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Inhaltsverzeichnis Vorwort................................................................................................................................. 7

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort... 7

1 Einleitung ... 8

2 Aufbau und Zielsetzung der Arbeit ... 9

3 Begriffsdefinitionen und theoretischer Hintergrund ... 11

3. 1 Wiener Tschechen vs. Tschechen in Wien ... 11

3. 2 Migration ... 12

3. 2. 1 Prozess der Migration ... 14

3. 2. 2 Gründe für die Migration ... 14

3. 3 Identität ... 15

3. 3. 1 Persönliche Identität ... 15

3. 3. 2 Soziale Identität ... 16

3. 3. 3 Nationale Identität ... 17

3. 3. 4 Wiener Identität ... 19

3. 4 Nationale Minderheit vs. Volksgruppe ... 20

3. 5 Assimilation vs. Integration ... 21

3. 6 Vorurteil... 22

3. 6. 1 Vorurteile in der Gesellschaft ... 24

3. 6. 2 Primärer und sekundärer Rassismus ... 25

3. 7 Stereotypen ... 26

3. 8 Selbstbild vs. Fremdbild ... 27

4 Methodologie ... 29

4. 1 Arbeitsverfahren ... 29

4. 2 Verwendete Methoden ... 29

4. 3 Strategie der Datensammlung ... 31

4. 4 Recherchen ... 31

4. 5 Fragestellung und Forschungshypothese ... 32

5 Tschechen in Österreich und in Wien... 34

5. 1 Wichtige Zuwanderungswellen der Tschechen nach Wien ... 36

5. 1. 1 Geschichtliche Entwicklung bis 1900 ... 36

5. 1. 2 1900 bis zum 2. Weltkrieg ... 37

5. 1. 3 1945 – 1948 ... 39

5. 1. 4 1948 und 1968 ... 40

5. 1. 5 Zuwanderungswelle nach Charta 77... 41

5. 1. 6 1989 bis Gegenwart ... 45

5. 2 Zur Struktur und Sozialstellung bis ins 20. Jhdt. ... 46

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5

5. 3 Tschechische Vereine in Wien einst und jetzt ... 50

5. 3. 1 Slawische Begegnung ... 52

5. 3. 2 Vlastenecká Omladina ... 52

5. 3. 3 Schulverein Komenský ... 53

6 Vorurteile in Wiener Gesellschaft im Lauf der Geschichte ... 57

6. 1 Wiener und die Ausländer allgemein ... 57

6. 2 Wiener und die Tschechen ... 60

6. 2. 1 Selbstbild: Zu Hause in der Fremde ... 61

6. 2. 2 Fremdbild: „Falsche Behmen“ ... 63

6. 3 Die Volkskultur als Spiegel der gegenseitigen Verhältnisse ... 64

6. 3. 1 Wiener Schmäh... 64

6. 3. 2 Wiener Volkslieder ... 68

7 Empirische Forschung ... 72

7. 1 Proband/Innen und Ziele der Forschung ... 73

7. 2 Auswertung der Fragebögen ... 75

7. 2. 1 Zur Struktur und Sozialstellung ... 75

7. 2. 2 Positiva und Negativa der Wiener Gesellschaft ... 78

7. 2. 3 Vorurteile und Stereotype innerhalb der Wiener Gesellschaft ... 80

7. 2. 4 Grad der Assimilation ... 82

7. 2. 5 Das Selbstbild heute ... 83

7. 2. 6 Das Fremdbild heute ... 86

7. 2. 7 Wiener und die Ausländer heute ... 91

8 Schlussbetrachtung ... 93

9 Literaturverzeichnis ... 96

10 Anhang ... 102

10. 1 Die Länder der Österreichisch-Ungarischen Monarchie 1867 ... 102

10. 2 Tschechisch-österreichische Beziehungen ... 102

10. 3 Wiener Tschechen einst und jetzt ... 103

10. 3. 1 Ziegelarbeiter in Favoriten ... 103

10. 3. 2 Tschechische Schüler der Komenský Schule ... 103

10. 3. 3 Tschechen schildernde Karikaturen und Lieder ... 104

10. 3. 4 Tschechischer Untergrund und das Nachtasyl ... 105

10. 3. 5 Vertreter des tschechischen Vereinslebens... 107

10. 3. 6 In Wien wirkende Künstler tschechischer Herkunft... 109

10. 3. 7 Der österreischische Schriftsteller Josef Haslinger im Nachtasyl ... 109

10. 4 Fragebögen ... 110

10. 4. 1 Selbstbild (auf Tschechisch) ... 110

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6

10. 4. 2 Selbstbild (auf Deutsch) ... 113 10. 4. 3 Fremdbild... 116 10. 5 Wiener Proband/Innen: ... 117

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Vorwort

Die Idee zu dieser Diplomarbeit entstand im April 2009 und wurde von meinem Interesse für die Wiener Stadtgeschichte, aber auch für Kulturwissenschaft inspiriert. Das Phänomen der in Wien lebenden Tschechen finde ich seit meinem ersten Besuch der ehemaligen Hauptstadt der Habsburger Monarchie sehr fesselnd. Als mir im Jahr 2010 die Erasmus Mobilität die Möglichkeit gab, ein halbes Jahr in Wien zu studieren, nutzte ich die sich bietende Gelegenheit und versuchte meine Kenntnisse über die Vergangenheit und Gegenwart unserer Landsleute in Wien zu erweitern. Die Ergebnisse der damaligen Forschung wurden in meiner Bachelorarbeit verfasst und im Juni desselben Jahres erfolgreich verteidigt.

Das Kennenlernen und die Gespräche mit den Zeit- und Augenzeugen der jeweiligen Emigrationswellen, Vertretern der bedeutsamen tschechischen Vereine und Persönlichkeiten, die für das Fortbestehen der Vereinigungen der tschechischen Minderheit in Wien von großer Bedeutung waren, haben mein Interesse für das Schicksal der Wiener Tschechen noch weiter vertieft.

An dieser Stelle möchte ich all jenen meinen Dank aussprechen, die mir halfen und meiner Arbeit Verständnis entgegenbrachten. Zuerst bedanke ich mich also bei Frau PhDr.

Naďa Matouchová, die mich sowohl in der Themenwahl bestärkt, als auch während des gesamten Entstehungsprozesses der Arbeit mit all ihrer Kompetenz beraten hat.

Weiterhin ist meine liebe Verpflichtung, einen besonderen Dank meinen Eltern und meinem Freund zu widmen, die mich während meines ganzen Studiums liebevoll unterstüzt haben. Ohne ihre Hilfe wären mein bisheriger Bildungsweg sowie die Erstellung dieses Werkes gar nicht möglich gewesen.

Ich darf auch nicht vergessen, mich bei allen in Wien lebenden Tschechen zu bedanken, die meine Arbeit mit ihren zahlreichen Beiträgen unterstüzt haben. Von den in Wien lebenden Österreichern gehört mein bester Dank vor allem Herrn Manfred Samek, der so großzügig war und die Reinschrift der Diplomarbeit einer sprachlichen Korrektur unterzogen hat.

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1 Einleitung

Wien wurde über viele Jahrhunderte ein attraktiver Ort für Händler und Einwanderer aus der ganzen Welt. Die Geschichte und Gegenwart der Stadt wurden und wird also nicht nur von den „echten Wienern“, sondern auch von den ausländischen Geschäftsleuten, Diplomaten und Saisonarbeitern geschrieben. Sie alle haben ihre Ankunft in Wien mit unterschiedlichen Erfahrungen und Gefühlen erlebt, doch ihre Aussagen über die Stadt vereinbart etwas Gemeinsames – Wien wurde zum einem „Schmelztiegel“ von verschiedenen Völkern, Sprachen und Sitten. Die Historikerin Monika Glettler vergleicht das damalige Wien, „mit einem Hotel, das vollständig besetzt war, aber immer von verschiedenen Menschen.“1

Auch für hunderttausende Bürger aus Böhmen und Mähren wurde die Donaumetropole zum neuen Zuhause in einem europäischen Vielvölkerstaat. Seit den Massenzuwanderungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, zu einer Zeit wo es in Böhmen und Mähren nicht genug Arbeit gab, bildeten die Tschechen eine der größten Minderheiten in Wien.

Viele waren Dienstmädchen, Schuhmacher, Schneider, Köchinnen und Kindermädchen, aber die meisten arbeiteten als Saisonarbeiter auf Baustellen und in Ziegelbrennereien. Aus dieser Zeitperiode stammen auch die Begriffe wie „Weana Böhm“, oder „Ziegelböhm“, die nicht nur die steigend ablehnende Einstellung der einheimischen Wiener zu den neuen Ankömmlingen widerspiegeln, sondern auch die aussichtsarme Zukunft der tschechischen Gastarbeiter andeuten.

Doch waren die Wiener nicht die einzigen, die über Vorurteile und Stereotypen gegen der fremden Nationalität verfügten. Der Druck der schnellen Anpassung an die deutsche Gesellschaft, dem die Tschechen im 19. Jahrhundert unterzogen waren, verursachte eine langfristige negative Einstellung der tschechischen Minderheit zur neuen Umgebung. Wie sich das faszinierende wiener-tchechische Zusammenleben und verschärfte Beziehungen im Lauf der Geschichte entwickelt haben, bringt diese Diplomarbeit in Erfahrung.

1 Glettler, M.: Die Wiener Tschechen um 1900. Strukturanalyse einer nationalen Minderheit in der Großstadt, Wien: Herold Verlag, 1972, S. 41.

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2 Aufbau und Zielsetzung der Arbeit

Der historische Exkurs und die Darstellung des Ist-Zustandes der tschechischen Minderheit in Wien, ihres heutigen Zusammenlebens und ihrer Tätigkeit, die besonders auf dem Wesen der tschechischen Vereine und Institutionen basiert, sollte ermöglichen, die folgenden tragenden Fragen zu beantworten: Wie reagierte die deutsche Gesellschaft auf die neu ankommenden Einwohner Wiens? Wie und wo spiegelte sich die Einstellung der Wiener zu den tschechischen Gastarbeiter wider? Gibt es und in welchen Bereichen zeigen sich heutzutage die potenzionellen Vorurteile und interkulturellen Unterschiede? Welche Stellung hat die tschechische Minderheit in der wienerischen Gesellschaft der Jetztzeit?

Obwohl zahlreiche Überblickdarstellungen bzw. umfassender konzipierte Werke über die Tschechen in Wien existieren2, ist die Grundlagenforschung bisher sehr lückenhaft und unzusammenhängend. Diese Arbeit setzt sich nicht zum Ziel, die potenziellen Mangel der vorigen Publikationen nachzuholen, sondern durch einen tieferen Einblick in die Geschichte und Gegenwart der beiden Nationalitäten das Verständnis der aktuellen Situation zwischen diesen Nachbarn und ihr Zusammenleben in Wien zu erleichtern.

Die vorliegende Arbeit wurde in zehn Kapitel gegliedert, wobei die ersten vier den theoretischen Teil dieser Schrift darstellen. Die Voranstellung des dritten Kapitels, das die Vielfalt von Begriffen erklärt, setzt sich zum Ziel, einen tieferen Einblick in die Terminologie der erforschten Problematik zu bieten. Das vierte Kapitel beschreibt in der Forschung benutzte Methoden, deren Auswahl von dem theoretischen Hintergrund des dritten Kapitels ausgeht.

Die diachronische Betrachtung der in der Geschichte wichtige Marksteine erfolgt im fünften, mit „Tschechen in Österreich und in Wien“ überschriebenen Kapitel, das eine Einsicht in die Geschichte der Verbindung des heutigen Österreichs zum alten Böhmen, Mähren und Schlesien geben wird.

2 Für die Zeit bis 1918 v. a.: František A. S, Die tschechische Minderheit in Österreich. Überblick über die Entwicklung der tschechischen Minderheit auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich und besonders in Wien, Praha 1928; Monika Glettler, Die Wiener Tschechen um 1900. Strukturanalyse einer nationalen Minderheit in der Großstadt, München – Wien 1972; Karl M. Brousek, Wien und seine Tschechen.

Integration und Assimilation einer Minderheit im 20. Jahrhundert, Wien 1980.

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Aufbauend auf der Analyse der Wiener Volkskultur, befasst sich das sechste Kapitel mit der Schilderung der gegenseitigen Verhältnisse beider Nationalitäten. Die aus dieser Analyse entstehenden Anregungen, wurden zum Impuls für die Konstruktion von zwei Fragebogen, die als Mittel der empirischen Forschung verwendet wurden. Sowohl der Verlauf der Forschung, als auch ihre Auswertung folgt im Kapitel sieben. Das achte Kapitel fasst die erforschten Erscheinungen zusammen und gibt den Anstoß zur Bildung der endgültigen Schlussfolgerungen.

Im Anhang findet man eine Vielzahl von unterstützenden Quellen und Unterlagen, auf deren Grund das ganze Konzept dieser Arbeit enstanden ist. Ein unverzichtbarer Bestandteil der Arbeit sind zahlreiche Photos, die die wichtigsten, in der Schrift erwähnten Persönlichkeiten, Orte und Institutionen, zeigen. Das letzte Kapitel stellt die Übersicht der verwendeten Literatur dar.

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3 Begriffsdefinitionen und theoretischer Hintergrund

Dieser theoretische Teil behandelt und erklärt wichtige Begriffe, die im Zusammenhang mit den in Wien ankommenden Tschechen, dem konsequenten Prozess der Integration in die österreichische Gesellschaft und der aufgetauchten kulturellen Intoleranz stehen. Aufgrund der häufigen und meistens nicht richtigen Verwendung dieser Begriffe in der Literatur kommt es oft zu ihrer Missinterpretation. Das rechte Verständnis der Terminologie ist für die Auseinandersetzung mit dem Thema unentbehrlich, daher widmet sich diese ganze Kapitel der Auswahl und Definitionen von Begriffen rund um Migration, Assimilation, Integration, Identität und Vorurteil, die im Rahmen dieser Arbeit in Bezug auf die tschechische Minderheit in Wien verwendet wurden. Um den entsprechenden begrifflichen Apparat auszuwählen, wurde relevante Fachliteratur von renommierten Wissenschaftlern, wie z. B. dem Soziologen Jan Jandourek, Ph. D. oder dem Historiker Prof. PhDr. Miroslav Hroch, DrSc. eingesetzt.

3. 1 Wiener Tschechen vs. Tschechen in Wien

Am Anfang ist es notwendig, die für diese Arbeit zentralen Begriffe, d. h. „Wiener Tschechen“ und „Tschechen in Wien“, zu klären. Wer waren und sind eigentlich diese Tschechen? Auf ersten Blick scheint die Antwort ganz eindeutig zu sein (d. h. die in Wien lebenden Tschechen), aber gibt es zwischen diesen Begriffen einen Bedeutungs- unterschied? Martin Sekera im Buch „Doma v cizině“ („Zu Hause in der Fremde“) schreibt in seinem Beitrag über Tschechen in Wien bis 1918, dass unter der Bezeichnung

„Tschechen in Wien“ man im breiteren Sinne verstehen kann:

Die tschechischen Zuwanderer sowohl auf Zeit wie auf Dauer und Tschechen mit aktiver oder passiver Einstellung zu den Ausdrucksformen nationaler Identifikation (wie z. B. ihre Teilnahme am Vereinsleben oder Pflege der eigenen Sprache), sofern sie sich nicht vollständig assimiliert hatten.3

Im Vergleich dazu sind die „Wiener Tschechen“, diejenigen „Tschechen in Wien“,

„die ihr Tschechentum (darunter auch tschechische Sprache) aktiv pflegen, am nationalem

3 Sekera, M.: Jací byli Češi ve Vídni do roku 1918. In.: Vocelka, K. - Valeš, V. (eds.) Domav cizině - Češi ve Vídni ve 20. století. Praha: SCRIPTORIUM, 2002. S. 114.

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Vereinsleben teilnehmen und Unterstützung durch die in den böhmischen Ländern lebende

„Mutternation“ akzeptieren.“

Wie man weiter in der Arbeit erfährt, ist diese Definition vor allem für die Tschechen des 19. Jahrhunderts gültig. Ab der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich die Situation der in Wien lebenden Tschechen unter dem Einfluss der politischen Erreignisse wesentlich verändert und dieser Bedeutungsunterschied, der vor allem auf der Beteiligung an dem tschechischen Nationalleben basiert, verliert an Relevanz.

Trotzdem wird im Lauf dieser Arbeit hauptsächtlich der Begriff „Wiener Tschechen“ benutzt, denn man kann vorrausetzen, dass gerade die Tschechen, die sich zum ihren Tschechentum bekannten und sich aktiv an dem national Leben beteiligten, diejenige waren, die am häufigsten Vorurteilen begegneten und auf eine Menge von interkulturellen Problemen stießen.

3. 2 Migration

Laut dem soziologischen Wörterbuch ist die Migration „eine Bezeichnung für die geographische Bewegung von Einzelwesen oder Gruppen, d. h. die Mobilität von Personen in einem engeren oder breiteren geographischen Raum.“4

Es gibt mehreren Arten der Migration: die internationale, bzw. externe Migration, die eine Bewegung zwischen den Ländern andeutet und die entweder die Form der Emigration, oder der Immigration hat. Weiter gibt es die interkontinentale, sgn.

„überseeische“ oder die intrakontinentalen Migration. Unter der letzt genannten versteht man die Migration innerhalb eines Kontinents. Der Gegensatz zu der internationalen (externen) Migration ist die innere (interne) Migration, d. h. die Bewegung im Rahmen eines Landes (bzw. eines nationalen Raums).

Laut Demuth existieren noch zwei weiteren Arten der Migration und zwar die freiwillige und die gezwungene. Die letzt genannte betrifft vor allem die Flüchtlinge, Vertriebenen, Sklaven, Zwangumgesiedelte und andere. Die freiwillige Migration wird vor allem mit dem Ziel verwirklicht, eine gute Arbeit zu bekommen. Meistens folgen ganze Familien dem Ernährer, sodass die Migration der Einzelnen eine Kettenreaktion hervorruft.

4 Geist, B.: Sociologický slovník. Praha: Victoria Publishing, 1992, S. 224−225.

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Freiwillig ziehen auch Leute um, die im Ausland studieren möchten. Diese Art von Migration ist meistens kurzfristig und die Migranten kehren in die Heimat zurück, nachdem sich ihre Lebenssituation verbessert hatte und ihre Ziele erreicht worden waren.

Außer der freiwilligen Migration gibt es auch, wie schon gesagt, die gezwungene Migration. Sie erfolgt, wenn Personen wegen der ungünstigen gesellschaftlichen Situation, Missachtung der Menschenrechte oder anderer negativen Einflussen gezwungen sind das Land zu verlassen. Diese Art von Migration ist in der Regel lanfristiger als die freiwillige Migration.5 Die Migration verläuft entweder legal, d. h. in der gesetzlich verankerten Form, oder illegal, wie es der Fall der meisten tschechischen Migranten zwischen 1948 und 1989 war.

Aus der zeitlichen Sicht unterscheidet man die kurzfristige und langfristige Migration. Laut dem Internationalen Arbeitsamt (1932) betrifft die kurzfristige Migration Personen (meistens Arbeitsmigranten), die aus einem Land in ein anderes für längere Zeit als einen Monat, aber kürzere als ein Jahr reisen und keine Absicht haben, in dem Land dauerhaft zu bleiben. Die langfristige Migration betrifft die Personen, die von einem Land für längere Zeit als ein Jahr in ein anderes Land ziehen.

Wenn man die Migration der Tschechen nach Wien bis 1918 definieren sollte, handelte es sich im Rahmen der ehemaligen Österreichisch - Ungarischen Monarchie6 (1867 – 1918) um eine freiwillige, intrakontinentale, innere, entweder kurzfristige, oder langfristige Emigration. Ab dem Jahr 1968 spricht man im Zusammenhang von Tschechen, die nach diesem Jahr nach Wien kamen, meistens über eine gezwungene, intrakontinentale, internationale und langfristige Emigration. Wie auch die Gespräche mit den Zeitzeugen (bzw. Unterzeichnern der Charta 77) bestätigen, haben die Migranten damals das Land mit der Überzeugung verlassen, „dass es auf immer ist.“7

Wie die Forschung im Kapitel 7 gezeigt hat, migrieren in letzten Jahren, d. h. seit 2004, vor allem junge Leute, die ein besseres Arbeitsangebot und ein höheres Einkommen von der Emigration erwarten.

5 Vgl. Uherek, Z.: Migrace a formy soužití v cílových prostorech. In Soudobé spory o multikulturalismus a politiku identit. Hirt, T. et Jakoubek, M. [eds.]. Plzeň: Vydavatelství Aleš Čeněk, s. r. o., 2005. S. 279.

6 Die Landkarte der Österreichisch - Ungarischen Monarchie ist im Anhang 10. 1 zu finden.

7 Das Gespräch mit Jiří Chmel - dem Besitzer des tschechischen Lokals Nachtasyl (September 2012)

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14 3. 2. 1 Prozess der Migration

Die Migration ist ein langwieriger und meistens sehr komplizierter Prozess. Erste Problemen erscheinen schon mit der Entscheidung, ob man wirklich sein Land verlassen soll. Man muss alle Vorteile, Nachteile und potenzielle Schwierigkeiten bedenken, und das mit der Rücksicht auf die Familie, Heimat, aber auch auf das Leben in der neuen Umgebung. Die Emigranten müssen vor dem Weggehen auch weitere Aspekte bedenken, d. h.: wie unterscheidet sich das Zielland von dem Heimatland (geographisch, ökonomisch, politisch, gesellschaftlich), wie ist die Beziehung der Gesellschaft zu den Einwanderern und Ausländern und ob das Land schon eine geschichtliche Erfahrung mit der Immigration hat.

Nicht jeder ist fähig zu migrieren. Eine sehr große Rolle spielt dabei das Geschlecht, Alter, Gesundheitzustand und Ausbildung, damit man die Arbeit, wegen der man in der Gegenwart meistens migriert, auch in dem Zielland ausüben kann.

Eine Migration kann nur dann erfolgen, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

Erstens muss die Person existieren, die migrieren will. Zweitens muss sowohl ein Migrationsgrund, als auch ein Zielland vorhanden sein. Laut Statistik migriert die Mehrheit der europäischen Migranten in die am meisten entwickelten Länder Europas (z. B.

Deutschland, Frankreich und Großbritannien).8 3. 2. 2 Gründe für die Migration

Uherek spricht von zwei Faktoren, die einen großen Einfluss auf die Migration haben. Einer davon vertreibt die Person aus der Heimat und der zweite lockt sie ins Zielland. Es handelt sich um sgn. „pull und push Faktoren“. Diese Begriffe stammen schon aus den 60er Jahren des 20. Jhdts. und wurden zum ersten Mal von D. J. Bogue benutzt. Zu den anderen Repräsentanten der „pull und push Theorie“ gehören auch Jansen und Lee.

Sie behaupten, dass die Entscheidung zu der Migration davon abhängig ist, wie intensiv diese pull und push Faktoren sind und wie groß die Vorteile sind, die man vom Zielland erwartet.9

8 Vgl. Drbohlav, D.: Mezinárodní migrace obyvatelstva – pohyb i pobyt. In Menšiny a migranti v České republice. Šišková, T. [ed.]. 1. vyd. Praha: Portál, 2001. Kapitel 2, S. 17 − 21.

9 Vgl. Uherek 2005, S. 262 − 265.

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Unter den häufigsten Gründen, die laut Drbohlav zur einen Migration führen, gehören die schlechte wirtschatliche und ökonomische Entwicklung, die Überbevölkerung, die Natur- und Ekokatastrophen und ein despotisches politisches System des Heimatlandes. Meistens migrieren nur einige Mitglieder der Familie, die aus ihren ausländischen Einkommen die zu Hause gebliebene Familie unterstützen und ihren gesamten Lebensstandard erhöhen. Die Emigranten bestehen aber, wie es oft falsch eingeführt wurde, nicht nur aus den Einwohnern armer Länder, sondern auch aus den Einwohnern sich schnell ökonomisch entwickelnden Länder, die nach ihrem Rückkehr (die meistenen Migranten verlassen ihr Land nur auf eine bestimmte Zeit) viele Landsleute zu der gleichen Handlungsweise inspieren und damit zum Aufschwung ihres Heimatlandes beitragen. Die modernen Zielländer bieten eine große Anzahl von besseren wirtschaftlichen und sozialen Möglichkeiten an. Vor allem sind das besser bezahlte Arbeitsstellen als in dem Heimatland und ein besser entwickleltes Sozialsystem. Die Zusammenwirkung der „pull und push Faktoren“ ist ganz offensichtlich.10

3. 3 Identität

Die überwiegende Mehrheit der gegenwärtigen Autoren meint, dass die Identität eine soziologische Konstruktion ist, die nicht für alle Individuen eindeutig und langfristig bestimmt ist. Im Gegenteil: sie ist variabel und ihre Anzahl ist von der sozialen Interaktion und der Menge von Lebensrollen, die man spielt, abhängig. Jeder Mensch verfügt meistens über mehrere Identitäten (persönliche, soziale und nationale), die sich im Verlauf der Integration, abhängig von vielen Faktoren, ändern. Obwohl für den Zweck dieser Arbeit besonders die nationale Identität von großer Bedeutung ist, wurden für die Kompaktheit der Terminologie alle wesentlichen Typen der Identität definiert. 11

3. 3. 1 Persönliche Identität

Die persönliche Identität kann mit der Definition von Říčan eklärt werden. Laut ihm bedeutet die Identität „das Suchen nach meinem Ich“12. Auch Macek unterscheidet die Aspekte der persönlichen und der sozialen Identität: „Der persönliche Aspekt der Menschen stammt aus der Selbstreflexion und Selbsteinschätzung, während das

10 Vgl. Drbohlav 2001, S. 17−21.

11 Vgl. Hrubý, T.: Identita a styly osobnosti, Abschlussarbeit an der Masaryk Universität Brünn 2006.

URL: http://is.muni.cz/th/64876/ff_m/DP_HRUBY.txt [Stand 23. 12. 2012]

12 Říčan, P.: Cesta životem. Praha: Panorama, 1990, S. 15.

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Bewusstsein eigener Einzigartigkeit und Eigenständigkeit von Außenstehenden gebildet wurde.“13

Henri Tajfel, britischer Sozialpsychologe polnischer Herkunft, beschreibt die persönliche Identität als „persönliche Überzeugung über eigene Fähigkeiten, Fertigkeiten und einzigartige individuellen Eigenschaften.“14

3. 3. 2 Soziale Identität

Die Bildung der sozialen (kollektiven) Identität ist viel komplexer und mehrdeutiger. Diese Identität kann mit einer ungeschriebenen Vereinbarung zwischen dem Individuum und der Gesellschaft verglichen werden, die auf einem Verständnis von sozialen Regeln, Normen und Sanktionen basiert und die zu einer bestimmten sozialen Ordnung verpflichtet. Es handelt sich um eine gewisse Investition in das Lebensprojekt, die mit einer Entscheidung auch deren Konsequenzen verknüpft.

Die slowakische Soziologin Barbara Lašticová zitiert in ihrem Beitrag über Identität bekannte Wissenschaftler, die sich mit dem gleichen Thema beschäftigten. Die erste psycho-soziologische Definition der kollektiven Identität, stammt von W. James, der sie im Jahre 1890 als „Schnittpunkt der Selbsterkenntnis und der Erkenntnis von anderen“

bezeichnete. Freud definierte sie zwanzig Jahre später als „ein Prozess, während dessen das Individuum eine affektive Bindung zur anderen Person oder Gruppe erschafft.“15

Henri Tajfel, der sich lebenslang mit dem Thema der Vorurteile und kollektiven Identität befasste, erklärt diesen Begriff in seiner Theorie der sozialen Identität als „der Aspekt des Selbstkonzeptes des Individuums, der von dem Erkenntnis der eigenen individuellen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder Gruppen abgeleitet wird und der mit dem Wert und der emotionalen Bedeutung dieser Mitgliedschaft verbunden ist.“16

13 Macek, P.: Sebesystém, vztah k vlastnímu já. In J. Výrost & I. Slaměník (Eds.), Sociální psychologie. 1997, S. 181−209.

14 Tajfel H. In Bačová, V.: Identita v sociálnej psychológii. In J. Výrost, I. Slaměník (Eds.), Sociální psychologie. 1997, S. 216.

15 James W. und Freud S. In Lášticová, B. - Bianchi, G.: Identita, jej teórie a výskum v slovenskej sociálnej psychológii 1989−2001. Československá psychologie, N. 47/5, 2003, S. 405−423.

16 Tajfel H. In Bačová 1997, S. 216.

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Die Identität ist natürlich auch mit der Gruppe verbunden, zu der man mittels der gleichen Sprache gehört. Laut Giles liegt die Vitalität einer Gruppe in der Fähigkeit, ihre Sprache und damit auch ihre Identität zu bewahren. Die Identität der Gruppe wird von den demografischen Kraft (Anzahl der Mitglieder der Gruppe), den gesetzlichen (wirtschaftliches und linguistisches Prestige) und institutionellen Faktoren unterstützt (z. B. die Sprache wird in den Bereichen der Bildung und in Medien verwendet).17

Um diese zwei Begriffe zusammenzufassen kann die Definition von dem tschechischen Soziologen Jan Jandourek benutzt werden. Laut ihm ist die Identität „ein tiefes Gefühl des eigenen Daseins, das auf der Wahrnehmung unserer Kommunität basiert.“ […] „Die Identität umfasst auch Werte, an die das Individuum glaubt und die die Bedeutung seines Lebens bestimmen.“18

Daraus lässt sich ableiten, dass ein Individuum gerade über so viele sozialen „Ich“

(Identitäten) verfügt, wie es soziale Gruppen gibt, die für dieses Individuum von großer Bedeutung sind.

3. 3. 3 Nationale Identität

Die nationale Identität kann man nicht ohne Erläuterung des Begriffes „Nation“

erklären. Die Definition der Nation beschrieb schon vor drei hundert Jahren der große pädagogische Denker Jan Amos Komenský als:

„Eine Nation ist eine Gruppe von Menschen, die aus gleichem Stamm kommen, an gleichem Ort leben, den sie als die Heimat bezeichnen, die eine gemeinsame Sprache verwenden und durch die Fesseln gemeinsamer Liebe und Mühe um das allgemeine Gute verbunden sind.“19

Aspekte, die die Bildung einer Nation im 17. Jahrhundert bedingten, unterscheiden sich nicht viel von denen aus dem 19. Jahrhundert. Der deutsche Historiker Friedrich Neumann bestimmte in 1888 folgende charakteristische Züge einer Nation: „gemeinsame

17 Ebd. S. 211−234.

18 Tajfel H. In Bačová 1997, S. 104.

19 Komenský, J. A., Štěstí národa. In Průcha J., Multikulturní výchova ve školním vzdělávání, Praha: Triton, 2006, S. 34.

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Sprache, gemeinsame Herkunft, gemeinsame Bräuche und Traditionen, gemeinsame Geschichte und gemeinsame Gesetze.“ 20

Für die Zwecke dieser Arbeit scheint die soziologische Abgrenzung des Begriffes laut dem Großen soziologischen Wörterbuch am relevantesten zu sein: „Die Nation ist eine eigenständige und bewusste kulturelle und politische Gemeinschaft, auf deren Bildung vor allem die gemeinsame Geschichte und ein gemeinsames Territorium den größten Einfluss haben.“21 Diese Definition wird mit drei weiteren Typen von Kriterien ergänzt. Unter die Kulturkriterien gehören eine gemeinsame Sprache, Religion und gemeinsame geschichtliche Erfahrungen. Das Kriterium der politischen Existenz bedeutet, dass die Nation entweder einen eigenen Staat oder eine autonome Stellung in einem vielvölker oder föderativen Staat hat. Das dritte, psychologische, Kriterium besteht darin, dass die Angehörigen einer Nation ein gemeinsames Bewusstsein über ihre Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk teilen. In den meisten Fällen kommt es zur Verbindung von diesen Kriterien und eine Nation lässt sich sowohl kulturell und politisch, als auch psychologisch definieren.

Trotz allerdem ist, wie man in den nächsten Kapiteln erfahren wird, die Zugehörigkeit zu einer Nation nicht nur die Frage von objektiven Zeichen (wie z. B. ein gemeinsames Gebiet), sondern es spielt auch die subjektive Einstellung eine tragende Rolle. Man gehört zu einer Nation vor allem durch das Gefühl einer tatsächtlichen inneren Zugehörigkeit zu dem Volk, seiner Geschichte, Traditionen, Bräuchen und dank der Bereitschaft diese Zugehörigkeit auch öffentlich zu deklarieren.

Auch Prof. Miroslav Hroch, einer der bekanntesten tschechischen Historiker, unterstützt diese These, dass die nationale Identität vor allem das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nation und die Identifikation mit der nationalen Gemeinschaft ist.22

An der Forschung über die nationale Identität der tschechischen Minderheit in Wien ist vor allem ihre Bildung sehr bedeutsam. Obwohl Ross Poole in seiner Studie über die nationale Identität erwähnt „Die nationale Identität wählen wir nicht selbst, sondern sie

20 Neumann, J. F.: Volk und Nation, Duncker & Humblot, Leipzig: 1888 S. 156.

21 Petrusek M., Vodáková A.: Velký sociologický slovník, Praha: Karolinum, 1996, Band. 1, S. 668−669.

22 Vgl. Hroch, M.: V národním zájmu. NLN - Nakladatelství Lidové noviny: Praha 1999. S. 14.

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war in erster Linie von unserer Geburt und Erziehung bestimmt.“23, kann man im Falle der Wiener Tschechen beobachten, dass manche, trotz ihrer tschechischen Herkunft, als Folge der schlechten Erfahrungen mit dem tschechischen politischen Regime oder der langen in Wien verbrachten Zeit, auch die Österreichische bzw. Wiener Identität als eigene bekennen.

3. 3. 4 Wiener Identität

Am Beispiel Wiens lässt sich plausibel darstellen, dass trotz der individuellen Identität jeder Person und deren Identifikation mit verschiedenen kollektiven und nationalen Identitäten auch eine städtische Identität existiert. Im Wechselspiel zwischen Geschichte, Zuwanderung und Stadtentwicklung entstanden für Wien typische und auch landläufig mit Wien assoziierte Charakteristika, die im Wesentlichen die Identität der Stadt konstituieren.24

Die oft zitierte Bestandteile der Wiener Identität sind beispielsweise der Wiener Konservativismus, die Wiener Küche, die Wiener Sehenswürdigkeiten, sowie der Wiener Dialekt, das Wiener Gemüt, die in Wien zu findenden Namen slawischen Herkunft und natürlich auch die Wiener Tschechen. Alle diese Faktoren tragen in ihrem Zusammenspiel wesentlich zur Identität Wiens bei.

Verstärkend tritt hinzu, dass – da Wien die einzige Millionenstadt Österreichs ist und daher tendenziell als einzige Großstadt des Landes gesehen wird – der „Wiener Stadtmensch“ oftmals der restlichen österreichischen „Landbevölkerung“

gegenübergestellt wird.25 Dieses Phänomen spielt auch für den Zweck dieser Arbeit und Beurteilung der gegenseitigen tschechisch - österreichischen Beziehungen eine tragende Rolle.

23 Ebd. S. 274.

24 Vgl. Raab A.: Zur multiethnischen Identität Wiens - Geschichte und Einfluss längerfristig wirkender nationaler Minderheiten, Abschlussarbeit an der Universität Wien, 2008.

URL: http://othes.univie.ac.at/627/1/05-05-2008_0200681.pdf [Stand 23. 12. 2012]

25 Vgl. Bruckmüller E.: Zentrum und Provinz in der Entwicklung des österreichischen Nationalbewusstseins.

In: Walter Buchebner-Gesellschaft (Hg.) Neuberger Gespräche. Regionale Identität I, Wien/Köln/Graz 1987, 27-37, S. 29.

(17)

20 3. 4 Nationale Minderheit vs. Volksgruppe

Auf internationaler Ebene gibt es bis heute keine einheitliche Definition des Begriffes „Nationale Minderheit“. Die Europäische Union lässt einzelne Regierungen entscheiden, wie sie den Begriff auslegen. Auch die Art und Weise, wie sie mit den Angehörigen der nationalen Minderheiten umgehen, ist die innere Angelegenheit jedes Staates.

Die Vereinten Nationen (UNO) definieren die Minderheiten als „Gruppen von Menschen mit einer gemeinsamen Herkunft, Kultur, Sprache, Religion oder anderen Merkmalen, die sie von der anderen Population unterscheiden.“26 Um die tschechische Minderheit in Wien betrachten zu können, ist es notwendig die Definition von Minderheiten so zu erfassen, wie sie die österreichischen Rechtsvorschriften verstehen.27

Die damaligen Vertreter der Freiheitlichen Partei (FPÖ), haben auf die Tatsache aufmerksam gemacht, dass auch die Tschechen in der Zwischenzeit in Wien ihre Heimat gefunden hatten und dass sie daher als eine Volksgruppe bezeichnet werden sollten.28 Von tragender Bedeutung ist also für die in Wien lebenden Tschechen das Gesetz über nationale Minderheiten von 7. Juli 1976. Der Notwendigkeit einer neuen Begriffsdefinition zu Grunde liegend war in erster Linie der Fakt, dass der Begriff der Minderheit mitunter negative Assoziationen weckte. Das Volksgruppengesetzt (VGG) definiert Volksgruppen als „in Teilen des Bundesgebietes wohnhafte und beheimatete Gruppen österreichischer Staatsbürger mit nichtdeutscher Muttersprache und eigenem Volkstum.“29

Mit diesem Gesetz endete die Periode, in der die Volksgruppenrechte als „lästige Verpflichtung des Staates gegenüber einer Gruppe in seinem Staatsgebiet“30 aufgefaßt wurden. Das VGG stellte den Versuch dar, die unterschiedlichen Positionen durch eine

26 Průcha J.: Moderní pedagogika, Portál: Praha, 2006, S. 37.

27Baumgartner G., Perchinig B.: Minderheitenpolitik in Österreich - die Politik der österreichischen Minderheiten. URL: http://minderheiten.at/stat/Service/volksgruppen.html [Stand: 22. 1. 2013]

28 Vgl. Tichý, H. Česká národnostní menšina. In.: Basler, H (ed.) Vídeňští Češi 1945−2005. K dějinám národnostní menšiny. Wien − Praha 2006. S. 275.

29Schruiff , F.: Ein Gesetz hat sich überlebt: das Volksgruppengesetz 1976.

URL:http://minderheiten.at/stat/stimme/stimme49f.html [Stand: 22. 1.2013]

30 Ebd. [Stand: 22. 1.2013]

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21

einheitliche Rechtsgrundlage für alle Minderheiten zu ersetzen31. Es brachte eine umfassenden Normierung des Volksgruppenrechts und Unbennenung des Begriffes

„Minderheit“ zum Begriff „Volksgruppe“. Eine wesentliche Neuerung war auch die Einführung von Volksgruppenbeiräten, die aber erst in den Jahren darauf tatsächlich eingerichtet wurden. Sie haben in erster Linie beratende Funktion und repräsentieren die Meinungen der einzelnen Volksgruppen.32

3. 5 Assimilation vs. Integration

Mit diesen Themen haben sich im Zusammenhang mit den Wiener Tschechen vor allem Karl Brousek33 und Vera Mayer34 in ihren Publikationen auseinandergesetzt.

Der Begriff „Assimilation“ wird als „Angleichung von Menschen, die in einer anderen ethnischen oder rassischen Gruppe leben“35 definiert. „Integration“ im Vergleich dazu bezeichnet die „Einbeziehung, Eingliederung in ein größeres Ganzes“. Der wesentliche Unterschied dieser beiden soziologischen Konzepte kann also als der Unterschied zwischen der Angleichung und der Eingliederung verstanden werden.

Die Assimilation ist ein langfristiger Prozess, dessen Wirkung sich erst in der zweiten oder dritten Generation der Ankömmlinge zeigt. Mag. Reinhold Jawhari aus Österreichischen Integrationsfonds schildert in seiner Publikation die Assimilation als eine komplette Angleichung an die neue Nation und den Verlust der ursprünglichen Identität:

„Die Assimilation umfasst den Verlust der ursprünglichen nationalen Identität und das ideologische Bekenntnis zu einer anderen Nation. Das Konzept der Assimilation beinhalten, dass sich EinwanderInnen kulturell vollständig der Aufnahmegesellschaft anpassen.“36

31 Unter den sechs gesetzlich anerkannten Volksgruppen in Österreich gehören: die Slowenen, Burgenländische Kroaten, Roma und Sinti, Tschechen und Slowaken.

32 Ebd. [Stand: 22. 1.2013]

33 Brousek, K.: Wien und seine Tschechen. Integration und Assimilation einer Minderheit im 20.

Jahrhundert. Wien 1980.

34 Mayer, V. Integrační procesy na příkladě etnických menšin ve Vídni. In.: Český lid, N. 88/2 Ethnologisches Institut AV ČR: 2001. S. 123 −164.

35 Duden, Fremdwörterbuch, S. 88.

36 Jawhari, R.: Wegen Überfremdung abgelehnt: Ausländerintegration und symbolische Politik Wilhelm Braumüller: Wien 2000. S. 6. In Vídenští Češi po 40 letech.

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22

Im dem österreichischen Kulturinformationssystemfindet sich unter dem Stichwort Angleichung (Assimilation) folgender Eintrag:

„Menschen, die lange Zeit oder für immer in anderen ethnischen Gruppen leben, gleichen sich (meist in der 2. Generation) in Sprache, Sitten und kulturellem Verhalten der Umwelt an […]. Nach 1900 erfolgte eine weitgehende Angleichung der nach Österreich zugewanderten Angehörigen anderer Nationalitäten (Tschechen, Ungarn) oder der im Land lebenden Minderheiten (Kroaten, teilweise Slowenen).“37

Diese kulturelle Anpassung kann sich entweder freiwilig, d. h. natürlich und ohne Druck oder auch, wie es meistens der Fall der Wiener Tschechen war, zwanghaft und durch die Machtpolitik realisieren.

Im Gegensatz dazu kann die Integration als ein gesellschaftlicher Prozess angesehen werden, während dessen sich die Gruppen oder Einzelnen den verbindlichen Normen und Werten der Gesellschaft, in der sie sich integrieren möchten, eingliedern.

Vera Mayer, die die Integration von Wiener Tschechen in ihrer Studie über die Integrationsprozesse der ethnischen Minderheiten in Wien behandelt hat, folgte der Integration, sowohl im Hinblick auf institutionalisierter (d. h. Gesetzgebung, politische Partizipation und Wohnungsmarkt), als auch auf informeller Ebene der sozio-kulturellen Interaktion. Laut Mayer ist die Integration „als Anpassung an bestehende Standards zu verstehen, wobei diese Fähigkeit zur Anpassung ausschließlich den Immigranten zugeschrieben wird.“ 38

3. 6 Vorurteil

Es gibt eine ganze Reihe von Definitionen des Vorurteils, die sich in einem oder mehreren Aspekten unterscheiden. Trotzdem kann man bestimmte Merkmale beobachten, die für alle Definitionen des Vorurteils gleich sind:

 Es handelt sich um die Beurteilung eines Menschen ohne tieferes Kennenlernen von dieser Person.

37 Verlagsgemeinschaft Österreich Lexikon, Angleichung (Graz) online URL: http://aeiou.iicm.tugraz.at/

aeiou.encyclop.a/a552706.html. [Stand : 25. 12. 2013]

38 Ebd. S. 126.

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23

 Sie funktionieren besonders in einem Umfeld, das von einem verschwiegenen oder öffentlichen kulturellen Konflikt beeinflusst ist.

 Sie können verschiedene Formen annehmen, z. B. gegen Religion, Hautfarbe, Aussehen, Ethnikum usw.

 Vorurteile gegen Minderheiten gelten für alle Mitglieder einer bestimmter Gruppe.

Aus der psychologischen Sicht bezeichnet man als Vorurteile spezielle bewertende Einstellungen, die meistens subjektiv, vorgespannt und emotional gesättigt sind.39 Sie können sowohl positiv, als auch negativ sein, also das bloße Bestehen des Vorurteils in der Gesellschaft, muss noch nicht unbedingt eine Bedrohung andeuten. Das Problem besteht nur in dem hohen Grad des Risikos, dass die Angehörigen der Mehrheitgesellschaft beginnen, Diskriminierendes gegen Minoritätgruppen zu verwenden.

Das Duden Bedeutungswörterbuch definiert „Vorurteil“ als „nicht objektive, meist von feindseligen Gefühlen bestimmte Meinung, die sich jmd. ohne Prüfung der Tatsachen voreilig, im voraus über jemanden gebildet hat.“ 40

Für die Zwecke dieser Arbeit wurde jedoch die Definition vom amerikanischen Psychologen Gordon W. Allport ausgewählt: Das Vorurteil ist „eine ablehnende und feindselige Haltung gegenüber einer Person, die zu einer bestimmten Gruppe gehört, nur weil sie zu dieser Gruppe gehört und es läßt sich also daher annehmen, dass sie über unerwünschte und dieser Gruppe zugeschriebene Eigenschaften verfügt.“41

Obwohl die Tschechen im 19. Jahrhundert in Wien einerseits als willkommene Arbeitskräfte begrüßt wurden, hatte man anderseits aber auch Angst vor dem slawischen Element in dieser bis jetzt überwiegend deutschen Umgebung. Wenn man den riesigen Zustrom der Tschechen nach Wien beobachtete, hatte man einfach Angst um das Deutsche in Wien.

39 Vgl. Multi-kulti na školách: Metodická príručka pre multikultúrnu výchovu, Nadácia Milana Šimečka, 2006. S. 52.

40 Duden, Das Bedeutungswörterbuch, Wortbildung und Wortschatz, Meyers Lexikonverlag: Mannheim, 1985, S. 796.

41 Kosek, J.: Právo na předsudek – Historické, filozofické, sociálně psychologické, kulturní a právnické souvislosti stereotypů a předsudku, Praha, 2011, Dokořán Verlag, S. 39.

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24

Gerade aus dieser Periode, d. h. aus dem 19. Jhr. stammen die meistenen Vorurteile, die die Tschechen, während ihrer Anwesenheit in Wien, bekämfen mussten.

Welche es waren und in welcher Form sie sich in Wien verbreiteten, bringt Kapitel 6 zur Erfahrung.

3. 6. 1 Vorurteile in der Gesellschaft

Unsere Ansichten und Einstellungen, die unserem Urteil über eine Tatsache vorausgehen, haben ihren Ursprung in den Werten der Kultur, die uns umgibt und beeinflusst. Jeder Mensch erkennt als Mitglied einer sozialen Gruppe bestimmte Werte an, die er im Falle der Konfrontation mit anderen Werten mehr oder weniger bewusst bevorzugt und verteidigt. Zu den Konsequenzen dieses Verhaltens gehört die negative Bezeichnung dieser Person als eine, die über Vorurteile verfügt.42

Allerdings gibt es eine allgemeine Übereinstimmung: die Vorurteile sind seit jeher entstanden und entstehen immer noch, weil die Menschen einfach unterschiedlich sind – sie stammen aus verschiedenen Zivilisationen, Kulturen und Völkern, bekennen sich zu unterschiedlichen Werte, haben unterschiedliche Hautfarben und sprechen andere Sprachen.43

Kulturelle Muster sind ein integraler Bestandteil unserer Identität und wachsen nicht nur aus dem aktuellen Stand unserer Kultur, sondern auch aus ihren historischen Wurzeln. Trotz einer gewissen Erlärbarkeit bestimmter Vorurteile und Stereotypen sollte man nicht ihr gefährliches Potential, besonders in Zeiten politischer oder wirtschaftlicher Krisen, unterschätzen, denn sie können in einer explosiven Situation führen.44

Diese Aussage bestätigt auch die Situation der Wiener Tschechen. Obwohl ihre Position und Stellung in der Wiener Gesellschaft nie ganz einfach war, der höchste Punkt des Hasses gegen Tschechen kam mit ihrer Bestrebung um Nationalemanzipation am Anfang des 20. Jahrhunderts. Mit der Steigerung des tschechichen nationalen Selbstbewusstseins wuchsen auch der Ärger und die Feindlichkeit der Wiener.

42 Ebd. S. 15.

43 Ebd. S. 23.

44 Ebd. S. 37.

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25 3. 6. 2 Primärer und sekundärer Rassismus

Den meisten Menschen fallen im Zusammenhang mit den Vorurteilen wahrscheinlich rassistische Vorurteile ein. Auch das Konzept des Rassismus ist nicht einfach zu definieren. Der französische Philosoph Pierre-André Taguieff unterscheidet drei Arten von Rassismus. Für die Zwecke dieser Studie sind die ersten beiden relevant: Der primäre und der sekundäre Rassismus.

„Der primäre Rassismus ist eine voraussetzende Grundlage für jede Heterophobie und bezeichnet ein Gefühl des Misstrauens gegenüber der anderen Person oder einem Ausländer. Diese Art von Rassismus kann auch als unsere spontane Wahrnehmung des Unbekannten als Feind verstanden werden, die die Flucht oder Aggression verursacht.“ 45

Bei dem sekundären Rassismus spielt der Begriff „Ethnozentrismus“ eine wichtige Rolle. Erklärt kann er, als eine allgemeine, weit verbreitete menschliche Haltung oder auch als die Tendenz aller gesellschaftlichen Gruppen daran zu glauben, dass sie besser als andere Gruppen sind, werden.

Das Duden Fremdwörterbuch definiert Ethnozentrismus als eine: „besondere Form des Nationalismus, bei der das eigene Volk (die eigene Nation) als Mittelpunkt und zugleich als gegenüber anderen Völkern überlegen angesehen wird.“46

Obwohl diese Definition eine eher negative Konnotation hat, positives Selbstwertgefühl ist aus der funktionalistischen Perspektive völlig verständlich. Der Ethnozentrismus dient dazu, die Gruppe in ihrer gegenwärtigen Form am Leben zu halten.

Gegenüber den Werten von anderen Gruppen kann sie tolerant sein, beispielsweise, um sich weiter zu entwickeln. Will sich aber diese Gruppe bewahren, kann diese Toleranz nur einen gewissen Grad erreichen.47

Viele Tschechen konnten sich auch nur schwierig mit dem starken Ethnozentrismus der Österreicher und der minderwertigen Stellung der tschechischen Länder im Rahmen der Habsburger Monarchie abfinden. Diese negativen Gefühle, die meistenen Tschechen

45 Ebd. S. 64.

46 Duden 2007, S. 238.

47 Vgl. Kosek 2011, S. 12.

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26

schon aus der Heimat mitbrachten, wurden im Lauf der Geschichte durch politische Assimilationsversuche noch wesentlich verstärkt. (Kapitel 6)

3. 7 Stereotypen

Der oben erklärte Begriff der „kollektiven Identität“ wird manchmal auch in einem anderen Sinn verwendet: Dem Kollektiv selbst wird eine bestimmte Identität zugeschrieben, das heißt alle Mitglieder dieses Kollektivs teilen angeblich dieselbe Identität. Es handelt sich dabei um die Bildung von Stereotypen. Im alltäglichen Umgang werden leichtfertig unterschiedliche Menschen einer Gruppe zugeordnet und ihnen kollektive Eigenschaften oder Handlungen zugeschrieben. Allgemein gesehen können die Stereotype als typische Charakterzüge, die man bestimmten sozialen Kategorien oder ethnischen Gruppen zuordnet definiert werden, z. B. Die Deutschen sind ordnungs- liebend.48

Einige Autoren betrachten Stereotypen als eine übertriebene Vorstellungen über die Eigenschaften aller Mitglieder einer bestimmten Kategorie. Die Grundlage für den Prozess der Stereotypisierung ist die soziale Kategorisierung. Sobald ein Individuum als Mitglied einer bestimmten sozialen Kategorie identifiziert wird, folgt die Aktivierung von stereotypischen Eigenschaften, die mit dieser Kategorie verbunden sind. 49

Die Stereotypen können in physischen Attributen (z. B. Die Skandinaver haben alle blonde Haare.), in typischen Reaktionen und in Verhaltensweisen (Die Italiener gestikulieren viel.) oder in psychischen Eigenschaften (Die Engländer sind kalt und konservativ.) der angeblich typischen Vertreter der Kategorie bestehen.

Das Ergebnis der Beurteilung der typischen Merkmale der eigenen Nation wird als nationaler Autostereotyp bezeichnet. Im Unterschied dazu nennt man die Beurteilung der Eigenschaften einer Nation von anderen Nationen der nationale Heterostereotyp.

Tausende tschechischer Arbeiter, die während der fünfziger Jahre des 19.

Jahrhunderts und in den folgenden Jahrzehnten nach Wien kamen, machten auf die Wiener

48 Vgl. Zeitgenossische Kommision für Migrationsfragen: Identität. URL:

http://www.ekm.admin.ch/content/ekm/de/home/themen/identitaet.html [Stand: 20. 1. 2013]

49 Vgl. Československá psychologie, 2012, S. 26.

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27

einen nicht gerade positiven Eindruck. Dank ihrer Aufmachung, ihres bäuerischen, in der Stadt unkultiviert wirkenden Verhaltens und ihrer mangelnden Sprachbeherrschung enstand in dieser Periode die stereotype Vorstellung vom Tschechen, der im Wiener Deutsch allgemein mit abfälligen Bezeichnungen wie „Böhme“, „Bem“, „Bemake“ oder deren Ableitungen belegt wurde.50 Noch heute, wenn man die Wortverbindung „Böhmisch einkaufen“ in Wien sagt, weiß die ältere Generation der Anssäsigen, dass es ein Synonym für das Verb „klauen“ ist.

Das Bild, das die Tschechen als Schwindler und Diebe schilderte, wurde aus der Sicht der Österreicher in der Geschichte mehrmals bestätigt und ist deswegen in dem Bewusstsein einiger Österreicher immer noch stark verankert.51

3. 8 Selbstbild vs. Fremdbild

Das Selbstbild bezeichnet die Vorstellung, die jemand vor sich selbst hat, bzw.

macht. Das Selbstbild gilt als Opposition zum Fremdbild, d. h. wie die anderen einen vom außen wahrnehmen. Fremd- und Selbstbild müssen nicht notwendigerweise übereinstimmen. Das Selbstbild misst sich am Wunschbild, also daran, wie man gerne sein möchte. 52

In der fachlichen soziologischen Literatur findet man keinen einheitlichen Sprachgebrauch dieser Begriffe. Neben den Begriffen „Selbstbild und Fremdbild“ existiert eine Reihe von anderer Begrifflichkeiten, die teils synonymisch, teils mit unterschiedlichem Bedeutungsgehalt zu verstehen sind.

Das Selbstbild wird also als „Selbstkonzept“ oder „Selbstschema“ bezeichnet. Es wird meist zur Markierung des Bewusstseins der eigenen Person (bzw. des eigenen Landes) verwendet. Der Schemabegriff ist allgemeiner und beinhaltet auch implizite Konzepte, sowie spezielle Informationsverarbeitungsstrategien.53 Wie die Grafik 1 zeigt, das Selbstschema bezieht das Wissen über die eigene Person und ihre Bewusstheit,

50 Vgl. Valeš 2002, S. 116.

51 Československý magazín: URL: http://www.cs-magazin.com/index.php?a=a2010071007 [Stand: 12. 1. 2013]

52 Vgl. Nowak J.: Selbstbild – Fremdbild, Selbst und Fremdwahrnehmung des Individuums, 2008, Grin Verlag, ISBN 978- 3-640-93126-2 S. 1.

53 Selbstkonzept, URL: http:www.uni-frankfurt.de [Stand 2. 2. 2013]

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28

Biografie, Wahrnehmung eigener Eigenschaften, Einschätzung eigener Fähigkeiten, persönliche Wünsche, Ziele, Ideale und soziale Rollenerwartungen ein.

Das Selbstschema entsteht durch die Bewertung selbstbezogener Erfahrungen (z. B.

Erfolg, Misserfolg, Lob). Jeder Mensch entwickelt Annahmen und Phantasien darüber, wie er wohl in den Augen der andere wirkt (sgn. Fremdperspektive). Durch den Vergleich mit anderen Personen kommt es zur Verallgemeinerung der konkreten Erfahrungen zu abstrakteren Einschätzungen (Konzepten) und zur Integration der Konzepte zu allgemeineren Konzepten. Erst nachdem alle diese Vorgänge durchlaufen wurden, wird unser Selbstbild gebildet.

Selbst

Bewusstsein der eigenen Person, innere Vorgänge

Aktuell Bewusstseinsstrom

Vergangenheit

Selbstbild

selbstbezogene Wissensstruktur Identität

„I“ „Me“

Selbst- perspektive

Fremd- perspektive

Selbstbezogene Erfahrungen

Selbstschema

Biografie

Verallgemeinerung zu Konzepten

Grafik 1: Selbstbild (Quelle: http:www.uni-frankfurt.de [Stand 2. 2. 2013])

Das Selbstbild ist individuell geprägt und deckt sich meistens nicht mit dem Bild, das andere von uns haben, d. h. mit dem Fremdbild. Das Fremdbild entsteht durch die Außenwirkung der Person und ist entscheidend dafür, wie jemand bei den anderen ankommt. Die Fremdbilder sind in der Regel Folgen von objektiven Einstellungen, Vorurteilen, Motiven, Erwartungen und Erfahrungen.

Dadurch, dass Selbstbilder und Fremdbilder nur selten deckungsgleich sind, kann diese Diskrepanz oftmals Konflikte und Missverständnisse verursachen.

(26)

29

4 Methodologie

4. 1 Arbeitsverfahren

Das Verfassen dieser Diplomarbeit wurde durch eine langfristige Auseinander- setzung und das Interesse am Leben unserer Landsleute in Wien ausgelöst. Nach einer Vorbereitungs- und Konzeptionsphase im Frühling 2011 konnte der Forschungsbereich im Sinne des jetzigen Titels der Arbeit eingrenzen werden. Im Sommer 2011 erfolgten umfassende Recherche- und Lesearbeiten und eine weitere Konkretisierung des Themengebietes. Die Untersuchungen wurden in der Zeitspanne eines Jahres durchgeführt.

Die Fragebogenforschung wurde von Oktober 2012 bis Dezember 2012 geplant. Im demselben Monat begann das Schreiben des Fließtextes, um die Arbeit im Sommersemester 2013 fertig stellen zu können.

Obwohl ich mich bemüht habe, die jeweils für das Thema der Arbeit relevanten und aussagekräftigten Punkte auszuwählen, basiert auch diese Entscheidung auf meinem individuellen Kenntnissen der Problematik und unterliegt meinen subjektiven Ermessenskriterien und den in Wien innerhalb der Tschechischen Minderheit gewonnenen Erfahrungen. Somit bitte ich um Verständnis, wenn dem/der einen oder anderen LeserIn ein Teilaspekt oder Beispiel fehlen sollte und bin für Hinweise und Ergänzungen aller Art dankbar.

4. 2 Verwendete Methoden

Grundsätzlich gibt es bei der Datenerhebung drei vorrangige Möglichkeiten:

nämlich die Inhaltsanalyse, die Beobachtung und die Befragung.54 Viele empirische Untersuchungen bedingen eine Kombination der verschiedenen Datenerhebungsarten.

Welches Forschungsinstrument die besten Voraussetzungen bietet ist, hängt vom definierten Ziel ab.55

Um die Ziele der Arbeit zu erreichen, wird methodisch eine Kombination von qualitativen und quantitativen Methoden verwendet, wobei vor allem die historischen Studien und die Wiener Volkskultur (Humor, Lieder), die die Beziehungen unter Alt- und Neubürgern aussagend reflektieren, einer Analyse unterzogen werden.

54 Vgl. Stier 1996, S. 18 f.

55 Vgl. Bortz 1984, S. 62 f.

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30

Der aufgrund theoretischer Kenntnisse konstruierte Fragebogen stellt die Grundlage für die quantitative Forschung, die das theoretische Wissen mit der persönlichen Erfahrung der ProbandInnen verknüpft. Die Befragung hat sich als wirkungsvoll erwiesen und die vorliegende Arbeit weist Forschungsergebnisse auf, die größtenteils in Form von Fragebögen erzielt und recherchiert wurden.

Innerhalb der phänomenologischen Forschung können die Methoden der Oral History, des Leitfadengesprächs und der Handlungsforschung (action research) benutzt werden. Für die Zwecke dieser Arbeit, wurde vor allem die Methode der Oral History verwendet. Es ist eine der Methoden der qualitativen Forschung und ihre Unverzichtbarkeit besteht in ihrer Fähigkeit mangelhafte, fehlende oder ganz zerstörte Quellen zu ersetzen.

Häufig ist diese Methode die einzige Ressource der Informationen über bestimmtes geschichtlichen Ereignis.

Aus diesem Grund hat diese Methode ihre spezifische Bedeutung vornehmlich für die Erforschung totaliterer Systeme, wo die Pluralität der zuverlässigen Quellen sehr mangelhaft ist. Als Ersatz und Erfüllung dieser Lücke dienen die Erinnerungen und Erzählungen der Augenzeugen, die die faktographische Basis erweitern und zusammen mit den anderen Unterlagen eine plausible Analyse der geschichtlichen Fakten ermöglichen.

Auch in dieser Arbeit wurde die Methode der mündlich erfagten Geschichte vor allem zur authentischen Schilderung der Periode zwischen 1968 und 1989, d. h. der Zeit des kommunistischen Regimes, verwendet. Die Gespräche wurden mit bedeutenden Wiener Tschechen und Charta 77 Signataren geführt, die zugleich zu den Vertretern des damaligen tschechischen Untergrunds gehörten. Die Gespräche dienen in dieser Arbeit nicht als Ausgangspunkte für Hypothesen oder Schlussfolgerungen, sondern sollen die geschichtlichen Ereignisse wahrheitsgetreu und authentisch darstellen.

Diese Art der Handlungsforschung ermöglicht eine vergleichende Erforschung der Bedingungen und Wirkungen verschiedener Formen des sozialen Handels und eine zu sozialem Handeln führende Forschung. „Im Gegensatz zur traditionellen Sozialforschung

(28)

31

bleiben in der Handlungsforschung die Erforschten nicht länger nur Objekte der Forschung, sondern treten auch im Forschungsprozess als Subjekte auf.“56

4. 3 Strategie der Datensammlung

Wie schon erwähnt, für die Datenerhebung werden sowohl qualitative, als auch quantitative Forschungsmethoden eingesetzt. Um eine größere Stichprobe zu untersuchen und exakt quantifizierbare Ergebnisse zu gewinnen, wurden als Mittel der quantitativen Forschung zwei Fragebogen57 verwendet. Um alle wichtige Merkmale der Fragebogen zu erfüllen (d. h. vor allem deren Gültigkeit und Zuverlässigkeit) wurde, für den Inhalt und die Struktur der Fragebögen in ihrer Zusammenstellung, Mgr. Štěpán Moravec aus dem Tschechischen Statistikamt konsultiert.

Der Kontakt und Ansprache einzelner Erzähler wurde durch die so genannte

„Schneeball-Methode“ durchgeführt: „Die Rekrutierung der Befragten besteht in Sammlung von Kontakten, wobei jeder Befragte auf andere potenzielle Informanten hinweist.“58 Auf Grund der finanziellen Beschränkungen und der eigentlichen Ziele der Arbeit wurden solche Fragen gestellt, die den Befragten „beim Thema halten, um auf dieser Weise die wichtigsten Informationen zu gewinnen.“59

4. 4 Recherchen

Damit die Situation und das Leben der Wiener Tschechen möglichst identisch und aktuell geschildert wird, wurden in der Arbeit häufig eigene Erlebnisse der Augenzeugen dargestellt. Trotzdem waren die schriftlichen Quellen zur Beschreibung der Geschichte und der bisherigeren Entwicklung der Tschechischen Minderheit in Wien notwendig.

Um das Ziel der Arbeit zu erreichen, wurden historische Studien von ExpertInnen in diesem Gebiet Dr. Monika Glettler, Helena Basler und Karl Brousek benutzt, die eine

56 Vgl. Seebauer, Renate: Grundsätzliche Überlegungen zur Planung, Durchführung und Auswertung wissenschaftlicher Untersuchungen im Rahmen von Diplomarbeiten und Dissertationen. Brno: Paido-Verlag, 2003, S. 51.

57 Die Fragebogen „Vorurteile innerhalb der tschechisch-österreichischen Beziehungen“ sind in der Anlage (10. 4) zu finden

58 Leontiyeva, Y. - Vojtková, M. Metodologická východiska výzkumu mezinárodní migrace: kvalita v.

kvantita? In: Haišman, T. Přínos a potenciál vědeckého výzkumu v oblasti migrace. Ministerstvo vnitra ČR:

Praha 2010. S. 100.

59 Vaněk, M. Orální historie. Metodické a technické postupy. UP 2003, S. 17.

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32

theoretische Grundlage für die empirische Umfrage unter Vertretern der zeitgenössischen tschechischen Minderheit geleistet haben.

Vor allem Dr. Glettler widmet sich im ihren Werk „Bömisches Wien“ der Problematik der „Weana Böhm“ und stellt sich die Fragen der Integration und der gegenseitigen Beeinflussung:

„Gab (gibt) es denn allen Ernstes ein Tschechenproblem in Wien? Waren (sind) die Zuwanderer nicht bemüht, sich anzupassen und zu integrieren? Wäre Wien auch ohne die dort lebenden Tschechen eine Weltstadt des Geistes gewesen oder nicht? Gab es wirklich eine gegenseitige kulturelle Befruchtung?“60

Um die Position der tschechischen Minderheit in Wien wahrheitsgetreu und objektiv zu schildern, war es wichtig, sie im Rahmen der anderen „Ausländer“, darunter Angehöriger anderer Minderheiten (z. B. Juden in der Geschichte, heute vor allem Türken) zu betrachten. Die Stellung einer Minderheit kann nämlich nicht nur in dem Zusammenhang mit der Majoritätsgesellschaft verstanden werden, sondern erst durch das Verstehen der gegenseitigen Beziehungen zwischen anderen Minderheiten kann man eine strukturierte Ganzheitsansicht gewinnen.

Zur Schilderung der gegenseitigen Verhältnisse, zwischen den „echten Wienern“

und den neu Ankommenden bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wird die Analyse der Volkskultur, vor allem des Wiener Humors sog. „Wiener Schmäh“ durchgeführt, denn gerade er illustriert die damaligen Missstände authentisch. Hier wurden vornehmlich die Publikationen von Prof. Dr. Leupold-Löwenthal und Dr. Albert Lichtblau benutzt.

4. 5 Fragestellung und Forschungshypothese

Der historische Exkurs und intensives Studium der wissenschaftlichen Publikationen über die Stellung der Minoritäten in den Majoritätsgesellschaften führten zur Fragestellung und zu der Entwicklung von Forschungshypothesen. Die Absicht der vorliegenden Arbeit ist es, die folgenden Aspekte zu beobachten und zu klären:

60 Vgl. Glettler 1972, S. 7.

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33

 Wie sich das Selbstbild und Fremdbild des tschechischen Volkes in der alten Reichshaupt- und Residenzstadt im Laufe der Jahrhunderte entwickelt hat.

 Wie schwierig es damals war, und vielleicht noch heute ist, sich in die Wiener Gesellschaft unter dem Status „Wiener Tscheche“ zu integrieren.

Seit ihrer Ankunft war das Leben der Tschechen in Wien durch die Existenz von vielen Vorurteilen und Stereotypen wesentlich erschwert. Daraus profiliert sich unausweichlich eine Frage, die im Mittelpunkt der Forschung steht und mit Hilfe der Fragenbögen beantwortet wurde:

 Begegnen auch die im 21. Jahrhundert in Wien lebenden Tschechen irgendwelchen Vorurteilen und Stereotypen von der österreichischen Seite, oder ist die wienerische Fremdfeindlichkeit nur für die Vergangenheit ein relevantes Thema?

Im Kapitel 3 wurde die Wiener Identität beschrieben, die durch ihre Unterschiedlichkeit von dem restlichen Gebiet Österreichs gekennzeichnet wird. Dank dieser Erkenntnis kann man vorrausetzen, dass sich auch die gegenseitigen tschechisch- österreichischen Beziehungen in Wien von den anderen Teilen Österreichs unterscheiden.

Die empirische Forschung und Analyse von anderen relevanten Quellen soll diese Hypothese entweder bestätigen oder widerlegen und die Gründe des Resultats anführen.

(31)

34

5 Tschechen in Österreich und in Wien

„Těší nás, že jste si k nám našli cestu.“61 Diesen Satz sieht man auf riesigen Reklametafeln in Österreich, gleich nachdem man die tschechischen Grenzen übertreten hatte. Wie ernst oder wahrhaft diese Wörter gemeint sind, versucht diese Arbeit zu entdecken.

Sind die Österreicher wirklich froh, dass sich die Tschechen auf dem österreichischen Gebiet für eine kurze oder längere Zeit aufhalten? Haben die Tschechen wirklich einen Weg nach Österreich wiedergefunden?

Auf die Tatsache, dass Tschechien und Österreich Nachbarstaaten sind, die eine lange gemeinsame Geschichte verbindet und die seit neun Jahren im Rahmen der europäischen Integration sozusagen wieder vereint wurden, weisen viele Spuren hin. Die auffälligsten davon sind die oben erwähnten Reklametafeln, die auf dem Weg von Tschechien nach Österreich in einer unübersehbaren Menge emporragen. Einmal auf tschechisch und einmal auch deutsch werden verschiedene Veranstaltungen groß verkündigt: Gemeinsame Geschichte, gemeinsame Ausstellungen62, gemeinsames Publikum, und gemeinsame Zukunft. Auf ersten Blick scheinen die gegenseitigen Nationalbeziehungen ganz problemlos zu sein.63

Trotzdem, auch 23 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, scheinen Österreicher und Tschechen eine bestimmte Distanz zueinander zu wahren.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Länder werden von den Medien häufig zum Thema gemacht. Der Befund fällt jedoch in der Regel ernüchternd aus: Das Bild, das die Nachbarn voneinander haben, wird oft von Stereotypen verzert und von den Schatten der Vergangenheit verdunkelt.

Man muss nicht viel forschen, um die ersten Anzeichen der heutigen heiklen Themen zu finden: Atomkraft, Beneš-Dekrete, Sextourismus… Der Begriff tschechisch- österreichische Beziehungen ruft außer diesen noch viele weitere, schmerzhafte

61 „Es freut uns, dass Sie den Weg zu uns gefunden haben.“

62 Werbungsposter zur Austellung: Geteilt, getrennt, vereint im Anhang 10. 2.

63 Mrázová, P.: Austria, Check you Czech Media Frames! URL: http://othes.univie.ac.at/9643/1/2010-04- 02_0402743.pdf [Stand: 14. 2. 2013]

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