlegenheit geschehen.

Es ist hier wenig wichtig, ob die Behauptung bewusst oder unbewusst ist, weil der Sprachgebrauch immer noch da ist und eher Korrelation als Kausalität vorliegt. Auch dieser Idee stimmt Warnke zu, weil „Aussagen [...] nicht als Schöpfung verstanden [werden] –, sondern als Ereignis in einem Feld von Diskursbedingungen“.23

Dass das Eigene als besser und überlegen angesehen wird, hat Schuld verschiedene Ursachen. Ein Grund ist, dass die Verwendung der Farben und ihrer Symbolik im Christentum den Blick vereinfacht, dass die überseeischen, schwarzen Menschen mit teuflischen Wesen verglichen werden, weil die weißen Deutschen mit Himmel und Paradies verglichen werden können. Ein anderer Grund ist, dass mittels Soziodarwinismus, die Überlegenheit der Deutschen durch Unterdrückung der autochthonen Volksgruppen gezeigt werden kann. Inken Gesine Waßmuth meint, dass das ‚Überleben des Stärkeren’ beweisen wurde, indem die Afrikaner mithilfe eines wissenschaftlichen Verfahrens unter den Gesichtspunkten der Anatomie minder bewertet wurden.24

21 Warnke, Ingo H. (2008). Deutsche Sprache und Kolonialismus – Umrisse eines Forschungsfeldes. In:

Warnke, I. (red.) Deutsche Sprache und Kolonialismus: Aspekte der nationalen Kommunikation zwischen 1884-1919. Berlin: Walter De Gruyter. S.32.

22 Warnke, Ingo H. (2008) S.34.

23 Warnke, Ingo H. (2008) S.41-42.

24 Waßmuth, Inken Gesine (2008) Afrikaner als Produkt kolonisatorischen Sprechens in ’Kolonie und Heimat’. In: Warnke, I. (red.) Deutsche sprache und Kolonialismus: Aspekte der nationalen Kommunikation zwischen 1884-1919. Berlin: Walter De Gruyter. S. 317.

(13)

13

Was auch zur Vorstellung der Überlegenheit beitragen kann, ist das Phänomen der Enthistorisierung, dass eine eigene Sichtweise auf die Geschichte verbreitet wird, indem man von Fakten nach Narration ausgeht. Ausgehend von Moses und Knutsen in Ways of Knowing werden zwei Verfahren der Narration präsentiert: Die romantische Narration, die Triumphe zelebriert und auf Fortschritte fokussiert, und die tragische Narration, die auf Fortschritte und Triumphe fokussiert, die möglich waren, jedoch fehlschlugen.25

Schließlich können wir bemerken, dass eine Fremdenkonstruktion nicht immer zwangsläufig negativ gerichtet wird. Beispielsweise kann eine romantische Narration gebraucht werden, eine Exotisierung insinuieren. Uta Schaffers meint in An-Ordnungen:

„Letztlich ist es jedoch erst die Konstruktion einer antipodische Anordnung zwischen dem ‚Eigenen' und dem ‚Anderen’, der damit als radikal ‚Fremder’ in eine weite Distanz versetz wird“26, und weiter, dass es sowohl zur Ausgrenzung als auch zur positiven Exotisierung und Zuneigung führen kann.27

Bevor die Transkriptionen analysiert werden können, muss aber erst der Hintergrund verstanden werden. Wie im Methodenkapitel präsentiert, werden historische Geschehen integriert, um die Umstände besser verstehen zu können28. Zunächst folgt kurz eine kleine Geschichte des deutschen Kolonialismus.

3.2 Kurzer geschichtlicher Überblick

3.2.1 Frühe Beispiele

Jürgen Osterhammel meint in seinem Buch Kolonialismus, übergesetzt von Shelley L.

Frisch, dass sechs Formen der Kolonisierung existieren. Ganz gleich welche man näher analysiert, können alle sechs Formen als „the notion of expansion of a society beyond its original habitat“29 zusammengefasst werden. Damit hat Deutschland viele Erfahrungen.

25 Moses, Jonathon W. & Knutsen, Torbjørn L. (2007). Ways of knowing: competing methodologies in social and political research. Basingstoke: Palgrave Macmillan. S.207-208.

26 Schaffers, Uta (2008) An-Ordnungen – Formen und Funktionen der Konstruktion von Fremde im kolonialen Afrika-Diskurs In: Warnke, I. (red.) Deutsche Sprache und Kolonialismus: Aspekt eder nationalen Kommunikation zwischen 1884-1919. Berlin: Walter De Gruyter. S. 147

27 Schaffers, Uta (2008) S.153-154.

28 Wodak, Ruth (2001) S.63-65.

29 Osterhammel, Jürgen (2004). Colonialism: a theoretical overview. (2nd Markus Wiener Publishers ed.) Princeton, NJ: Markus Wiener Publishers. S.4.

(14)

14

Die Gründung Lübecks geschah zwischen 1143-1159 30, folglich handelte die Hanse seitdem mit anderen Ländern in der Ostsee und anderen Seen31, und die Nutzung und Erkundigung des Orinoco-Flusses in Südamerika, wo die Brüder Welser von Augsburg von 1528 bis 1545 ein Stück Land, das sogenannte ‚Klein-Venedig’ von Karl V. als Pfand erhielten32, können beide als Beispiele dienen. Laut Sebastian Conrad beginnen historische Berichte und Darstellungen der deutschen Erfahrungen mit Kolonialismus oft früh, so dass eine lange Tradition der deutschen Expansion gezeigt werden kann33. Der imperialistische deutsche Kolonialismus kam aber später.

3.2.2 Deutscher Kolonialismus

Eine frühe Teilnahme am Kolonialismus war kaum möglich, da Deutschland nicht vor 1871 als Nation vereint wurde. Zu Beginn existierte das Interesse an Kolonien kaum.

Diese Fragen wurden den anderen europäischen Ländern überlassen, so dass die inneren Angelegenheiten in den Fokus gestellt wurden und sogar der Kanzler hatte selbst gesagt: „So lange ich Reichskanzler bin, treiben wir keine Kolonialpolitik.“34 Die koloniale Idee wurde auch nicht breit in der Öffentlichkeit diskutiert. Die kolonialen Gesellschaften wuchsen langsam und Wolfe Schmokel behauptet, dass weder das Gefühl des Imperialismus noch das Verständnis des Kolonialismus unter dem gemeinen Volk verbreitet waren.35 In Europa gab es jedoch einen weitverbreiteten Traum Kolonien zu besitzen, und andere Länder wollten ihr ‚eigenes Indien’ finden36, so wurde Bismarcks Ansicht wurde bald verändert, auch wenn er bloß meinte, dass dies Deutschland die Versorgung mit Rohstoffen garantieren würde.37

Die ersten Kolonien wurden 1884/1885, während der Berliner Konferenz, die später „die Kongokonferenz“ genannt wurde, erworben. Wegen des Endes des ersten Weltkriegs, dauerte die deutsche Zeit als Kolonialmacht nur etwa 30 Jahre. Während

30 Dollinger, Philippe et al. (1999[1970]) Emergence of international business 1200-1800. Vol. 1. London:

Routledge. S.xi.

31 Dollinger, Philippe et al. (1999[1970]). S.86,282-283.

32 Herwig, H.H. (1986). Germany's vision of empire in Venezuela, 1871-1914. Princeton, N.J.: Princeton Univ. Press. S.17-20, 55.

33 Conrad, Sebastian. (2012). German colonialism: a short history. Cambridge: Cambridge University Press) S.15.

34 von Poschinger, Heinrich (1896). Fürst Bismarck und die Parlamentarier Bd. III 1879-1890. Breslau:

Verlag von Eduard Trewendt. S.54.

35 Schmokel, Wolfe W. (1964)S.1-2.

36 Reinhard, Wolfgang (2011) S.148.

37 Conrad, Sebastian (2012) S.21-27.

(15)

15

andere Länder, wie Spanien und Frankreich, mehrere ihrer Kolonien im gleichen geographischen Platz hatten, waren die deutschen Kolonien verstreut. Die ersten afrikanischen Kolonien - Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Kamerun und Togoland (heute Tansania, Namibia, Kamerun und Togo) - grenzten nicht aneinander.

3.2.3 Verschiedene Typen der deutschen Kolonien

Mit Hilfe von Osterhammels sechs Formen der Kolonisierung lassen sich drei Typen der Kolonien kategorisieren.38

Der erste Typ sind Gebiete, deren Rohstoffe abgeholt wurden, entweder durch Zwang des kolonisierenden Reichs, oder, indem das Reich Handelsmonopole erhielt. Die Kolonie wurde oft durch militärische Handlung übernommen, und danach mit kleiner Verwaltung kontrolliert. Dieser Typ ist vielleicht der, der von den meisten als

‚traditionelle’ Kolonie betrachtet wird. Wenn es um das Thema der Kolonialgeschichte Deutschlands geht, war Togoland ein gutes Beispiel dafür, und wurde als Musterkolonie gesehen, die keine finanzielle Unterstützung brauchte.39

Der zweite Typ ist die marine Enklave, die oft entweder ein Handelsmarkt oder ein Marinestützpunkt ist. Hier haben wir die Beispiele Kiautschou oder Samoa, aber die letzte war wirtschaftsmäßig keine wichtige Kolonie.40 Interessanterweise scheinen diese Typen der Kolonien die langlebigsten zu sein, und im britischen Kolonialreich wurde z.B.

bis 1997 Hong Kong gemietet, während andere zum Commonwealth umgewandelt wurden.

Der dritte kann als Zufluchtsort gebraucht werden, um der Unterdrückung im Heimatland zu entkommen, wie im Fall der USA. Dies war aber nicht der Fall für Deutschland. Die Kolonien waren Gebiete, mit denen der Kolonisator die Absicht hatte, das Land zu bevölkern und das ursprüngliche Volk zu verdrängen, oder als billige Arbeitskraft zu nutzen. Besonders war bei Deutsch-Südwestafrika das Ziel der Siedlung gegeben, weil das trockene und unfruchtbare Land nur für Viehstock passte.41

Trotz geographisch getrennter Plätze und eines Zeitfensters von ungefähr 30 Jahren, hatte Deutschland mindestens eine Kolonie jedes Typs und sie wurden auf unterschiedliche Weise behandelt. Die Deutschen waren zahlenmäßig viel weniger als

38 Osterhammel, Jürgen (2004) S.3-13.

39 Conrad, Sebastian (2012) S.47-50.

40 Conrad, Sebastian (2012) S.54-62.

41 Conrad, Sebastian (2012) S.38-42.

(16)

16

die autochthonen Bevölkerungen und kurze Beamtenperioden, langgestreckte Distanzen und, dass sowohl Briefe als auch Instruktionen des Reichskolonialamts zwei Monate dauern konnten, den Gouverneur zu erreichen, als auch, dass die administrativen Aufgaben innehielten, wenn jemand Außendienst hatte, führten dazu, dass eine große Diaspora kreiert wurde.42

4 Analyse

Im Folgenden lege ich meine Analyseergebnisse dar. Die Materialauswahl der vier verschiedenen Jahre wird Stück für Stück durchgegangen. Obwohl schon ein Überblick über die Geschichte des deutschen Kolonialismus schon gegeben wurde, wird vor jedes Jahr eine weitere und sehr verkürzte Präsentation geschrieben, so dass der Text mit dem Kontext kommt, oder, so dass einige Besonderheiten des Ausschnitts verdeutlicht werden. Nach den vier Jahren wird wieder die Fragestellung angeschaut.

4.1 1902

4.1.1 Einführung

Der deutsche Kolonialkongress 1902, der erste Kongress, den die Deutsche Kolonialgesellschaft führte, fand ungefähr neun Monate nach der Idee und Einladung Ende Januar 1902 statt. Die Gesellschaft selbst war fünfzehn Jahre alt und entstand 1887 durch die Fusion der zwei vorherigen Vereine. Eine Eigenschaft dieses ersten Kongresses ist der Inhalt einer Vorbemerkung43. Jede Verhandlungstranskription hat ein Vorwort, diese erste auch eine Vorbemerkung. Sie beschreibt die Eigenschaften des Kongresses, seine Mitglieder und das Verfahren während seiner zwei Tage im Oktober.

4.1.2 Die Vorbemerkung und Die Eröffnungsrede

Die Vorbemerkung ist ein neutraler Fachtext im Großen und Ganzen, bis auf eine Formulierung innerhalb der Beschreibung der Teilnehmer: „[...]viele Kaufleute, Industrielle, Pflanzer, Auswanderungspolitiker, kurz alle, die Interesse an einem

42 Conrad, Sebastian (2012) S.69-72.

43 Deutscher Kolonialkongreß (1903) S.v-vii.

(17)

17

grösseren Deutschland in Übersee haben[...]“44. An anderen Stellen der Transkription ist der Begriff des ‚Interesses’ ungenauer und weiter gefasst. Sie schreiben über

‚Beziehungen in den Kolonien’ oder ‚überseeischen Interessensphären’. Der Kongress selbst fokussiert sich auch auf gegenseitigen Nutzen, in sowohl den verschiedenen Vorträgen als auch den Resolutionen. Weiterhin ergibt sich nach einem Durchlesen, dass die Vorstellung allgemein ist, dass Deutschland profitiert, wenn die Kolonien profitieren.

Mit den Worten ‚größeres Deutschland’ wird aber der deutsche Profit, anstatt ein gegenseitiger Nutzen, ins Zentrum gerückt.

Der Grund für diese Aussage bleibt unklar, sie könnte ein Fehler sein, oder ein Missverständnis: der Grad des Bewusstseins ist in dieser Arbeit unwichtig. Jedoch ist die Aussage interessant. Während die anderen Beschreibungen lockerer und weiterer das Wort ‚Interesse’ nutzen, sehen wir hier eine unidirektionale Richtung, in der Deutschland, durch Wachstum des eigenen Landes, der Profiteur ist.

Wie kommt nun Nomination vor, d.h.: Welche Zeichen des ‚Wir und Sie’ gibt es in der Eröffnungsrede?45 Auf den ersten Blick nicht so viele. Die Eröffnungsrede enthält Wörter der Kraft mit der Absicht, die Moral zu stärken. Diese Aussagen sind beispielswiese „kräftigen Aufschwung deutschen Geistes“, „vaterländische Wohlfahrt“

oder „angenehme Pflicht“. Ein typisches Beispiel, das den deutschen Wunsch einer höheren Weltstellung ausdrückt sehen wir im folgenden Zitat:

„Aber nicht nur unsere Schutzgebiete im engeren Sinne sollen heute den Gegenstand unserer Verhandlungen bilden. Überallhin auf der Erde, wo deutsche Interessen zu vertreten sind oder geschaffen werden können, richtet sich heute unser Blick, [...]. So umspannt das Programm unserer Tagung die gesamten Interessen des Vaterlandes jenseits der Meere. Fürwahr eine würdige Aufgabe lebensvollster Bedeutung für unsere politische wirtschaftliche und kulturelle Machtstellung in der Welt.“46

Sehnsucht nach einer „Machtstellung in der Welt“ verweist auf ein Gefühl der Behauptung des Selbstbewusstseins und der Überlegenheit.

Die Eröffnungsrede erwähnt oft die Deutschen, nur einmal die Anderen, als sie nebenbei meint, dass eine Bestrebung des Kongresses „die geistige und sittliche Hebung

44 Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg (1903) in Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1902. s.vii.

45 Deutscher Kolonialkongreß (1903) S.57-59.

46 Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg (1903) S.58.

(18)

18

der Eingeborenen“47 sein sollte. Als nächstes wird der Sprachgebrauch in den Resolutionen, den Abschlussdokumenten des Kongresses, genauer beleuchtet.

4.1.3 Die Resolutionen und ihre Diskussionen48

Während die Eröffnungsrede das Ziel, die geistliche Moral zu erwecken hatte, waren die Resolutionen Empfehlungen, einen besseren Profit von den Kolonien zu erlangen, und eine bessere Situation in den Kolonien zu haben. Hier finden wir sowohl Nomination als auch Prädikation, indem es hier deutlichere Beispiele der eigenen Überlegenheit und unerwünschter Eigenschaften der Anderen gibt.

Die zweite empfiehlt, die ursprüngliche „Bewohner geistig, sittlich und kulturell zu heben“49 durch den christlichen Charakter und wertvolle Spracharbeiten allenthalben zu verbreiten. Nicht nur hielt der Kongress die eigene Kultur für wichtiger, sondern deutet auch der Begriff ‚heben’ (anstatt eines Wortes wie ‚fördern’) auf eine niedrige Wahrnehmung der lokalen Kultur, laut meiner Meinung. In der folgenden Diskussion wurde die Wichtigkeit der christlichen Mission diskutiert, weil verlorenes Leben Blut und Zeit kostet, da „Missionäre irgendwo niedergeschlagen worden sind“50 wegen des

„Fanatismus der dortigen Mohammedaner“51. Dies wurde im Kongress als Faktum statt situationsspezifischer Eigenschaften diskutiert. Weiterhin hielt man für wahr, dass

„Kaukasier in der Fähigkeit zur Vollziehung der Denkoperationen den Bantunegern noch etwas über sind“52. Wir sehen hier die Idee der Rassenideologie. Auch Nationalismus kommt vor, da es eine Vorstellung gibt, dass unter den Europäern die Deutschen am höchsten seien: Der Kongress propagiert für eine koloniale Germanisierung anstatt einer Anglisierung, denn „in der Pädagogik sind [die] Deutschen ihnen sehr überlegen“53. Seltsam wurden die autochthonen Völker erwähnt und wenn sie angesprochen wurden, wurden sie oft negativ gesehen. Resolution 8 spricht kurz über „die Eingeborenen durch Besteuerung bezw. Heranziehung zu öffentlichen und Kulturarbeiten, [die] zur Arbeit erzogen werden“54 und in der folgenden Diskussion

47 Deutscher Kolonialkongreß (1903) S.58.

48 Deutscher Kolonialkongreß (1903) s.828-851.

49 Deutscher Kolonialkongreß (1903) s.829.

50 Professor Dr. Linck (1903) in: Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1902. S.831.

51 Dr. theol. von Schwartz (1903) in: Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1902. S.832.

52 Dr. theol. von Schwartz (1903) S.833.

53 Dr. theol. von Schwartz, DKK (1903) S.834.

54 Deutscher Kolonialkongreß (1903) S.841.

(19)

19

wurde Zwang diskutiert, denn es gibt ein „Interesse der Eingeborenen an dem Recht auf Faulheit wahrzunehmen“55. Es wurde also behauptet, dass jeder dort Lebende faul sei, nicht nur einige.

Außer in diesen zwei Resolutionen, wurden die ‚Eingeborenen’ nicht einmal erwähnt. Meistens redet der Kongress über sich selbst und seine Eigenschaften und Werte. Er benennt Deutsch als „Sprache des herrschenden Volkes“56 oder empfiehlt die Aufrechterhaltung der Verbindung der Auswanderer mit dem Mutterland. Die Verbreitung der deutschen Kultur, Sitten und Sprache wird mehrmals betont, weil man die deutsche ‚Tüchtigkeit’ für besser hielt.

4.1.4 Interessante Bemerkung

Etwas Interessantes, was in den Resolutionen 1902 gefunden wird, ist die dritte Resolution, die die Abschaffung der Sklaverei hantiert:

„Der Deutsche Kolonialkongress 1902 hält die Beseitigung der Sklaverei für eine der wichtigsten Kulturaufgaben, welche Deutschlands in seinen Kolonialgebieten harren, und er ist der Meinung, dass die Schaffung eines umfassenden Netzes von Verkehrswegen durch die Anlage von Eisenbahnen, Strassen und Brücken, sowie durch Hebung der Schiffahrt auf den Flüssen und Seen eines der geeignetsten Mittel ist, um die Sklaverei einzuschränken und schliesslich ganz aus der Welt zu schaffen.“57

Wie passt dies mit der Nomination, dass die Anderen unterlegen seien zusammen? Es hat mit den zugrundeliegenden Ursachen – der Argumentation – zu tun, etwas, das nicht deutlich im Zusammenhang mit der Resolution oder ihrer Diskussion steht, aber, was sich in meinem Close Reading findet: Ein freier Mann arbeitet härter als ein Sklave und ein freier Mann kostet weniger. Auch wollten die Deutschen einen zivilisierten Eindruck hinterlassen, obwohl die deutsche Kultur als besser bewertet wurde, und man das Christentum verbreiten wollte, da man immer noch meinte: „Die Regierung möge den Mohammedanismus möglichst zurückdrängen“.58 Eine Abschaffung der Sklaverei wurde also nicht als ein Widerspruch zur niedrigen Sichtweise des Menschen angesehen.

55 Dr. Tille (1903) in: Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1902 S.844.

56 Dr. theol. von Schwartz, (1903) S.833.

57 Deutscher Kolonialkongreß (1903) S.835-836.

58 Pater Enschoff (1903) In: Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1902. S.836.

(20)

20

4.2 1905

4.2.1 Einführung

Zwischen dem ersten Kongress 1902 und dem zweiten 1905 geschah etwas, das als

„»Schlüsselereignis« der europäischen Kolonialgeschichte“59 beschrieben wird und auch bedeutend für das deutsche Bild als Kolonialmacht wurde: Der Hereroaufstand. Im Deutschen Koloniallexikon steht, dass „der Hereroaufstand durch einen plötzlichen Ausbruch im Januar 1904 in Deutsch-Südwestafrika geschah“60. Deutschland hatte mit hohem Gewaltniveau geantwortet und genozidäre Strategien waren beteiligt61, laut u.a.

Sebastian Conrad. Der Aufstand war aber viel detaillierter und nur einige Zeilen darüber zu schreiben ist nahezu unmöglich. Jedoch ist es gut zu wissen: Nach dem Ereignis erschienen zahlreiche Publikationen, in denen der Aufstand thematisiert wurde. Der Diskurs im Allgemeinen wurde auch beeinflusst, wie Medardus Brehl im Aufsatz Diskursereignis Herero-Aufstand schreibt.62

4.2.2 Die Eröffnungsrede

Auch hier geschah Argumentation, indem das Ziel der deutschen Wohlfahrt angesprochen wurde, und dabei ist ein Raum größer als das in Europa liegende Deutschland gemeint. Die Rede war in diesem Jahr kürzer als die im vorherigen Jahr.

Während sie sich über drei Seiten in den Transkriptionen 1902 streckte, wurde sie 1905 nur auf 1,5 Seiten geschrieben.63 Der Aufstand wurde nicht besondere erwähnt, aber der Wunsch, Fehler zu verbessern, wurde schnell nebenbei geäußert. Gesagt wurde auch:

„wir hoffen [...] den Weg zu finden, der uns dazu führt, unsere Kolonien der Blüte entgegenzuführen und sie zu einem strahlenden Juwel in der kaiserlichen Krone Deutschlands werden zu lassen“.64 Die gewaltsame Niederschlagung der Herero wird nie

59 van Laak, Dirk. (2004). Imperiale Infrastruktur: deutsche Planungen für eine Erschliessung Afrikas 1880 bis 1960. Zugl.: Jena, Univ., Habil.-Schr., 2001. Paderborn. S.39.

60 Schnee, Heinrich (red.) (1920). Deutsches Koloniallexikon.: Herausg. von Heinrich Schnee. Leipzig: Quelle &

Meyer.

61 Conrad, Sebastian. (2012) S.4.

62 Brehl, Medardus. (2008) Diskursereignis ‚Herero-Aufstand’ – Konstruktion, Strategien der

Authentifizierung, Sinnzuschreibung. In: Warnke, I. (red.) Deutsche Sprache und Kolonialismus: Aspekte der nationalen Kommunikation zwischen 1884 1919. Berlin: Walter De Gruyter. S.167-196.

63 Deutscher Kolonialkongreß (1906) Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1905 zu Berlin 5., 6. Und 7. oktober 1905. Berlin: Verlag von Dietrich Reimer (Ernst Vohsen) S.LXXXIX-XC.

64 Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg (1906) In: Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1905. S.XC.

(21)

21

geäußert und wieder werden die Kolonien als profitierend für Deutschland beschrieben, mit den Gleichnissen der Kronen und Juwelen.

4.2.3 Die Resolutionen und ihre Debatten65

In den Resolutionen von 1902 wurde die ‚Eingeborenen’ nur kurz erwähnt. Nomination ist aber jetzt häufiger zu finden, denn 1905 werden sie öfter gewürdigt. Nach der dritten Resolution, in welcher eine „Durchforschung der umfangreichen und vielseitigen Literatur Ostasiens, insbesondere Chinas“ empfohlen wird, wurde eine sechsseitige Diskussion angefügt. Es wurde gewünscht, eine ähnliche Situation wie in Deutsch- Südwestafrika zu vermeiden, aber die Chinesen wurden jedenfalls als den Deutschen untergeordnet angesehen. Diese Äußerung wurde gesprochen: „Unser rascher Erfolg zeigte deutlich, dass der orientalische Gegner in gewisser Beziehung minderwertig sein musste. Er zeigte sich verwirrt, er zog sich erschreckt auf sich selbst zurück; energischer Widerstand fehlte fast gänzlich.“66 Die Beschreibung der Chinesen ist voller abfälliger Aussagen.

Wie im letzten Kongress wurde die Hoffnung ausgedrückt, dass Deutsch unter den Kolonien die größte Verbreitung findet, und auch hier sollte die Auffassung der unterschiedlichen Niveaus der Deutschen und der Anderen durchscheinen:

„[Wir] wollen das Herrenvolk sein in den Tropenkolonien. Die Eingeborenen müssen jeden einzelnen Deutschen, der in ihr Land kommt, als eine besonders hochstehende Persönlichkeit achten, und es imponiert ihnen nichts mehr, als dass wir eine fremde Sprache sprechen, die sie nicht verstehen und kaum lernen können, da ihre weiche Zunge die schweren Konsonanten unserer Sprache nicht zu bewältigen vermag.“67

Nicht nur kam Prädikation durch Zugeschreibung der Schwäche und Feigheit der Anderen vor, ihre Denkart wurde auch gemustert. Sie wurde als eine eigene und merkwürdige Weltanschauung betrachtet. Es gab natürlich auch andere, die die Tugend der Anderen und ihre philosophische Bildung schön beschrieben, jedoch sagten sie, dass es „unsere Pflicht und Schuldigkeit [ist][...], dass wir als Christen den Einwohnern ein höheres Beispiel geben“,68 und dadurch auf eine Behauptung eigener Überlegenheit

65 Der Deutscher Kolonialkongreß (1906) S.1023-1052

66 Dr Vosberg-Rekow (1906) In: Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1905. S.1027.

67 von Liebert (1906) In: Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1905. S.1038.

68 Graf von Vaya (1906) In: Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1905. S.1029.

(22)

22

verwies, insbesondere, weil die Deutschen als „zivilisierte Menschen, die auf einer höheren Stufe der Kultur stehen“69 dargestellt wurden.

4.3 1910

4.3.1 Einführung

Das ‚Neue Deutschland’ wurde Teilen Deutschlands zugerechnet, in der Frage des internationales Rechts aber, galten dennoch unterschiedliche gesetzliche Rechte zwischen Deutschen und autochthonen Einwohnern in den Kolonien.70 Auch sollten die Nama rebellieren und die Aufstände bis 1907 dauern, wurde erst danach ein Umbau der Kolonialpolitik begonnen, in welchem auf eine Verbesserung der Lebensbedingungen für die autochthonen Völker geachtet wurde.71 Der Kongress 1910 fand, wie in den vorherigen Jahren, im Oktober statt, aber dieses Jahr wurden die Transkriptionen im selben Jahr publiziert.

4.3.2 Die Eröffnungsrede

Diese sollte die letzte Eröffnungsrede des Präsidenten Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg sein, und in der Frage der Länge erstreckt sie sich über zwei Seiten. Auch diesmal wurde eher auf eine Stärkung der geistigen Moral fokussiert, als auf Definitionen der Deutschen und Anderen. Er konstatierte aber, dass auch wenn der Kongress 1905 in ‚Zeichen der Wirren und Nöte’ stand, bessere Zeiten kommen sollten.

Der Präsident sagte: „die Erfahrungen [der Vergangenheit] zeigen, dass wir den rechten Weg eingeschlagen haben, [...] zum Wohle des Ganzen: Förderung und Entwickelung der Schutzgebiete, des neuen Deutschland“72.

Der Verwendung eines bestimmten Worts wird hier Aufmerksamkeit geschenkt.

Früher wurde das Wort ‚Hebung’ verwandt, wenn man über die dort ursprünglichen Menschen sprach. 1910 wird das Wort ‚Förderung’ benutzt. Man sprach aber über das Land anstatt über die Menschen und insinuierte, dass die Sichtweise über die Menschen immer noch geteilt wird.

69 Graf von Vaya (1906) S.1030.

70 Conrad, Sebastian (2012) S.37.

71 Steltzer, Hans Georg (1984) Die Deutschen und ihr Kolonialreich. Frankfurt am Main: Societäts-Vlg.

S.281.

72 Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg (1910) In: Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1910. S.LXXXVII-LXXXVIII.

(23)

23

4.3.3 Die Resolutionen73

Was es zuerst anzumerken gibt, ist den Umfang. Während die Kongresse 1902 und 1905 dreizehn, bzw. fünfzehn Resolutionen, mit folgenden Diskussionen hatten, endete der Kongress 1910 mit nur neun, und jede Resolution wurde ohne Diskussion angenommen, zumindest wurde keine weitere dokumentiert. Der Kongress empfahl beispielsweise sachgemäße Kenntnisse, mit denen ein Atlas kreiert werden konnte, oder, dass ein meteorologischer Fachmann in Neu-Guinea stationiert werden sollte, d.h. Resolutionen, die nicht mit Menschen zu tun hatte.

Nomination oder Prädikation kamen also selten vor. Nur eine Resolution handelte von der eigenen Kultur: Die achte Resolution, die nach tieferer Forschung des ausländischen Deutschtums fragt, da die Erhaltung und Stärkung des Deutschtums als ein wichtiger Punkt betrachtet wird.74 Eine Resolution hatte mit den Anderen zu tun, nämlich die fünfte, die mit diesem Ausspruch eingeleitet wird: „Da von der Ausbreitung des Islam der Entwickelung unserer Kolonien ernste Gefahr droht, rät der Kolonialkongress zu sorgsamer Beachtung und gründlichem Studium dieser Bewegung“.75 Außerdem wurde in der Resolution Eile empfohlen, und obwohl religiöse Unparteilichkeit geboten wurde, meint der Kongress, dass Förderung der islamischen Ausbreitung nicht erwünscht sei. Die eigene Religion wurde einfach als besser angesehen.

4.4 1924

4.4.1 Einführung

Der vierte, und letzte, Kolonialkongress 1924 enthält einige Besonderheiten. Seit dem vorherigen Kongress ist der erste Weltkrieg ausgebrochen und durch den Friedensvertrag von Versailles hat Deutschland seine Kolonien verloren. Die Deutsche Kolonialgesellschaft existierte immer noch wie eine Lobbygruppe mit dem Ziel, koloniale Ansichten in der Öffentlichkeit zu vertreten. Der Kongress endete aber ohne Resolutionen, da es keine Kolonialbehörden zu beeinflussen gab. Der ehemalige Präsident ist gestorben und jetzt wurde einem anderen Herzog zu Mecklenburg – Adolf Friedrich – der Platz zugewiesen. Der herausgebende Verlag hat sich auch verändert:

73 Deutscher Kolonialkongreß (1910) S.1187-1191.

74 Deutscher Kolonialkongreß (1910) S.1190.

75 Deutscher Kolonialkongreß (1910) S.1189.

(24)

24

Vom vorherigen Dietrich Reimer zum Verlag Kolonialkriegerdank („Koloniale Rundschau“) – Ein Name, der mit Helden assoziiert werden könnte, und wir sehen sowohl romantische Enthistorisierung als auch Prädikation.

4.4.2 Das Vorwort

Eine spezielle Besonderheit des Vorworts ist der Absender. Während die vorherigen vom Redaktionsausschuss unterzeichnet wurden, wurde dies von einer Person – B. von Zastrow – unterzeichnet, und während die vorherigen neutrale Beschreibungen über Verfahren enthielten, ist das bei diesem Vorwort nicht der Fall, da es in hohem Maße von Argumentation und Prädikation heftig geprägt ist. Es beginnt schon im ersten Satz:

„Im Hinblick darauf, daß in diesem Jahre 40 Jahre vergangen sind, seitdem Deutschland in die Reihen der Kolonialmächte eingetreten ist und 10 Jahre, seitdem wir durch den Ausbruch des Weltkrieges der Verfügung über unsere Kolonien beraubt sind, wurde von den kolonialinteressierten Kreisen im Frühjahr in Anregung gebracht, wieder einen Kolonialkongreß abzuhalten.“76

Hier passiert auch eine Enthistorisierung. Eine Erinnerung an die ehemaligen, großen Tage wurde durch ‚die Reihen der Kolonialmächte’ vom Herausgeber geschrieben, und er setzte mit dem bewusst sprachmanipulatorischen Wort ‚beraubt’ fort. Weiter wurde erwähnt, dass Deutschland Kolonien brauche, dass Deutschland ohne Kolonien nicht lebensfähig sei, und, dass das, was früher geschehen ist, als ein ‚unvergessenes Heldentum’ beschreibt.

Obwohl das Vorwort keine neutrale Beschreibung war, wurde nur auf Deutschland und die eigene Bevölkerung fokussiert. Einmal wurden die Anderen erwähnt, aber auch hier in einer Beschreibung in Bezug auf die Eigenen, da die Tätigkeit Deutschlands und seine Fürsorge gegenüber den ‚unterstellten Eingeborenen’ beschrieben wurden.

4.4.3 Die Eröffnungsrede

In der Eröffnungsrede des Präsidenten, am 17. September 1924, wurde das Verhaltensmuster bedient, die geistige Moral der Versammlung zu stärken, und im Text

76 von Zastrow (1924) in: Deutscher Kolonialkongreß (1924) Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1924 zu Berlin am 17. und 18. September 1924. Berlin: Verlag Kolonialkriegerdank („Koloniale Rundschau“).

S.I-II.

(25)

25

der Ansprache wird sowohl der Satz „Denn wir glauben an eine Zukunft!“77 als auch „Die alte Flagge muß wieder wehen über dem alten Grund“78 hervorgehoben.

Weiter in der Rede wird ein Versuch zu einer eigenen Beschreibung der Geschichte gemacht. Der Präsident bezog sich auf den dritten Kongress, der nur drei Jahre nach den großen Aufständen und dem Völkermord organisiert wurde, inmitten eines Umbaus der Politik, und kommentierte ihn mit: „Die Kinderkrankheiten der ersten Kolonisationsperiode waren überwunden, das System der Arbeit draußen hatte feste Basis gefunden, mit den Völkergruppen unserer Ueberseegebiete lebten wir in Frieden.“79 Er erinnerte sich auch daran, dass Deutschland „auch nach dem Raub der Kolonien, bedacht auf das Wohl der Eingeborenen seiner alten Ueberseegebiete“80 war und, dass gegenseitiger Respekt immer noch sowohl von den ‚Eingeborenen’, als auch den Deutschen gezeigt wurde.

In der Konstruktion von einem ‚Wir-und-sie’-Denken, wurden dieses Jahr die Anderen ausgetauscht. Während der Kolonialzeit wurden die Deutschen mit den autochthonen Völkern kontrastiert, aber jetzt mit denen, die die deutschen Kolonien genommen hatten. An vielen Stellen wird Sprachmanipulation verwendet. Deutschland wurde ungerecht behandelt, der Verlust der Kolonien wird als ein Raub bezeichnet und alles wurde „auf Grund einer Lüge gegen jedes Völkerrecht“81 gemacht.

Der Gegner wird möglicherweise geändert, der Gegenstand bleibt aber, die eigenen Deutschen als überlegen zu porträtieren und man verwendet also hier die Strategie, sowohl ein Bild der nostalgischen Vergangenheit zu malen, als auch eine mögliche hoffnungsvolle Zukunft darzustellen. Ein Versuch der Enthistorisierung, mit sowohl romantischem als auch tragischem Erzählen, wird dadurch hergestellt.

77 Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg (1924) In: Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses.

S.XVI (Sperren des Verfassers).

78 Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg (1924) S.XVII (Sperren des Verfassers).

79 Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg (1924) S.XV.

80 Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg (1924) S.XVI.

81 Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg (1924) S.XVI.

(26)

26

5 Schlussfolgerungen

Mit Hilfe von sowohl den historischen und theoretischen Hintergründen, als auch der Erläuterung der Beispiele aus den vier Kongressen, wird nun noch einmal auf die Fragestellung Bezug genommen.

5.1 Zurück zur Fragestellung

5.1.1 Objekte der Äußerungen (Nomination)

Außer, dass die Kolonien bei den Namen angesprochen wurden, wurden sie einfach mit

„Kolonien“ oder eben „Schutzgebiete“ benannt, die Wörter sind, mit denen ein Besitzverhältnis gemeint ist.

Egal, ob der Kongress zum größten Teil über die Kolonien und ihre Völker allgemein sprach, oder spezifische Ethnizitäten im Besonderen, wurden die Vorstellungen der ungleichen Wertungen durch der Sprachgebrauch gezeigt. Damit meine ich, dass im Material kaum Beispiele zu finden sind, in denen eine Hierarchie zwischen den kolonisierten Völkern deutlich aufgezeigt wird, d.h., Völker ohne deutsche Herkunft wurden generell unterstellt. Dass eine Hierarchie im Allgemein existierte, wurde zwar oben in den Beispielen der Pädagogik, oder bei den Deutschen generell, gezeigt.

Wie werden die Objekte nun benannt? Die Deutschen werden tatsächlich kaum mit Nomen vermerkt. Deutsch kommt meistens in der Wortart des Adjektivs vor, aber wenn die Leute beschrieben werden, kommen Pronomen wie wir und unser häufiger vor. Die Resolutionen werden mit „Der Deutsche Kolonialkongress 19XX“ eingeleitet, die Eröffnungsreden des Präsidenten wurden an die „Versammlung“ gerichtet, und nur einige Male wurde „Kaukasier“ oder „Volk“ in die Diskussionen gebraucht. Die Anderen, dagegen, wurden, wenn nicht der Stamm oder die Nationalität verwendet wurde, mit dem Wort „Eingeborenen“ benannt. Das Wort „Naturvölker“ kommt auch vor, und eine vage Vorstellung des Exotismus kann darin angedeutet sein. Ob Naturvölker ein positives oder negatives Wort ist, wird hier nicht indiziert, es spielt aber keine so große Rolle, da auch eine positive Exotisierung zu einer Fremdkonstruktion leitet, wie im Methodenkapitel präsentiert wurde.

(27)

27

5.1.2 Charakteristika (Prädikation)

Da die charakteristischen Eigenschaften im Laufe der Jahre untersucht werden, wird eine Einseitigkeit der positiven Zuschreibungen der Deutschen gefunden. Ein Adjektiv, das immer vom Präsidenten benutzt wurde, als die Versammlung angesprochen wurde, ist „glänzend.“ Diese Kollokation von ‚glänzend’ und ‚Versammlung’ wurde jedes Mal gebraucht, als Johann Albrecht Präsident war, d.h. 1902, 1905 und 1910. Die zwei Wörter wurden auch 1924 vom zweiten Präsidenten Adolf Friedrich zusammengesetzt und so ist es tatsächlich wie ein Epitheton geworden.

Weiter sind die Ausschnitte voller positiv geladener Beschreibungen, die gebraucht werden, um die Eigenen, d.h. die Deutschen oder den Kongress, zu beschreiben. Sie werden auch verwendet, um Erfolg mit dem deutschen Volk zu assoziieren. Neben ‚glänzende Versammlung’ finden sich ‚würdige Aufgabe’, ‚glückliche Lösung der Landfrage’82, ‚wertvolle Sprache’ und ‚angenehme Pflicht’, um nur einige zu nennen. Die Charakteristika, die den Deutschen zugeschrieben werden, sind auch positiv. Man spricht über ‚deutsche Tüchtigkeit’, ‚deutschen Fleiß’ und Ausdauer, als auch, dass man intelligenter sind, etwas, das wir in den Beispiele der Denkoperationen und der Pädagogik finden konnten.

In den Eigenheiten der Anderen gibt es jedoch kaum schöne Zuschreibungen, außer einige, die auf die Chinesen hinweisen. Die dritte Resolution 1905 hatte den Wunsch, die Literatur Ostasiens zu untersuchen, und man schrieb den Chinesen eine Tugend und eine philosophische Bildung zu83. Auf der anderen Seite wurden sie als minderwertig angesehen, in ihrer Weltanschauung herabgewürdigt und, obwohl Kiautschou mit einer zivilisierten Bevölkerung als Ausnahme angesehen wurde84, waren sie von den Deutschen in Kiautschou segregiert. Diese physische Trennung wurde mit sanitären Gründen motiviert, weil die Chinesen als unhygienisch betrachtet wurden.85 Eine Trennung der ursprünglichen Einwohner und der Deutschen war aber nicht auf die Kiautschou allein gerichtet. Auch in Deutsch-Südwestafrika wurde das Leben der verschieden Typen von Einwohnern getrennt. Mit dem Vorwand der ökonomischen

82 (Die glückliche Lösung der Landfrage hinweist zu Kiautschou, aber worauf der Doktor Tille damit meint, wird nicht in der Äußerung klar gedeutet).

83 Deutscher Kolonialkongreß (1906) S.1024-1032.

84 M. Preuss (1906) In: Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1905. S.1033.

85 Mühlman, Klaus. (2014) A New Imperial Vision? – The Limits of German Colonialism in China. In:

Naranch, Bradley & Eley, Geoff (Herausgeber) (2014). German colonialism in a global age. Durham:

Duke University Press. S.135-136.

References

Related documents

Die Punktur des Halsschildes ist zwar in einiger Entfernung vom Seitenrand rvie bei den meisten anderen Arten der Gattung grob, aber sie bildet kein Seitenband. Die

Auf dem Halsschild sind die ein- gestochenen Punkte noch etwas grdBer als auf dem Kopf, der Untergrund ist auch hier ganz glatt und die Zwischenriume zwischen

Baudusch (2002:65) schreibt über die Verwendung des Gedankenstrichs als paariges Satzzeichen folgendes: „ Paarige Gedankenstriche schließen eingeschobene Sätze, Teilsätze

Obwohl die deutschen Tempora sehr ausgiebig behandelt wurden, dabei insbesondere die ausgeweitete Verwendung des Perfekts und die verminderte Verwendung des Präteritums (der

Die benefiziente Lesart des Konstruktionstyps entstammt nach dieser Sichtweise somit nicht nur einer angenommenen Zweckrelation zwischen dem Benefizienten und dem vom

Am Anfang dieser Arbeit habe ich mir das Ziel gesetzt, die Besonderheiten der Metaphern im politischen Diskurs und ihre Funktionen zu bestimmen und zu untersuchen, welche Konzepte

Gerade hier liegt kein deutlicher Unterschied zwischen den deutschsprachigen und den schwedischsprachigen Texten vor; in den deutschsprachigen Artikeln kommt indirekte Rede 22 Mal

Das direkte Marketing ist die häufigste Methode, die benutzt wird, zwei von den vier untersuchten Unternehmen haben diese Methode benutzt, um ihre Kunden zu erreichen.. Wir